Falschberatung des Anscheinsmaklers
Die Pflichten eines Anscheinsmaklers würden den Pflichten eines vom Versicherungsnehmer beauftragt Versicherungsmaklers entsprechen (siehe auch: OLG Dresden, Beschluss v. 16.05.2019 – 4 U 441/19). Wegen der weitgehenden Pflichten eines Versicherungsmaklers könne dieser auch als treuhänderischer Sachwalter des Versicherungsnehmers bezeichnet werden (siehe auch: BGH, Urteil v. 22.05.1985 – IVa ZR 190/83).
Bei Berufsunfähigkeits- und Lebensversicherungen handle es sich um besonders beratungsintensive Versicherungen. Daher müsse der Versicherungsmakler – auch der Anscheinsmakler – den Versicherungsnehmer regelmäßig auf die Folgen und Risiken einer vorzeitigen Kündigung hinweisen. Die Beratungspflicht umfasse auch den Abschluss eines neuen Vertrages.
Aufgrund dieser Pflichten hätte sich der Anscheinsmakler im Rahmen der Finanzanalyse auch die bestehenden Verträge des Versicherungsnehmers anschauen müssen. Zu einer solch weitreichenden Prüfung hätte umso mehr Veranlassung bestanden, als der Versicherungsnehmer in derartigen Angelegenheiten offenkundig gänzlich uninformiert war. Der Anscheinsmakler hätte der sich im Anschluss aufdrängenden Frage, welchen Inhalt die Sondervereinbarung hatte und an welche Konsequenzen sie geknüpft war, nachgehen müssen. Im Zuge dessen hätte er erkennen können, dass in der kürzlich abgeschlossenen Grundfähigkeitsversicherung ein Ausschluss bestimmter Risiken im Bereich der Atemwegserkrankungen vereinbart wurde, nachdem der Versicherungsnehmer dem Versicherer auch gerade die Atemwegserkrankung angezeigt hatte. Die ältere Berufsunfähigkeitsversicherung, die nachfolgend gekündigt wurde, hatte einen solchen Risikoausschluss nicht enthalten. Der Anscheinsmakler hätte den Versicherungsnehmer im Zuge dessen auf den Nachteil einer Kündigung der Berufsunfähigkeitsversicherung hinweisen müssen. Gegen diese Pflicht habe der Anscheinsmakler im Ergebnis schuldhaft verstoßen.
Umkehr der Beweislast
Das OLG Dresden führte fort, dass auch eine Umkehr der Beweislast erfolgen müsse. Dies sei anzunehmen, da der Anscheinsmakler das Dokumentationserfordernis nicht eingehalten habe, indem das Beratungsprotokoll lediglich eine Produktempfehlung enthielt, jedoch keine Ausführungen zum Inhalt des Gesprächs. Infolgedessen liege die Beweislast für die Falschberatung des Anscheinsmaklers nicht mehr beim Versicherungsnehmer, sondern beim Anscheinsmakler (siehe auch: BGH, Urteil v. 13.11.2014 – III ZR 544/13). Im vorliegenden Fall konnte der Anscheinsmakler einen entsprechenden Gegenbeweis bezüglich der vorgeworfenen Falschberatung indes nicht erbringen.
Fazit und Hinweise für die Praxis
Das nachvollziehbare Urteil zeigt, dass grundsätzlich von einer umfassenden Beratungspflicht des Vermittlers ausgegangen werden muss. Dies gilt insbesondere bei der Umdeckung von Versicherungsverträgen. Immer wieder tauchen in der Praxis Fälle auf, in denen der Versicherungsvermittler den Versicherungsnehmer nicht hinreichend auf die Nachteile einer Kündigung des bestehenden Versicherungsschutzes hingewiesen hat. Gerade Umdeckungen von Versicherungsverträgen sind äußerst „haftungsträchtig“, wie der vorliegende Fall zeigt.
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