Interview mit Christian Eck, Leiter Versicherungen – Aktien und Cross-Asset-Lösungen bei BNP Paribas S.A., Niederlassung Deutschland
Herr Eck, Sie sind bei BNP Paribas für das Geschäft mit deutschen Versicherern verantwortlich. Wie schätzen Sie die aktuelle Lage für Lebensversicherer ein?
Es gibt Druck von verschiedenen Seiten, das Geschäftsmodell der Lebensversicherer zu hinterfragen und zu justieren. Ein Kernthema ist die Zinswende, die vor allem das Geschäft mit Einmalbeiträgen hart getroffen hat. Da kommt der Vertriebsmotor schon mal ins Stottern. Ich glaube, dass die Versicherer insgesamt ihre Reaktionsfähigkeit auf Marktveränderungen und verändertes Nachfrageverhalten erhöhen müssen. Und das passt natürlich nicht so recht zum traditionell langfristigen Fokus der Lebensversicherung.
Nach der langen Niedrigzinsphase folgte ein „Zinshammer“ mit zehn Zinserhöhungen in Folge durch die Europäische Zentralbank. Was bedeutet solch eine Zinswende für die Lebensversicherer?
Während der Niedrigzinsphase hatten Versicherer gegenüber Bankenprodukten einen kompetitiven Vorteil, da sie in der Eigenanlage von hochrentierlichen Altbeständen im Anleihebereich profitierten. Durch den rasanten Anstieg der Zinsen sind derzeit einfache Bankprodukte wieder attraktiver als Versicherungslösungen. Darauf können die Versicherer nicht schnell genug reagieren. Auch wenn die Deklarationen bereits angezogen haben und eine Anpassung des Rechnungszinses absehbar ist, fehlen aktuell einige Argumente für einen Versicherungsabschluss.
Langfristig ist die Zinswende aber auch für die Versicherer gut – schließlich haben sich alle wieder höhere Zinsen erhofft – nur nicht so schnell, wie es dann geschehen ist. Das nebenbei entstehende Problem der stillen Lasten ist sicher bilanziell nicht so dramatisch, aber es zeigt, dass die langen Zyklen der Kapitalanlage der Versicherer einige Herausforderungen mit sich bringen.
Und wie sieht es fortlaufend mit der Zinsentwicklung aus? Wie geht es hier für die Versicherungsgesellschaften weiter?
Der Umbau der Sicherungsvermögen braucht Zeit, aber auf der Produktseite zeigt sich, dass Garantien – auch 100%-ige Kapitalgarantien in Riester-Produkten – wieder darstellbar werden. Damit können die Unternehmen auch ihre Unique Selling Proposition (USP) der Garantien wieder besser ausspielen und sich im Markt von den Bank- und Investmentprodukten differenzieren.
Offen ist, ob die Zinsentwicklung ihren Höhepunkt bereits erreicht hat bzw. wie lange das Zinsniveau auf dem aktuellen Level bleibt. Davon hängt ab, ob auch die Deklarationen weiter steigen und damit auch längerfristige Produkte wieder attraktiv werden.
Sie mahnen gerne an, dass Versicherer „flexibler werden müssen“. Was heißt das und woran liegt das?
Die Versicherer stehen im direkten Wettbewerb mit Banken und Asset-Managern, die mit ihren Produkten deutlich schneller auf Marktanforderungen reagieren können. Diese Lücke müssen die Unternehmen schließen. Das betrifft im Übrigen nicht nur die Renditefrage, sondern auch die Umsetzungsgeschwindigkeit von Nachhaltigkeitsaspekten in der Kapitalanlage – ein Deckungsstock kann nur sehr langfristig umgebaut werden. Wenn man aber die Nachfrage nach höheren Zinsen oder ESG-konformen Anlagen bedienen will, müssen auch die Versicherer Kapitalmarktkomponenten nutzen, die sie schnell in ihre Produkte integrieren können.
Es gibt noch ein weiteres relevantes Thema in diesem Zusammenhang: Die Versicherer sind tendenziell schwach in der systematischen Bearbeitung von Abläufen und dem Angebot von Wiederanlageprodukten, um Kunden auch für die Verrentungsphase zu halten. Auch hierfür braucht es flexible, an aktuelle Marktgegebenheiten angepasste Produkte, und die müssen zugleich auch dem Vertrieb schmecken – leicht verständlich, mit klarem Kundennutzen und idealerweise kampagnenfähig.
Seite 1 Warum Versicherer flexibler werden müssen – und wie sie dies schaffen können
Seite 2 Was können die Versicherer hier denn Ihrer Meinung nach tun, speziell bei Lebensversicherungen? Ist es schlichtweg eine Frage des Produktangebots?
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