Entlastungen für Familien
Im April 2022 nahm das Bundesverfassungsgericht die Bundesregierung in die Pflicht, etwas gegen die Benachteiligung von größeren Familien bei der Pflegeversicherung zu tun (AssCompact berichtete). Die Ampel muss dieses Urteil bis zum 31.07.2023 umsetzen und somit den Erziehungsaufwand von Eltern berücksichtigen. Geplant ist in dem Entwurf laut RND eine Erhöhung des Kinderlosenzuschlags von 0,35 Beitragssatzpunkten auf 0,6 Beitragssatzpunkte. Weiterhin sollen Mitglieder mit mehreren Kindern ab dem zweiten Kind bis zum fünften Kind in Höhe von 0,15 Beitragssatzpunkten pro Kind entlastet werden. Ab dem fünften Kind gibt es eine gleichbleibende Entlastung in Höhe eines Abschlags von 0,6 Beitragssatzpunkten.
Bei kinderlosen Beitragszahlern liegt der Beitrag dann schlussendlich bei 4% des Bruttoeinkommens, der sich aus den +0,25% durch den erhöhten Kinderlosenzuschlag und den +0,35% der grundsätzlichen Beitragserhöhung ergibt.
„Dynamisierung der Geld- und Sachleistungen“
Längerfristig plant das Ministerium zum 01.01.2025 und 01.01.2028 eine „automatische Dynamisierung der Geld- und Sachleistungen in Anlehnung an die Preisentwicklung“, heißt es im Entwurf dem RND zufolge. Dafür sollen noch in dieser Legislaturperiode Vorschläge erarbeitet werden.
Steuermilliarden für die Pflege
Bereits im Vorfeld zu dem Gesetzentwurf entsandten die gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen sowie die großen Sozialverbände einen Brandbrief an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Finanzminister Christian Lindner (FDP). Dieser Brandbrief liege nach eigenen Angaben ebenfalls dem RND vor.
Darin fordern sie angesichts der aktuellen finanziellen Lage, die Defizite in der Pflegeversicherung rasch auszugleichen – und zwar durch Steuermittel in Milliardenhöhe. Die Sicherung der Liquidität dürfe nicht ausschließlich zulasten der Beitragszahlenden erfolgen. Für das laufende Jahr erwarten die Verbände ein weiteres Defizit von 3 Mrd. Euro. Hauptsächlich dafür verantwortlich seien die wachsende Zahl an Pflegebedürftigen und die steigenden Ausgaben u. a. durch die gesetzlich vorgeschriebene Bezahlung der Pflegekräfte nach Tarif. Und: Die Mehrkosten durch die Corona-Pandemie in Höhe von 5,5 Mrd. Euro seien vom Bund immer noch nicht erstattet worden.
SPD-Fraktion fordert Steuermilliarden
Rufe nach den Steuermilliarden kommen auch aus der Bundestagsfraktion von Lauterbachs eigener Partei. Laut Fraktionsvize Dagmar Schmidt sei der Entwurf ein „erster, sinnvoller Aufschlag, der jetzt eingehend innerhalb der Bundesregierung und anschließend im Parlament beraten wird“, so die Politikerin beim RND. Das Schreiben der Sozialverbände und Kranken- und Pflegekassen nehme man ihren Angaben zufolge „sehr ernst, wir teilen viele Anliegen und werden sie in unseren Beratungen berücksichtigen“.
Im Koalitionsvertrag, auf den Schmidt dem RND gegenüber verweist, wird zwar eine Steuerfinanzierung der Rentenbeiträge für pflegende Angehörige sowie die pandemiebedingten Zusatzkosten der Pflegeversicherung angekündigt – Finanzminister Lindner lehnt es laut RND aber bisher ab, Haushaltsmittel für die Pflege bereitzustellen. Genau an dieser Stelle könnte es auch bald Streit bei der Ampel geben. Grünen-Fraktionsvorsitzende Maria Klein-Schmeink findet dem RND gegenüber, dass bei Lauterbachs Gesetzentwurf nachgebessert werden müsse. Es wäre „richtig und erforderlich“, der Pflegeversicherung die Ausgaben für versicherungsfremde Leistungen wie pandemiebedingte Kosten zurückzuerstatten – so wie im Koalitionsvertrag vereinbart. Gleichzeitig vermisst Klein-Schmeink die Kompromissbereitschaft bei Christian Lindner: „Wir sehen den Finanzminister in der Pflicht, dieser Vereinbarung mindestens schrittweise gerecht zu werden. Das würde diesen deutlichen Beitragssprung bei der Pflegeversicherung vermeiden.“
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