Ein Artikel von Hans-Ludger Sandkühler
Versicherungsmakler sind moderne Dienstleister in einer komplexen Materie. Sie sind Sachwalter ihrer Kunden, analysieren deren Risikoverhältnisse und weben aus den Angeboten des Marktes ein Sicherheitsnetz für ihre Kunden. Dass dabei Versicherer und Servicedienstleister versuchen, ihre Angebote den Maklern nahezubringen, ist grundsätzlich in Ordnung. Es ist aber ein befremdlicher Trend auszumachen, dass interessengesteuerte Kräfte aus der Branche und teilweise auch außerhalb der Branche versuchen, auf das Vermittlungsverhalten der Versicherungsmakler Einfluss zu nehmen oder sie gar für andere Dienstleistungen zu instrumentalisieren. Versicherungsmakler sehen sich deshalb täglich Versuchungen ausgesetzt.
Immanente Interessenkonflikte
Versicherungsmakler erhalten für ihre Vermittlungstätigkeit eine erfolgsabhängige Vergütung. Das hat eine lange Geschichte und entspricht dem traditionellen Vergütungssystem der Handelsmakler. Handelsmakler halten zu keiner der Vertragsparteien des zu vermittelnden Geschäfts ein besonderes Näheverhältnis und können deshalb ihre Vergütung frei aushandeln. Das Sachwalterurteil des Bundesgerichtshofs (BGH) bedeutet indes einen Paradigmenwechsel: Nach Ansicht des BGH ist der Versicherungsmakler – anders als sonst der Handelsmakler – dem Versicherungsnehmer gegenüber als Vertrauter und Berater besonders verpflichtet und als treuhänderähnlicher Sachwalter des Versicherungsnehmers anzusehen. Insoweit kann der Versicherungsmakler mit sonstigen Beratern verglichen werden. Dies gelte – so der BGH – trotz der in vielen Ländern gleichförmig bestehenden Übung, dass die Provision der Versicherungsmakler vom Versicherer getragen wird. Damit hat der BGH aber den Grundkonflikt offengelegt: Geschäftsbesorgung für den Kunden vs. Bezahlung durch den Versicherer. Dieser immanente Interessenkonflikt ist indes leicht aufzulösen. Zwei Dinge müssen dabei klar sein. Erstens: Der Makler muss für seine professionelle Dienstleistung angemessen und professionell bezahlt werden. Zweitens: Da die Dienstleistung für den Kunden erbracht wird, muss dieser die angemessene und professionelle Bezahlung auch wirtschaftlich tragen, egal ob in Form eines Honorars oder via Courtage. Ernsthaft gewollt und tatsächlich durchgeführt: Diskussionen über Interessenkonflikte werden überflüssig.
Besondere Interessenkonflikte
Dennoch gibt es diese Diskussionen. Das liegt im Grunde daran, dass Versicherer und Pools versuchen, das Geschäft über die Höhe der Courtage und sonstige Zuwendungen zu steuern. Es ist deshalb falsch, eventuelle Missstände bei der Vergütung ausschließlich den Maklern anzulasten. Schon der irische Schriftsteller und Dandy Oscar Wilde sagte: „Ich kann allem widerstehen, nur nicht der Versuchung.“ Contingent commissions, Bonifikationen, Incentives, Gewinnbeteiligungen und hohe Abschlussprovisionen sind das Teufelszeug, das Versicherungsmakler in Versuchung und Interessenkonflikte führt. Die neuen Vorschriften zur Vermeidung oder Offenlegung von Interessenkonflikten bei der Vermittlung von Versicherungsanlageprodukten und die Forderungen nach einem Provisionsverbot oder Provisionsdeckel kommen nicht von ungefähr.
Provisionsdeckel als Lösung?
Natürlich ist nicht erst seit der Diskussion über Fehlanreize in Brüssel oder den mahnenden Hinweisen der BaFin, sondern spätestens seit der Reform des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) klar, dass die Vergütung bei Versicherungsanlageprodukten optimierungsfähig ist. Wenn der Bundesverband Deutscher Versicherungsmakler (BDVM) nun – stellvertretend für 160 (!) Umfrageteilnehmer – hasenfüßig einen Provisionsdeckel zugunsten einer höheren laufenden Vergütung fordert, ist dies deutlich zu kurz gesprungen und schon deshalb keine Lösung. Wenn die abgezinste laufende Vergütung die bisherige Abschlussvergütungsdifferenz ersetzen soll, bleibt es bei der Gesamtkostenbelastung wie bisher. Das Kernproblem – zu hohe Gesamtkosten zulasten der Erträge – ändert sich nicht. Allenfalls Frühstornofälle würden abgemildert. Dass der BDVM nun zurückrudert und nie von einer Forderung nach einem „gesetzlichen“ Provisionsdeckel gesprochen haben will: geschenkt. Gewöhnlich gut unterrichtete und glaubwürdige Chronisten berichten anderes.
Alternative Servicevereinbarungen?
In letzter Zeit werden von Anwälten und Dienstleistern sog. Servicevereinbarungen als neue und zur Umsatzsteigerung geeignete Vergütungsform in den Medien beworben. Auffällig ist, dass die Notwendigkeit zur Vereinbarung von Servicevereinbarungen von den Anbietern einfach unterstellt wird. Kostensteigerungen durch Digitalisierung und Dokumentation bei gleichzeitigen Kürzungen der Vergütung seien quasi nur durch den Einsatz von Servicevereinbarungen aufzufangen. Makler, die sich aus guten Gründen nicht für Servicevereinbarungen interessieren, werden pauschal diskreditiert („Die Blockade sitzt im Kopf des Maklers selbst“). Gleichzeitig werden (natürlich!) Spezialdienstleistungen (Infrastruktur, Inkasso) selbstlos angeboten.
Betriebswirtschaftlich auch nur einigermaßen versierte Makler werden nur Kundenbeziehungen eingehen, deren Gesamtcourtageaufkommen einen adäquaten Deckungsbeitrag für das Maklerunternehmen gewährleistet. Makler, denen dies nicht gelingt, werden Schwierigkeiten haben, zusätzliche Services gegen Entgelt zu platzieren, bieten doch professionelle Makler häufig vergleichbare Leistungen ohne zusätzliche Gebühren. Servicevereinbarungen sind ergo erst mal und vorrangig eher ein Geschäftsmodell für Berater und Dienstleister.
Versuchung der Begriffe
Es ist schon lange zu beobachten, dass Versicherungsvermittler ihre Vermittlungstätigkeit mit Etiketten wie Wirtschaftsberatung, Vermögensberatung, Finanzberatung oder Finanzdienstleistung versehen oder sich bzw. ihr Unternehmen vornehm als Finanzmanufaktur oder Finanzkanzlei bezeichnen. Neuester Trend: Finanzcoach. Dahinter steckt natürlich das zum Teil verständliche Bemühen, dem gängigen Klischee des Versicherungsvertreters oder gar Versicherungsfuzzis zu entgehen und stattdessen Begriffe zu verwenden, die Qualität, Seriösität und Kompetenz versprechen. Aber das Spiel mit den Begriffen ist ein Spiel mit dem Feuer. Die Marke Versicherungsmakler wird verwässert. Die meisten Kunden können eine qualitative Vermittlungstätigkeit nicht wertschätzen, weil sie die Qualität nicht beurteilen können und deshalb in Klischeemustern verharren.
Fazit für Makler
Makler sind gut beraten, fremdgesteuerten Versuchungen zu widerstehen, Selbstverständnis und Außenkommunikation zu hinterfragen, sich auf die Kernkompetenzen zu besinnen und daran – auch gemeinsam – zu arbeiten, den Begriff Versicherungsmakler zu einer werthaltigen Marke aufzubauen und ein dem geänderten Berufsbild angepasstes, ganzheitliches Vergütungssystem zu entwickeln und zu etablieren. Dazu bedarf es einer klaren Programmatik. Nur so können zukünftig schiefe gesetzliche Grundlagen und krude Gerichtsentscheidungen – etwa zur Berücksichtigung von Direktversicherern – sinnstiftend weiterentwickelt werden. Dann klappt es auch mit der Unabhängigkeit des Maklers.
Über Hans-Ludger Sandkühler
Hans-Ludger Sandkühler ist Vertriebs- und Versicherungsjurist und verfügt über praktische Erfahrungen aus seinen langjährigen Tätigkeiten als Versicherungsmakler und Rechtsanwalt. Er ist ausgewiesener Experte in Maklerfragen, gefragter Referent und Autor zahlreicher Veröffentlichungen.
Diesen Beitrag lesen Sie auch in AssCompact 12/2024 und in unserem ePaper.
Bild: © andranik123 – stock.adobe.com
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Leserkommentare
Comments
Wie so oft bringt es Herr Sandkühler
auf den Punkt! Dafür vielen Dank.
Ich unterschreibe nahezu alle wesentlichen Punkte. Besonders gefallen haben mir die folgenden Passagen (ich zitiere): " Makler, die sich aus guten Gründen nicht für Servicevereinbarungen interessieren, werden pauschal diskreditiert" und "Makler sind gut beraten, fremdgesteuerten Versuchungen zu widerstehen, Selbstverständnis und Außenkommunikation zu hinterfragen, sich auf die Kernkompetenzen zu besinnen und daran – auch gemeinsam – zu arbeiten, den Begriff Versicherungsmakler zu einer werthaltigen Marke aufzubauen"
Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.
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