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15. Mai 2024
Turbo oder Bremse: Digitalisierung und Verbraucherschutz

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Turbo oder Bremse: Digitalisierung und Verbraucherschutz

Über Prozesse Vertrauen gewinnen

Wenn es denn also Prozesse sind, die der Qualität und damit der Sicherheit der Verbraucher verbindlich auf die Sprünge helfen, indem sie zum Beispiel die Berater dicht am Kundenbedarf und -interesse entlangführen und den Abzweig in Richtung Beraterinteresse und -selbstverwirklichung blockieren, dann haben wir für die Finanzbranche daraus zweierlei Erkenntnisse abzuleiten, eine gute und eine schlechte.

Für die schlechte sei noch mal Rolf Wiswesser zitiert: „Vertriebe in die Zukunft zu führen [...], Menschen für neue, effektivere Verhaltensweisen zu gewinnen [...,] ist dann besonders herausfordernd, wenn die Verkäufer und Vertriebspartner [...] schon seit vielen Jahren mit für sie bewährten Verhaltensweisen erfolgreich im Markt agieren.“ Genau da liegt eines der großen Probleme der Branche. Das Durchschnittsalter der Vermittlerinnen und Vermittler liegt bei 54 Jahren. Deren Maxime ist oft: Warum für die letzten paar Jahre der Arbeit noch mal alles auf den Kopf stellen?

Doch wie wollen wir ohne Veränderung – also im Sinne dieses Beitrags: ohne Prozesse – mehr verlässliche und gleichbleibende Qualität gewährleisten und mehr Vertrauen gewinnen? Und wie wollen wir ohne mehr Vertrauen und bessere Reputation junge Menschen für die so wichtige Beratertätigkeit begeistern? Und an wen wollen die älteren Beraterinnen und Makler ihre Bestände veräußern, wenn sich niemand dafür interessiert, ihre Aufgabe zu übernehmen?

Wir brauchen also Prozesse und wir brauchen digitale Hilfsmittel, um diese Prozesse effizient, d. h. Arbeit erleichternd und verlässlich einzusetzen, indem wir – im Sinne der Nachvollziehbarkeit für die Verbraucher – reproduzierbare Ergebnisse erzielen.

Hier die gute Erkenntnis: Prozesse müssen beschrieben werden, für Prozesse müssen Regeln formuliert werden. Die gibt es noch nicht. Der Gesetzgeber hat sich bislang – gleichzeitig Fluch und Segen – darauf beschränkt, uns Regeln zu lästiger und überflüssiger Administration und Dokumentation aufzuerlegen, auf Produkte und Kosten zu schauen und uns zu sagen, dass wir uns an den Bedürfnissen der Kunden zu orientieren haben. Wie das geschehen soll, hat er – zum Glück – offengelassen.

Gute Regeln mitgestalten

Wenn Einvernehmen besteht, dass Prozesse gut sind für Verbraucher, dann hat die Branche die Chance, selbst das von der Politik gelassene Vakuum zu füllen und die dafür erforderlichen Regeln so zu formulieren, dass sie auch gut sind für die Berater. Regeln sind Produktivitätsfaktoren. Schlechte Regeln bremsen Produktivität – von denen haben wir genug. Gute Regeln kurbeln Produktivität an – von denen können wir noch mehr brauchen.

Der beste Ort, um gute Regeln zu entwickeln, ist das Deutsche Institut für Normung (DIN). Weil dort Regeln im Konsens von Branchenteilnehmern, Verbraucherschutz, Wissenschaft und Politik entstehen. Sie berücksichtigen mithin die Interessen aller Betroffenen.

In den letzten zehn Jahren sind bei DIN verschiedene gute, grundlegende Prozessnormen entstanden: die DIN 77230 „Basis-Finanzanalyse für Privathaushalte“, das daran angehängte Modul für eine leichtgängige „Abfrage von Nachhaltigkeitspräferenzen“, die DIN 77223 „Risikoprofilierung von Privatanlegern“ und die DIN 77235 „Finanz- und Risikoanalyse für Freiberufler, Gewerbetreibende, Selbstständige und KMUs“.

Für den effizienten Einsatz aller dieser Prozesse gibt es längst etliche digitale Hilfsmittel. Sie zu nutzen, hilft Beratern bei der Steigerung ihrer Produktivität und bei nachweisbarem Verbraucherschutz und damit bei der Stärkung ihrer Glaubwürdigkeit.

Diesen Beitrag lesen Sie auch in AssCompact 05/2024 und in unserem ePaper.

Bild: © MH – stock.adobe.com; Porträtfoto: © DEFINO

 
Ein Artikel von
Dr. Klaus Möller