AssCompact suche
Home
Investment
19. Juli 2024
Was das Anlagejahr noch bringen wird

Was das Anlagejahr noch bringen wird

Das erste Halbjahr ist vorbei – Zeit, den bisherigen Verlauf des Kapitalmarkts 2024 einmal hinter sich zu lassen und den Blick nach vorne zu richten. Helen Windischbauer, Multi-Asset-Expertin beim Vermögensverwalter Amundi, gibt einen Ausblick, wie sich die Märkte im weiteren Jahresverlauf entwickeln könnten.

Ein Beitrag von Helen Windischbauer, Head of Multi-Asset Solutions bei der Amundi Deutschland GmbH

Wie werden sich die Weltwirtschaft und damit die Aussichten für Anlegerinnen und Anleger an den verschiedenen Kapitalmärkten entwickeln? Welche Asset-Klassen sind dabei besonders attraktiv, bei welchen sollten Investoren sehr selektiv vorgehen? Die Wirtschaftsaussichten in den verschiedenen Ländern und Regionen sind natürlich unterschiedlich. Die restriktivere Geldpolitik der Zentralbanken dämpft allerdings sowohl die Inflation als auch das Wachstum insgesamt – aber ohne in den wichtigsten Regionen eine Rezession auszulösen.

Amundi geht von einer Verlangsamung des globalen BIP-Wachstums auf 3,1% im Jahr 2024 und 3% im Jahr 2025 aus. Die US-Wirtschaft wird zu dem etwas verhalteneren Wachstumskurs beitragen. Dieses Jahr sind 2,3% und nächstes Jahr 1,7% realistisch. Immerhin wird sich die Eurozone erholen – auf niedrigem Niveau mit 0,8% bzw. dann 1,2%.

Insgesamt werden die Industrieländer mit durchschnittlich 1,5% Wachstum 2024 und auch 2025 weitgehend stabil bleiben. Die Schwellenländer streben nach oben mit 4,2% und 4,0%. Indien ist dabei der starke Treiber des weltweiten Wirtschaftswachstums mit mehr als 6%. Und China dürfte seine Probleme und die zuletzt schwächere Phase in den Griff bekommen.

Das alles umspannende Thema, die Inflation, prägt weiterhin das Weltgeschehen. Die Inflation ist hartnäckiger als erwartet, dürfte sich aber bis 2025 weiter in Richtung der Ziele der Zentralbanken abschwächen. Dies wird die Möglichkeit eröffnen, Zinsen zu senken und damit die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Das Tempo der Zinssenkungen wird sich dabei aber von Land zu Land unterscheiden. Die wirtschaftlichen Fundamentaldaten sprechen in den meisten Schwellenländern für eine geldpolitische Lockerung. Die US-amerikanische Fed könnte bis September 2024 mit Zinssenkungen beginnen. Ein weniger wahrscheinliches Abwärtsszenario wäre ein erneuter Anstieg der Inflation als Auswirkung der Wahlen in den USA.

Geopolitische Risiken steigen weiter

Die geopolitischen Risiken werden in den kommenden Jahren voraussichtlich weiter zunehmen und geprägt sein von Protektionismus, Sanktionen, Zöllen, Exportkontrollen und Handelskriegen. Der Ausgang der US-Wahlen ist dabei maßgeblich, da sich die Außenpolitik der USA unter einer Präsidentschaft von Biden und Trump deutlich unterscheiden dürfte. In jedem Fall wird wohl die Konfrontation zwischen USA und China zunehmen. Europa wird seinen Umgang gegenüber China aufgrund seiner eigenen Prioritäten in den Bereichen Verteidigung, Widerstandsfähigkeit der Lieferketten und Energiewende anpassen müssen.

Was bedeutet die aktuelle Lage für die Vermögensallokation? Investments sollten generell verschiedenen Szenarien standhalten und die Chancen positiver Ertragsdynamik und attraktiver Anleiherenditen mitnehmen. Anlegerinnen und Anleger sollten die hohen Unsicherheiten in Bezug auf Wachstum, Inflation und geopolitische Risiken im Blick behalten und jedes Investment abwägen.

Anlegerinnen und Anleger sollten also tendenziell vorsichtig positiv gestimmt sein und Aktien mit einer Ausrichtung auf lange Laufzeiten kombinieren und nach zusätzlichen Diversifizierungsquellen suchen. Zudem sollten sie auch geopolitische und individuelle Risiken bewerten und nach Unternehmen Ausschau halten, die die Energiewende sowohl in den Industrie- als auch in den Schwellenländern vorantreiben.

Rohstoffe gelten dabei als Absicherung gegen Inflation. Chancen könnten sich in strukturellen Schwellenländern wie Indien, Indonesien und Südkorea ergeben.

Bei Aktien sollten Anleger Konzentrationsrisiken vermeiden und sich auf Qualitätstitel sowie Value-Aktien fokussieren. In den USA bieten sich zahlreiche Chancen bei diesen Titeln als auch globalen Aktien. Anleger sollten europäische Small Caps in Betracht ziehen, um von der Erholung des Wirtschaftszyklus und den attraktiven Bewertungen zu profitieren. Was die einzelnen Branchen betrifft, sollten Finanzwerte, Kommunikationsdienstleistungen, Industriewerte und das Gesundheitswesen im Fokus stehen.

Bei Anleihen gilt es, die derzeit historischen Chancen auf den Bondmärkten zu nutzen und sich auf einen strukturellen Anstieg vorzubereiten. Angesichts der immer noch hohen Volatilität in der aktuellen Disinflationsphase sind Staatsanleihen und Investment-Grade-Unternehmensanleihen interessant. Schwellenländeranleihen werden von der Lockerung der US-Notenbank profitieren, und Anleihen in Landeswährung gewinnen mit der Abschwächung des US-Dollars an Attraktivität.

Diversifikation ist Queen

Das Wichtigste ist gerade in diesen turbulenten Zeiten die Diversifikation. Real Assets und alternative Investments, einschließlich Hedgefonds, können das Risiko-Rendite-Profil der Anlageportfolios verbessern. Rohstoffe, insbesondere Metalle, werden zunehmend von geopolitischen und strukturellen Themen wie der Energiewende beeinflusst. Die Angebots-/Nachfragedynamik wird den Ölpreis belasten; die Diversifizierung weg vom Dollar dürfte Gold dagegen weiter stützen.

Bei Währungen wird sich – obwohl es kurzfristig kaum Alternativen gibt – der US-Dollar im Zuge des langsameren US-Wachstums und der Lockerung der Fed abschwächen, während der Euro und das britische Pfund wieder stärker werden dürften. In den Schwellenländern sind Währungen mit extrem hohen Renditen wie die von Brasilien, Mexiko, Peru, Indonesien und Indien, attraktiv.

Das Anlageuniversum ist gigantisch. Die Weltenlage und die Entwicklung der Wirtschaft sind von vielen Komponenten abhängig, die schwer abschätzbar sind. Nichtsdestostrotz gibt es für Investoren weiterhin sichere Häfen und spannende neue Asset-Klassen, die ein Portfolio weiter diversifizieren und wachsen lassen können.

Bild: © Polonio Video – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von