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19. April 2023
Vertrauensarbeitszeit bleibt trotz Arbeitszeiterfassung möglich
Arbeitszeiterfassung: Vertrauensarbeitszeit bleibt möglich

Vertrauensarbeitszeit bleibt trotz Arbeitszeiterfassung möglich

Das Bundesarbeitsgericht hatte Arbeitgeber zur Erfassung der gesamten Arbeitszeit eines Beschäftigten verpflichtet. Doch die Frage nach dem „Wie“ ließen die Richter offen. Nun hat das Bundesarbeitsministerium einen Gesetzesentwurf vorgelegt.

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat einen Referentenentwurf zur Erfassung der Arbeitszeit durch die Arbeitgeber vorgelegt. Das BMAS reagiert mit den Gesetzesplänen auf Urteile des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und des Bundesarbeitsgerichts (BAG), die eine Erfassung der gesamten Arbeitszeit verlangt hatten. Demnach müssen Arbeitgeber ein „objektives, verlässliches und zugängliches System“ einführen, „mit dem die von Arbeitnehmern geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann“, hieß es damals in der Entscheidung des BAG (AssCompact berichtete).

Doch die Frage, wie die Erfassung erfolgen muss, hatten die BAG-Richter offengelassen. Nach dem Arbeitszeitgesetz müssen bisher nur Überstunden und Sonntagsarbeit dokumentiert werden, nicht die gesamte Arbeitszeit. Und unbezahlte Überstunden fallen in Deutschland einige an: Nach Zahlen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung – der Forschungseinrichtung der Bundesagentur für Arbeit – waren es 2022 rund 700 Millionen unbezahlte Überstunden.

Arbeitgeber muss Erfassung sicherstellen

Konkret sieht der Entwurf vor, Arbeitgeber dazu zu verpflichten, „Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit der Arbeitnehmer“ am jeweiligen Arbeitstag „elektronisch aufzuzeichnen“, berichtete etwa die Süddeutsche Zeitung. Die Beschäftigten könnten ihre Arbeitszeit aber auch selbst dokumentieren. Dies könne auch durch „einen Dritten erfolgen“, zum Beispiel einen Vorgesetzten, heißt es weiter in dem Entwurf. Letztlich sei allerdings der Arbeitgeber dafür verantwortlich, dass die Arbeitszeit ordnungsgemäß erfasst werde. Zudem sollen die Beschäftigten das Recht erhalten, dass der Arbeitgeber sie über die aufgezeichneten Stunden informiert und ihnen Kopien der Angaben aushändigt.

Auch Tarifpartner können Regelungen treffen

Abgesehen von der Erfassungspflicht sollen auch die Tarifpartner Regelungen zur Arbeitszeiterfassung treffen können. So etwa können Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften per Tarifvertrag laut Gesetzesentwurf Ausnahmen von der täglichen Aufzeichnungsfrist vereinbaren oder aber Klauseln aushandeln, die eine Regelung auf Unternehmensebene durch Management und Betriebsräte eröffnen. Sie können ferner festlegen, dass die Arbeitszeit in „nicht-elektronischer Form“ aufgezeichnet wird, also auf Papier; außerdem, dass die Stunden nicht am selben Tag, sondern erst später aufgezeichnet werden, spätestens aber eine Woche nach der geleisteten Arbeit.

Ausnahmen von der Erfassungspflicht

Die Tarifparteien können auch festlegen, dass auf die Erfassung ganz verzichtet wird, berichtet die Süddeutsche Zeitung. Dies könnte für Arbeitnehmer gelten, bei denen die Arbeitszeit wegen besonderer Merkmale der Tätigkeit „nicht gemessen oder im Voraus festgelegt wird“ oder von den Arbeitnehmern „selbst festgelegt werden kann“. Auch Kleinbetriebe mit bis zu zehn Mitarbeitern können auf eine elektronische Aufzeichnung verzichten.

Vertrauensarbeitszeit soll weiterhin möglich sein

Debatten könnte es noch über die Vertrauensarbeitszeit geben. Bei diesem weitverbreiteten Arbeitszeitmodell verzichtet der Arbeitgeber darauf, Beginn und Ende der Arbeitszeit festzulegen. Arbeitnehmer müssen hier stattdessen ihre Stunden selbst aufschreiben. Die Vertrauensarbeitszeit soll weiterhin möglich sein, allerdings müsse der Arbeitgeber auch hier sicherstellen, dass Beschäftigte die gesetzliche Höchstdauer und die Ruhezeiten einhalten. „Durch die Vertrauensarbeitszeit werde die Aufzeichnung der Arbeitszeit nicht entbehrlich“, heißt es im BMAS-Entwurf, ohne dabei allerdings konkreter zu werden. Der Gesetzentwurf sei in einem frühen Stadium, als nächstes folge nun die Ressortabstimmung, ließ das BMAS noch wissen. (as)

Bild: © Brian Jackson – stock.adobe.com