Der Sachverhalt vor dem OLG Naumburg
Im konkreten Fall betreibt der Kläger eine Apotheke. Der Beklagte ist ebenfalls Apotheker und betreibt eine Apotheke, die auch im Internet präsent ist. Der Beklagte handelt sein Sortiment, also auch apothekenpflichtige Medikamente, außerdem auch über die Internet-Plattform „Amazon Marketplace“. Der Kläger hat den Beklagten mit anwaltlichem Schreiben vom 16.06.2017 wegen des Vertriebs über diese Plattform abmahnen lassen und eine strafbewehrte Unterlassungserklärung gefordert.
Der Vertrieb über die genannte Plattform verstoße gegen Datenschutzrecht und die Berufsordnung der Apotheker und sei daher wettbewerbswidrig. Für die im Zusammenhang mit dem Erwerb apothekenpflichtiger Medikamente einhergehende Erhebung/Speicherung/Verarbeitung gesundheitsbezogener Daten des Kunden fehle es an einer vorherigen schriftlichen Einwilligung; denn diese werde beim Bestellprozess nicht eingeholt.
Beim Kauf von Medikamenten würden besondere personenbezogene Daten gemäß § 9 Abs. 3 BDSG erhoben. Der Umgang mit diesen Daten sei nur besonderen Berufsgruppen erlaubt. Hierzu zählten grundsätzlich auch die Mitarbeiter einer Apotheke, die einer Geheimhaltungspflicht unterlägen. Die Mitarbeiter von Amazon gehörten nicht zu diesem besonderen Personenkreis. Es liege ein Verstoß gegen die §§ 4, 4a Abs. 3, 28 BDSG vor; die Ausnahmetatbestände der §§ 28 Abs. 7 bzw. 28 Abs. 6 Nr. 3 BDSG seien nicht einschlägig. Außerdem verstoße diese Praxis gegen die Vorschriften der Berufsordnung der Apotheker. Die Nichteinhaltung der datenschutz- bzw. berufsrechtlichen Vorgaben verschaffe dem Beklagten einen Wettbewerbsvorteil.
Der Kläger beantragte daher vor Gericht, der Beklagte solle es unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken apothekenpflichtige Medikamente über die Internethandelsplattform Amazon zu vertreiben, solange bei dem Anmelde- bzw. Kaufprozess über diese Internethandelsplattform nicht sichergestellt ist, dass der Kunde vorab seine Einwilligung mit der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung seiner Gesundheitsdaten (als besondere Daten im Sinne des § 3 Abs. 9 des Bundesdatenschutzgesetzes) gegenüber einer Person oder einer Institution erteilen kann, die zum Umgang mit diesen gesundheitsbezogenen Daten berechtigt ist.
Das Landgericht Dessau-Roßlau hat der Klage stattgegeben und den Beklagten antragsgemäß verurteilt.
Die Entscheidung des LG Köln
Das OLG Naumburg folgte der Entscheidung der Vorinstanz, denn im vorliegenden Fall hat das Landgericht Köln die streitentscheidenden Rechtsfragen nach Auffassung des Senats im Ergebnis zutreffend beantwortet: In der vorliegenden Fallkonstellation sind die Regeln der DSGVO als Marktverhaltensregeln im Sinne des § 3a UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb) anzusehen. Bei den erfassten Daten handelt es sich um Gesundheitsdaten im Sinne von Art. 9 Abs. 1 DSGVO. Der Beklagte verarbeitet die von der Handelsplattform erhobenen Daten ohne ausdrückliche Einwilligung im Sinne des Art. 9 Abs. 2 Buchst. a DSGVO.
Marktverhaltensregel im Sinne des § 3a UWG?
Eine Norm regelt das Marktverhalten im Interesse der Mitbewerber, Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer, wenn sie einen Wettbewerbsbezug in der Form aufweist, dass sie die wettbewerblichen Belange der als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in Betracht kommenden Personen schützt (vgl. BGH-Urteil vom 03.07.2003, Az.: I ZR 211/01; BGH-Urteil vom 12.07.2007, Az.: I ZR 18/04).
Die Frage, ob Datenschutzbestimmungen nach Inkrafttreten der DSGVO Marktverhaltensregeln darstellen, ist juristisch umstritten. Zwar wird vertreten, dass Datenschutzbestimmungen nach Inkrafttreten der DSGVO keine Marktverhaltensregeln im Sinne des § 3a UWG darstellen. Das OLG Hamburg nimmt dagegen auch nach Inkrafttreten der DSGVO an, dass insoweit die jeweilige Norm konkret darauf überprüft werden muss, ob gerade jene Norm eine Regelung des Marktverhaltens zum Gegenstand hat (OLG Hamburg, Urteil vom 25.10.2018, Az.: 3 U 66/17).
Das OLG Naumburg schließt sich der Auffassung des OLG Hamburg an, denn im vorliegenden Fall hat der Beklagte die Plattform Amazon Marketplace in das Feilbieten der von ihm vertriebenen Medikamente und Medizinprodukte in der Weise einbezogen, dass er die Popularität dieser Plattform nutzt, um Kunden zu gewinnen. Er setzt damit die Plattform als Werbeträger ein. Amazon selbst wertet die Daten – wenn auch anonym – aus, um zu werben: „Kunden, die sich Produkt A angesehen haben, interessieren sich auch für Produkte B." Dies zielt auf den Markt ab und berührt die wettbewerblichen Interessen der Marktteilnehmer. Denn durch die Auswertung der Absatzdaten können Kunden zielgerichtet angesprochen werden.
Gesundheitsdaten im Sinne des Art. 9 Abs. 1 DSGVO?
Bei den Bestelldaten der Kunden handelt es sich um Gesundheitsdaten im Sinne von Art. 9 Abs. 1 DSGVO, denn die Daten, die Amazon für den Bestellvorgang erfasst, stellen sicher keine Gesundheitsdaten im engeren Sinne dar, wie zum Beispiel ärztliche Befunde. Gleichwohl können aus den Bestelldaten Rückschlüsse auf die Gesundheit des Bestellers gezogen werden. Insbesondere die Kombination aus mehreren apothekenpflichtigen Medikamenten lässt durchaus einen Rückschluss auf den Gesundheitszustand des Bestellers zu, wenn auch die Wahrscheinlichkeit eines zutreffenden Rückschlusses durch die Möglichkeit der Drittbestellung an Sicherheit gemindert ist.
Einwilligung für Daten im Sinne des Art. 9 Abs. 1 DSGVO?
Vorliegend fehlt es an einer wirksamen Einwilligung im Sinne des Art. 9 Abs. 2 lit. a DSGVO. Nach Art. 9 Abs. 1 DSGVO kommt es nicht auf die Erhebung, sondern auf die Verarbeitung der dort genannten personenbezogenen Daten an. An einer Einwilligung für die Verarbeitung durch den Beklagten im Sinne des Art. 9 Abs. 2 lit. a DSGVO fehlt es hier.
Angesichts des Wortlauts des Art. 9 Abs. 2 lit. a DSGVO („ausdrücklich eingewilligt“) dürfte eine konkludente Einwilligung die Voraussetzung dieser Vorschrift nicht erfüllen, zumal eine ausdrückliche Einwilligung gerade nicht vorliegt. Darüber hinaus ist die Verpflichtung des Apothekers zur Einholung einer schriftlichen Einwilligung berufsrechtlich durch die Berufsordnung der Apothekenkammer Sachsen-Anhalt konkretisiert. § 15 Abs. 2 dieser Berufsordnung lautet: „Die Speicherung und Nutzung patientenbezogener Daten bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Betroffenen, sofern sie nicht nach dem Bundesdatenschutzgesetz und anderen Ermächtigungsgrundlagen zulässig sind oder von gesetzlichen Bestimmungen gefordert werden.“
Hinweis für die Praxis
Das Urteil überzeugt im Ergebnis. Das Gericht hat seine Entscheidung nachvollziehbar begründet. Das Urteil reiht sich in die bereits vielfach vorliegenden „DSGVO-Urteile“ ein. Auch wurden vorliegend die Schutzinteressen – gerade bei den vorliegenden Gesundheitsdaten – adäquat bewertet und abgewogen. Ohne Zweifel sollte in ähnlichen Fallkonstellationen eine gesonderte Einwilligung des Betroffenen in Bezug auf seine Gesundheitsdaten eingeholt werden. Gerade bei Datenverarbeitungen in Bezug auf Gesundheitsdaten dürfte die „Waagschale der Justitia“ stets zugunsten der Betroffenen ausfallen, wenn nicht von dem Verantwortlichen eine gesonderte Einwilligung eingeholt wird. Anhand des Wortlauts des Art. 9 Abs. 2 lit. a DSGVO („ausdrücklich eingewilligt“) wird deutlich, dass der Gesetzgeber die Anforderungen an eine Einwilligung gerade nicht niedrig ansetzt. Die Gerichte werden dieser gesetzgeberischen Intention folgen. Eine Entscheidung des BGH wäre vorliegend zweckdienlich. Die Revision wurde durch das OLG Naumburg zugelassen.
Veranstaltungshinweis zum Thema
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Über den Autor
Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Fachanwalt für Versicherungsrecht und Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz bei der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte in Partnerschaft mbB.
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