AssCompact suche
Home
Steuern & Recht
3. Januar 2024
Urlaub: Worauf Arbeitgeber jetzt hinweisen sollten
Urlaub: Worauf Arbeitgeber jetzt hinweisen sollten

Urlaub: Worauf Arbeitgeber jetzt hinweisen sollten

Bis wann müssen die Urlaubstage genommen werden? Gerade zum Jahreswechsel ist dies regelmäßig eine Frage, die in kleinen und großen Unternehmen auftaucht. Vonseiten des EuGH und des BAG gab es dazu in den vergangenen Monaten einige Urteile.

Ein Artikel von Dr. Marc Spielberger, Partner der Kanzlei ALTENBURG Fachanwälte für Arbeitsrecht

In den letzten Jahren hat sich die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zum Urlaubsrecht grundlegend fortentwickelt. Viele Arbeitgeber wissen nicht oder ignorieren, dass noch offene Ansprüche auf Urlaub in der Regel nur untergehen, wenn der Arbeitgeber ausdrücklich auf diese Rechtsfolge hinweist. Nachfolgend wird dargestellt, inwieweit Ausschlussfristen und die Regeln der Verjährung auf aufgelaufene Urlaubsansprüche und Urlaubsabgeltungsansprüche anzuwenden sind.

Einleitung

Der EuGH entschied 2018, dass Urlaubsansprüche im laufenden Arbeitsverhältnis grundsätzlich nur dann zum 31.12. oder 31.03. des Folgejahres untergehen, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über den noch offenen Urlaub umfassend mindestens einmal pro Jahr unterrichtet und ihn darüber informiert, dass sein Urlaub untergeht, falls er nicht innerhalb der gesetzlichen Frist geltend gemacht wird (EuGH vom 06.11.2018 – C-684/16). Diese Rechtsprechung hat das BAG übernommen (BAG vom 19.02.2019 – 9 AZR 432/16).

In einer Reihe von wichtigen Entscheidungen haben sich der EuGH und das BAG mit den Folgefragen befasst: Greifen Ausschlussfristen in Verträgen und/oder Verjährungsvorschriften ein, wenn die erforderliche Information des Arbeitgebers zum Jahresurlaub unterblieben ist? Nach § 7 Abs. 3 S. 1 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) muss der Urlaub im Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung des Urlaubs bis 31.03. des Folgejahres ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe das rechtfertigen, § 7 Abs. 3 S. 3 BUrlG. Nach bisherigem Verständnis verfiel daher noch offener Urlaub grundsätzlich zum 31.12. oder jedenfalls spätestens zum 31.03. des Folgejahres automatisch. Von diesem gesetzlichen Modell ist der EuGH im Jahr 2009 abgewichen und hat entschieden, dass der Urlaubsanspruch nicht zum 31.12. verfällt, wenn dem Arbeitnehmer aufgrund (durchgehender) Erkrankung kein Urlaub mehr im Urlaubsjahr gewährt werden konnte. Diese Rechtsprechung wurde dahingehend fortentwickelt, dass bei fortdauernder krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit der Urlaubsanspruch jedenfalls 15 Monate nach dem 31.12. (also am 31.03. des übernächsten Jahres) verfällt.

Problemstellung

Fraglich war nun, ob bei unterlassenem Hinweis des Arbeitgebers der Urlaub unbegrenzt über Jahre aufläuft?

Entscheidungen des EuGH

Der EuGH konnte am 22.09.2022 gleich in drei Fällen zu den angesprochenen Fragen Stellung nehmen.

Im ersten Fall des EuGH vom 22.09.2022 (C-120/21) machte eine Arbeitnehmerin nach Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses gegenüber ihrem Arbeitgeber Urlaubsabgeltungsansprüche geltend. Der Arbeitgeber war seiner Hinweispflicht nicht nachgekommen und berief sich auf Verjährung. Der EuGH entschied, dass ein bereits erworbener Urlaubsanspruch nicht nach Ablauf von drei Jahren beginnend mit Ablauf des Entstehungsjahres verjährt, wenn der Arbeitgeber seiner jährlichen Hinweispflicht nicht nachkommt. Das heißt, der Urlaubsanspruch läuft unbegrenzt fort, wenn kein jährlicher Hinweis gegeben wird.

In zwei weiteren Fällen des EuGH vom 22.9.2022 (C-518/20 und C-727/2/0) machten die Arbeitnehmer Ansprüche auf bezahlten Urlaub für das Urlaubsjahr geltend, in dessen Verlauf sie teilweise arbeitsunfähig bzw. vollständig erwerbsgemindert wurden. Die Arbeitnehmer beriefen sich jeweils darauf, dass der Urlaubsanspruch nicht verfallen sei, da der Arbeitgeber seiner Hinweispflicht nicht nachgekommen sei. Der EuGH entschied, dass, wenn der Arbeitnehmer im Urlaubsjahr teils auch tatsächlich gearbeitet hat, der Urlaubsanspruch bei unterjähriger Arbeitsunfähigkeit oder voller Erwerbsminderung nicht verfällt, und zwar in dem Fall auch nicht nach 15 Monaten.

Entscheidungen des BAG

Das BAG hat in der Entscheidung vom 20.12.2022 (9 AZR 266/20) klargestellt, dass der Urlaubsanspruch eines Arbeitnehmers erst dann verjähren kann, wenn der Arbeitgeber seiner Hinweispflicht nachgekommen ist. Zuvor läuft die Verjährungsfrist nicht an.

In einer Entscheidung ebenfalls vom 20.12.2022 (9 AZR 245/19) differenzierte das BAG zwischen vollen Jahren der Arbeitsunfähigkeit und Jahren, in denen ein Arbeitnehmer nur teilweise krank war. Bei Arbeitnehmern, die seit Beginn des Urlaubsjahres durchgehend bis zum 31.03. des zweiten auf das Urlaubsjahr folgenden Kalenderjahres arbeitsunfähig bzw. voll erwerbsgemindert sind (15 Monate ab Ende des Urlaubsjahres), verfällt der Urlaubsanspruch; und zwar unabhängig davon, ob der Arbeitgeber seiner Hinweispflicht nachkam. Anders ist dies aber, wenn Arbeitnehmer im Urlaubsjahr teils gearbeitet haben. Hat der Arbeitgeber den jährlichen Hinweis vergessen, verjährt der Urlaubsanspruch nicht.

Offen war, was passiert, wenn der Arbeitnehmer noch in den ersten Tagen des Urlaubsjahrs erkrankt und der Arbeitgeber den Hinweis unterlassen hat. Das BAG entschied am 31.01.2023 (9 AZR 107/20), dass nur solche Urlaubstage nicht verfallen, die bis zum Eintritt der Arbeitsunfähigkeit in natura hätten erfüllt werden können. Die übrigen Urlaubsansprüche entfallen 15 Monate nach dem Ende des Urlaubsjahrs.

Das BAG urteilte am 31.01.2023 auch dazu, bis wann der Arbeitgeber seine Hinweispflichten erfüllen muss. Danach muss der Arbeitgeber einmal jährlich den Arbeitnehmer unverzüglich nach der Entstehung des Urlaubsanspruchs auf die Urlaubsnahme im Kalenderjahr hinweisen. Dies heißt, in der ersten Januarwoche eines jeden Jahres ist der Hinweis an alle Arbeitnehmer zu erteilen.

Glück kann der Arbeitgeber bei unterlassenem Hinweis lediglich dann haben, wenn das Arbeitsverhältnis endet und der Arbeitnehmer zu lange braucht, um Urlaubsabgeltungsansprüche geltend zu machen. Wenn es eine vertragliche Ausschlussfrist (drei Monate) gibt, dann kann diese eingreifen und den Abgeltungsanspruch zunichtemachen oder nach drei Jahren kann der Arbeitgeber sich auf Verjährung berufen (BAG vom 31.01.2023 – 9 AZR 456/20). Der Unterschied liegt darin, dass der Urlaubsanspruch sich mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses in einen Geldanspruch wandelt, für den die Urlaubsregelungen während des Arbeitsverhältnisses nicht gelten.

Fazit: Arbeitnehmer in der ersten Kalenderwoche über noch offenen Urlaub informieren

Der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers verfällt und verjährt grundsätzlich nicht, solange der Arbeitgeber seinen Hinweispflichten nicht nachkommt. Ohne Hinweis kommt es zu einem zeitlich unbegrenzten Anhäufen von nicht genommenen Urlaubsansprüchen. Arbeitgeber sind daher dringend gehalten, ihre Arbeitnehmer über den noch offenen Urlaub jedes Kalenderjahr in der ersten Kalenderwoche zum Beispiel per E-Mail zu informieren und sie darüber aufzuklären, dass ihr Urlaub untergeht, wenn dieser nicht innerhalb der gesetzlichen Fristen geltend gemacht wird. Die Frage der Verjährung stellt sich im laufenden Arbeitsverhältnis dann nicht mehr, sobald der Arbeitgeber seinen Hinweispflichten, gegebenenfalls auch „reparierend“ für die Vergangenheit, nachkommt, weil dann – aber auch nur dann – die Urlaubsansprüche mit Ablauf des Kalenderjahres bzw. mit Ablauf des ersten Quartals des Folgejahres verfallen.

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 12/2023 und in unserem ePaper.

Bild: © powerstock – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Dr. Marc Spielberger