Ein Beitrag von Dr. Klaus Möller, Vorstand im DEFINO Institut für Finanznorm
Zunächst sei angemerkt: Wir reden im Folgenden von Verbraucherschutz im Sinne von bedingungsloser Kundenorientierung, von der Einlassung von Beraterinnen und Beratern auf den tatsächlichen Bedarf und die Bedürfnisse der Kundinnen und Kunden, die sich ihnen anvertrauen, mithin von der Herstellung der Interessengleichheit von Beratern und Verbrauchern. Das ist die wichtigste Voraussetzung für das, was Grundlage guter und erfolgreicher Beratungsarbeit in der Finanzbranche ist: Vertrauen.
Wir handeln mit Versprechen auf die Zukunft: zukünftige Renditen, Schutz im Falle zukünftiger Schadenereignisse, die Erfüllung von Wünschen und Lebensträumen in der Zukunft. An dem dafür notwendigen Vertrauen hapert es unverändert seit Jahrzehnten. Alle Statistiken über Vertrauenswürdigkeit oder Reputation von Berufsgruppen – egal welcher Provenienz – sehen Versicherungsvermittler auf einem der letzten Plätze.
Daran haben regulatorische Verpflichtungen in den Bereichen Administration und Dokumentation, die mehr vom Kunden ablenken als ihm dienen, und selbst Qualifizierungsoffensiven nicht viel geändert. Und auch Diskussionen über Vergütungsmodelle gehen an dem Ziel, die Branche besser und vertrauenswürdiger zu machen, weit vorbei. Bestens ausgebildete Gauner sind für Kunden noch gefährlicher als unqualifizierte; bei Letzteren entlarvt sich die Gaunerei leichter. Und in der Honorarberatung kommt prozentual Scharlatanerie ebenso häufig vor wie in der provisionsbasierten Beratung und Vermittlung. Sie fällt nur weniger auf, weil Honorarberatung insgesamt noch eher selten ist.
Zu Finanzpiloten werden
Eine wirkliche Gewähr für gutes, möglichst fehlerfreies Arbeiten, für hohe Qualität und Vertrauenswürdigkeit bieten allein gute, digitale Prozesse. Andere Berufsgruppen haben das erkannt und davon in den Reputationsstatistiken profitiert. Das beste und gerne zitierte Beispiel sind die Piloten. Sie mischen in Sachen Vertrauenswürdigkeit und Attraktivität weit oben mit – ihre Tätigkeit besteht vorrangig aus Checklisten und fest definierten Abläufen: Prozesse, Prozesse, Prozesse. Dabei sind sie bestens ausgebildet und könnten sich mit ihrer Qualifikation doch eigentlich auch viel mehr persönlich, subjektiv, situativ, eben individuell einbringen. Tun sie aber nicht ...
Im Geleitwort zu dem empfehlenswerten Buch „Kann Ihr Vertrieb einen Airbus landen?“ liefert Allianz-Vorstand Dr. Rolf Wiswesser den Grund: „75% der Fehler in der Luftfahrt sind ‚man-made‘. Menschen über Prozesse zu führen und – noch wichtiger – Prozesse auf den Menschen auszurichten, ist daher der zentrale Erfolgsfaktor.“ Und: „Eine Vertriebsgesellschaft konnte sich bisher viele Fehler leisten: eine Fluggesellschaft wäre bei gleicher Quote längst vom Markt verschwunden. [...] Wenn es der Luftfahrt gelungen ist, aus Einzelkämpfern in der Pilotenkanzel Teamarbeiter mit einer Fehlerquote im Hunderttausendstelbereich zu machen, dann sollte das jedem Vertriebsmanager eine Betrachtung Wert (sic) sein, [...]“.
Seite 1 Turbo oder Bremse: Digitalisierung und Verbraucherschutz
Seite 2 Über Prozesse Vertrauen gewinnen
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