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17. Mai 2024
Verdopplung der Beitragssätze in der Pflegeversicherung

Verdopplung der Beitragssätze in der Pflegeversicherung

Der demografische Wandel und die stetig angehobenen Leistungsansprüche setzen die gesetzliche Pflegeversicherung unter hohen Druck. Die Beitragssätze könnten sich bis zum Jahr 2040 verdoppeln, hat das WIP berechnet. Vorschläge zur Pflegefinanzreform werden dringend erwartet.

Die finanzielle Situation der sozialen Pflegeversicherung (SPV) in Deutschland ist seit Jahren angespannt. Entsprechend groß ist der Handlungsdruck des Gesetzgebers. Dieser hatte angekündigt, bis Ende Mai 2024 Empfehlungen für eine stabile Finanzierung der SPV abzugeben. Damit würde nach der jetzigen Verabschiedung der Krankenhausreform die nächste Reform angeschoben werden. Mit dem Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz (PUEG) hatte der Gesetzgeber zwar im vergangenen Jahr Anpassungen in der Pflege verabschiedet, wie es strategisch mit der Finanzierung weitergehen soll, blieb offen.

Beitragssätze könnten auf über 9% steigen

„Ein Weiter so“ werde es jedenfalls nicht geben können, kommentiert das Wissenschaftliche Institut der PKV (WIP) die Situation. Laut einer Analyse des Instituts stiegen in den vergangenen 20 Jahren die Ausgaben in der SPV um durchschnittlich 5,7%, während sich die Einnahmen um 2% erhöhten. Nach Berechnungen des WIP werde dies bis ins Jahr 2040 zu einer mehr als Verdopplung des heutigen SPV-Beitragssatzes führen. Demnach werden Versicherte ohne Kinder (Beitragssatz heute: 4,0%) im Jahr 2030 einen Beitragssatz von 5,9% und im Jahr 2040 sogar von 9,2% entrichten müssen. Wie das WIP aufzeigt, würde allerdings auch bei einem Gleichlauf von Ausgaben und Einnahmen allein aufgrund der steigenden Zahl der Pflegebedürftigen der Beitragssatz zunehmen, wenn auch in kleinerem Maße. Das Statistische Bundesamt (destatis) geht von einer Zahl an pflegebedürftigen Menschen in Deutschland von 6,8 Millionen im Jahr 2055 aus. Heute sind es in etwa 5 Millionen Menschen.

Mehr Ausgaben durch Leistungserweiterungen und Entlastungen

Die Mehrausgaben führt das WIP aber nicht allein auf die demografische Entwicklung zurück. Einen Grund findet das Institut auch bei den Leistungserweiterungen vonseiten des Gesetzgebers durch die Pflegestärkungsgesetze I und II, die zu einem höheren Ausgabenniveau führten. Auch müsse der Staat mehr Geld zur Begrenzung des Eigenanteils an den pflegebedingten Aufwendungen aufbringen, als dies die Bundesregierung originär geschätzt habe, so die WIP-Analyse.

Förderung von kapitalgedeckter Absicherung

Eine so deutliche Erhöhung der Beiträge, wie dies das WIP berechnet hat, dürfte die Bundesregierung nicht wollen und auch Zuschüsse aus den Steuereinnahmen stehen nicht für eine zukunftsfähige Finanzierung der Sozialversicherungssysteme. Das WIP spricht sich deshalb für eine zweite stützende Säule in Form einer kapitalgedeckten Absicherung aus. Mitstreiter findet das Institut und damit auch der PKV-Verband etwa beim Wissenschaftlichen Beirat des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) sowie dem Experten-Rat „Pflegefinanzen“. Gedacht wird dabei an vom Staat geförderte Zusatzversicherungen, der Experten-Rat bringt dabei eine „Pflege+”-Versicherung ins Spiel.

PKV-Verband will neuen Generationenvertrag für Pflege

Der PKV-Verband selbst schlägt einen „Neuen Generationenvertrag“ zur Finanzierung der Pflege vor. „Die Pflege-Kosten unserer alternden Gesellschaft setzen Zukunftschancen der jüngeren Generationen aufs Spiel“, warnt PKV-Verbandsdirektor Florian Reuther. „Wer die Pflege generationengerecht reformieren will, darf nicht nur an die heutigen Pflegebedürftigen denken. Deutschland braucht einen neuen Generationenvertrag, der die jüngeren Steuer- und Beitragszahler vor Überlastung schützt und den Wirtschaftsstandort Deutschland international konkurrenzfähig hält.“

Das Konzept sieht vor, den Beitragssatz zur SPV zu stabilisieren oder auch zu senken, indem die Leistungsausgaben weniger stark steigen als die Einnahmen. So könnte sich die jüngere Generation bei vergleichbarer finanzieller Gesamtbelastung zukünftig sogar mit einer Pflegezusatzversicherung eine vollständige Absicherung der Pflegekosten leisten, so der PKV-Verband. Die Verschuldung zu Lasten der jüngeren Generation würde erstmals in einem Sozialversicherungszweig auf null gefahren.

Für die Älteren, denen ein Aufbau zusätzlicher privater Vorsorge nicht mehr möglich ist, könnte übergangsweise ein an den tatsächlichen Pflegekosten orientierter Zuschuss gewährt werden. Gestaffelt nach Geburtsjahrgängen soll diese Dynamisierung dann schrittweise verringert werden. Für die Menschen im Alter von 60 Jahren und jünger bliebe es beim heutigen Niveau – sie würden somit die erste Generation sein, die für zukünftige Anstiege der Pflegekosten eigenverantwortlich vorsorgen muss.

„Vor diesem Hintergrund ist die Ausweitung des demografieanfälligen Umlageverfahrens in der Pflegeversicherung keine Lösung. Stattdessen muss die Politik endlich anfangen, die zusätzliche kapitalgedeckte Eigenvorsorge zu stärken“, so PKV-Verbandsdirektor Reuther in Richtung des Bundesgesundheitsministeriums.

Pflegezusatzversicherungen am Markt wenig gefragt

Bisher finden ergänzende Pflegezusatzversicherungen allerdings nicht ausreichend Akzeptanz am Markt. Zudem sind auch die Prämien in der privaten Zusatzversicherung zuletzt deutlich gestiegen. Auch die staatlich geförderte Pflege-Bahr kam nie richtig in Schwung. Deshalb gibt es nun auch die Vorschläge zu einer Pflichtversicherung zumindest für den stationären Bereich vonseiten des Experten-Rats „Pflegefinanzen“. Betriebliche Lösungen könnten zudem ein weiterer Ansatz sein. Bisher gibt es aber auch hier nur zaghafte Ansätze. Und ob Gesundheitsminister Karl Lauterbach tatsächlich dem Ruf einer kapitalgedeckten Ergänzungsversicherung folgen wird, ist fraglich. (bh)

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