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23. November 2012
Nordbayerischer Versicherungstag: Leben in einer virtuellen Welt?!

Nordbayerischer Versicherungstag: Leben in einer virtuellen Welt?!

Beim Nordbayerischen Versicherungstag in Nürnberg, der am 22.11.2012 vom Berufsbildungswerk der Versicherungswirtschaft Nordbayern-Thüringen und Forum V ausgerichtet wurde, standen die Chancen und Risiken des World Wide Web (WWW) im Mittelpunkt. Experten aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft diskutierten über neue Herausforderungen, vor denen die Branche in Zeiten von Smartphones und Tablet-PCs steht.

Aber auch aktuelle Themen, wie der EU-Rettungsschirm, turbulente Zeiten im Vertrieb oder Veränderungen in der Rückversicherung wurden angesprochen.

Branche führend beim Datenschutz

Cyberkriminalität ist für Prof. Dr. Michael Amberg von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) ein weltweites Phänomen, bei dem Deutschland führend mitspielt. Nach einer aktuellen Studie von Symantec steht Deutschland im europäischen Vergleich auf Platz eins bzw. zwei, wenn es um den Ursprung der meisten Phishing-Aktivitäten, webbasierte Angriffe sowie Netzwerkattacken geht. Die zunehmende Anzahl von Cyber-Angriffen ist besorgniserregend, erklärte Amberg. Schließlich hängen praktisch alle Lebensbereiche des gesellschaftlichen Handelns, die Arbeitsfähigkeit der Behörden und die Wertschöpfung der Wirtschaft von funktionierenden IT- und Internetstrukturen ab. Andererseits hat die Bundesregierung die strategische Bedeutung erkannt und mit der in 2011 beschlossenen Sicherheitsstrategie für den Cyberraum reagiert. Auch die Versicherungswirtschaft meldet einen Erfolg. „Nach fünf Jahren Entwicklungsarbeit werden branchenweit einheitliche Verhaltensregeln im Umgang mit personenbezogenen Daten eingeführt. Damit nimmt die Versicherungsbranche eine Vorreiterrolle im Datenschutz ein“, sagte Amberg.

Neue Strategien zur Mitarbeitergewinnung

Junge, gut ausgebildete Nachwuchskräfte sind für die Zukunftsfähigkeit eines jeden Unternehmens von zentraler Bedeutung. Doch die Zielgruppe hat andere Mediengewohnheiten als ältere Führungskräfte und erwartet ein modernes, flexibles Arbeitsumfeld, erklärte Prof. Dr. Karl Wilbers von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Ein erster Indikator dafür ist die Präsentation des Unternehmens im Internet sowie in sozialen Netzwerken und in Portalen zur Arbeitgeberbewertung. „Unternehmen müssen hier gezielt eine positive und starke Arbeitgebermarke aufbauen“, so Wilbers. Moderne Techniken bieten bei der Personalgewinnung neue Möglichkeiten, etwa das virale Personalmarketing oder das systematische Sammeln von Informationen bei Bewerbungen, dem sogenannten „background checking“. Neue Techniken, etwa der Smartphone-Boom, führen zu neuen Internetnutzungsgewohnheiten und verändern indirekt das Aufgabenfeld der Personalgewinnung unter Nutzung moderner Internettechniken. Diese neuen Herausforderungen ersetzen die klassischen Aufgaben der Personalgewinnung keineswegs, sondern erhöhen stattdessen die Komplexität moderner Personalarbeit, sagte Wilbers.

Positionierung am Point-of-Sale

Für Prof. Dr. Petra Gruner, Leiterin der Versicherungsstudiengänge an der Hochschule Coburg, gibt es deutliche Anzeichen dafür, dass Mobiles Internet und Social Media die Art und Weise, wie Finanzdienstleistungen zu Kunden gelangen, möglicherweise sogar fundamental verändern werden. Dabei hat Social Media insbesondere Auswirkungen auf die Interaktion mit dem Kunden, die Rolle der persönlichen Betreuung und nicht zuletzt auf die Sollbruchstellen in der Wertschöpfungskette durch neue Wettbewerber. Doch „Kunde ist nicht gleich Kunde“, erklärte Gruner. Während „Digital Deniers“, die in der Regel zu der älteren Generation gehören, den neuen Medien gegenüber eher abgeneigt sind und nach wie vor persönliche Betreuung und Beratung bevorzugen, ist für die „Digital Natives“ die Integration von Social Networks, Mobilem Internet und Smartphones in alle Lebensbereiche eine Selbstverständlichkeit. „Überspitzt könnte man die Frage stellen, ob diese Zielgruppe den Facebook-Freunden nicht mehr vertraut, als dem persönlichen Betreuer“, sagte Gruner und forderte, dass die Branche sich diesen neuen Herausforderungen am Point-of-Sale stellen muss, um sich im wandelnden Wettbewerbsumfeld nachhaltig positionieren zu können.

Turbulente Zeiten im Vertrieb

Der Vertrieb ist das Herz und der Motor eines Unternehmens. „Vielfach warfen Verfehlungen Einzelner in der Vergangenheit ein schlechtes Bild auf das Berufsbild des Versicherungsvermittlers“, erklärte Dr. Josef Beutelmann, Präsidiumsmitglied beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Zahlreiche Gesetzes- und Brancheninitiativen sollen nun die Transparenz und Glaubwürdigkeit dieses Berufsbildes in der Öffentlichkeit erhöhen und manifestieren. Darüber hinaus ist die Branche sehr engagiert, um das Berufsbild des Versicherungsvermittlers auch qualitativ aufzuwerten. Dazu werden neben einer fundierten Ausbildung diverse Weiterbildungsmöglichkeiten angeboten, um den Vermittlern das richtige „Handwerkszeug“ mitzugeben. Als Präsidiumsmitglied des GDV verfolgt Beutelmann mit Hochspannung die Revidierung der EU-Vermittlerrichtlinie (IMD2), die voraussichtlich 2015 in deutsches Recht umgesetzt wird. Die EU-Kommission möchte die Regeln für die Versicherungsvermittlung (IMD2-Richtlinie) neu gestalten. Aus Sicht des GDV ist dabei zwingend notwendig, dass die Offenlegung der Kosten, die durch den Vertrieb und beim Abschluss einer Versicherung entstehen, einen klaren Mehrwert für die Kunden bietet. Für Finanzanlagenvermittler sind die neuen Gesetze und Verordnungen bereits verabschiedet und werden mit Beginn des kommenden Jahres in Kraft treten. Ziel soll es sein, die Transparenz und die Qualität des Vermittlerberufes aufzuwerten. „Als Branche sind wir daran interessiert, den Beruf im Sinne des Kunden zu optimieren, damit der Bedarf für den Kunden verständlich und anschaulich kommuniziert werden kann. Denn als Versicherungsbranche leben wir von dem Vertrauen und der Zufriedenheit unserer Kunden“, so Beutelmann.

Foto: Pressegespräch (v. l. Prof. Dr. Michael Amberg, Walter Bockshecker, Dr. Günther Beckstein, Prof. Dr. Petra Gruner, Prof. Dr. Karl Wilbers)

Bildquelle: BWV Nordbayern-Thüringen e.V.