Ein Artikel von Hans-Ludger Sandkühler
Kürzlich hat ein Versicherer seine Absicht verkündet, das Kfz-Neugeschäft über Maklerpools einzustellen und auch in anderen Privatsparten Einschränkungen vorzunehmen. Einige Tage später machte eine andere Meldung etwas voreilig die Runde, nach der auch ein weiterer Versicherer das Geschäft über Maklerpools einschränken werde. Wenig später die Korrektur. Der Versicherer nehme eine bestimmte Police generell aus dem Maklermarkt, also nicht nur im Poolgeschäft. Aber schon wird die Frage diskutiert, ob sich nicht bereits eine Trendwende weg vom Maklerpool abzeichnet. Kurz: Quo vaditis, Maklerpools?
Versicherer zu gierig oder Pool zu teuer?
Ob das tatsächlich so ist, lässt sich anhand der dünnen Fakten kaum seriös abschätzen. Der Versicherer erklärt seine Entscheidung, das Kfz-Neugeschäft über Maklerpools einzustellen, und die weiteren Einschränkungen vor allem mit den enormen Verlusten in den betroffenen Segmenten und erwartet in der Folge offenbar deutliche Kosteneinsparungen. Dass der Geschäftsverkehr über Maklerpools mit höheren Kosten verbunden ist, dürfte kein Geheimnis sein. Ob aber „der Hebel für Kosteneinsparungen angesichts der jetzt ergriffenen Maßnahmen relativ groß sein dürfte“, ist ohne belastbare Zahlen nur eine Vermutung ins Blaue hinein. Aber sie berührt natürlich – insbesondere im Zusammenhang mit der gewachsenen Bedeutung der Pools – die Frage, ob der Vertrieb über Pools nicht generell zu teuer ist und deshalb perspektivisch weiter eingeschränkt werden muss.
Solche Überlegungen lenken aber von der Tatsache ab, dass massive Verluste in einzelnen Sparten meist hausgemacht sind. Es ist ja nicht das erste Mal, dass ein Versicherer – und im Kraftfahrtsegment ist es nicht nur ein Versicherer – seine Hausaufgaben nicht gemacht hat. Die Erfahrung zeigt: Wer mit untertarifierten Produkten an den Markt geht, löst zwei Wellen aus. Erst kommt die Neugeschäftswelle – hurra – und mit etwas zeitlichem Versatz die dadurch ausgelöste Schadenwelle – huch, Überraschung.
An den Aktuaren wird es kaum liegen. Ihre Berechnungen und Bedenken werden häufig genug in den Wind geschlagen. Vertrieb ist das Maß aller Dinge. Hautsache Neugeschäft, Qualität ist nachrangig. Beispiele gibt es immer wieder, auch im Industriegeschäft, im Berufsunfähigkeitsbereich oder in der privaten Krankenversicherung. Unvergessen der neue BU-Tarif eines nicht unbedeutenden BU-Anbieters, der bei einer Laufzeit von 25 Jahren und einem Monatsbeitrag von netto 80 Euro (oder noch Mark) sage und schreibe eine Abschlussprovision in Höhe von 4.000 Euro (oder noch Mark) auslöste. Kein Wunder, dass der Versicherer mit Neugeschäft zugeschmissen wurde. Erst ein neuer Vertriebsvorstand mit reichlich Branchenerfahrung kassierte ein halbes Jahr später das untertarifierte Produkt wieder ein. Oder die schräge Idee, den Vertrieb von Krankenversicherungen mit einem intern einkalkulierten generellen Risikozuschlag und einer damit einhergehenden erleichterten Gesundheitsprüfung anzukurbeln, und das mit dem „überraschenden Ergebnis“ einer negativen Risikoselektion. Das waren natürlich besondere Auswüchse, aber doch wichtige Indikatoren, wie die Branche oder besser Teile der Branche ticken. Nicht umsonst ist – von bemerkenswerten und beeindruckenden Ausnahmen im Ruhrgebiet und im Ländle abgesehen – die durchschnittliche Verweildauer von Vertriebsvorständen auffallend kurz.
Dass im Kraftfahrtbereich die Verluste vieler Versicherer auch durch andere, vielleicht nicht vorhersehbare Effekte mitverursacht sind: geschenkt. Im Kern liegt das Problem aber im Feld des Versicherers. Die mit dem Vertrieb über Maklerpools natürlich höheren Kosten waren ja schließlich bekannt, bevor der Vertrieb losging.
Gründe für die Zusammenarbeit mit Pools
Die wichtigste Funktion der Pools ist die Bereitstellung eines breiten Marktzugangs insbesondere für kleinere und umsatzschwache Versicherungsmakler. Eine breite Direktbetreuung von Maklern, die nur wenig Geschäft bringen, ist für Versicherer personalintensiv und teuer. Deshalb machen zahlreiche Versicherer die „Reversierung“ von Versicherungsmaklern von vorgegebenen Umsatzerwartungen abhängig oder bieten umsatzschwachen Maklern wenig bis keinen Service. Gleichzeitig sind Versicherungsmakler nach dem Gesetz verpflichtet, ihrem Vermittlungsrat eine hinreichende Zahl von auf dem Markt angebotenen Versicherungsverträgen und von Versicherern zugrunde zu legen (§ 60 Versicherungsvertragsgesetz). Diese Ausgangslage hat das Entstehen von Pools geradezu herausgefordert. Pools agieren formal als Makler mit breitem Marktzugang, beschränken aber ihre Vermittlungstätigkeit im Wesentlichen darauf, den Marktzugang für andere, vor allem kleine und umsatzschwache Makler bereitzustellen. Dabei übernehmen sie je nach Pool mehr oder weniger den Service, den Versicherer bei einer Direktanbindung erbringen müssten, um nachhaltige Umsätze zu erzielen. Pools verstehen sich als eine Art Großhändler, die neben dem Marktzugang auch verschiedene Services und insbesondere technische Vertriebsunterstützung (Vergleichsprogramme, Verwaltungsprogramme und sonstige Tools) anbieten. Versicherer erhalten von den Pools schrankfertiges und gebündeltes Geschäft in großer Zahl, müssen im Gegenzug aber nicht unerhebliche Courtagen an die Pools zahlen, die ja für Pool und angeschlossene Makler auskömmlich sein müssen. Ob dies unter dem Strich für Versicherer kostengünstiger ist als eine Direktbetreuung, ist eine andere Frage.
Marktübersicht und Produktauswahl
Pools stellen zwar Marktzugang und Vergleichsprogramme zur Verfügung, helfen aber dem Makler bei der eigentlichen Marktuntersuchung nicht. Makler müssen deshalb prüfen, ob die Zahl der vom Pool angebotenen Versicherer überhaupt hinreichend ist. Außerdem müssen sie nach ihren eigenen fachlichen Kriterien eine Versicherung aussuchen, die geeignet ist, die Kundeninteressen zu befriedigen. Dabei entstehen für Makler möglicherweise Probleme, wenn etwa das zur Verfügung gestellte Vergleichsprogramm Deckungskonzepte des Pools favorisiert und Marktteile ausblendet. Es gibt Pools, an denen Makler beteiligt sind (gesellschaftsrechtliche Zusammenschlüsse von Maklern, Genossenschaft, Aktiengesellschaft) oder Pools, an denen Versicherer beteiligt sind, sowie inhabergeführte Pools ohne Maklerbeteiligung. Naturgemäß ist die Gefahr von Interessenkonflikten bei Pools ohne Maklerbeteiligung größer als bei Pools, bei denen die Makler selbst die Geschäftspolitik bestimmen. Andersherum können Pools ohne Maklerbeteiligung aufgrund der kurzen Entscheidungswege effizienter wirken und sich so Wettbewerbsvorteile verschaffen.
Alternative Direktanbindung
Die gegenwärtige Situation bietet Maklern und Versicherern indes eine gute Gelegenheit, noch einmal über das Thema Direktanbindung nachzudenken. Diese bietet – entsprechende Bereitschaft des Versicherers vorausgesetzt – im Vergleich mit dem scheinbar einfacher wirkenden Geschäft über Pools durchaus attraktive Alternativen: unmittelbarer Kontakt mit Entscheidern, originäre Courtageansprüche, sachkundige Unterstützung durch servicebereite Mitarbeiter, keine faktische Abhängigkeit von pooleigenen Verwaltungssystemen und Geschäftsprozessen. Bemerkenswertes Zitat des Vorstandsvorsitzenden eines Maklerversicherers: „Die direkte Anbindung ermöglicht eine engere und individuellere Zusammenarbeit zwischen Makler und Versicherer.“ Am Ende muss jeder Makler selbst entscheiden, ob und wie er mit Pools umgeht. Wickelt er sein komplettes Geschäft über Pools ab, ist dies einfach und bequem, aber die Frage sei erlaubt: Ist der dann noch Makler? Um auf die Ausgangsfrage zurückzukommen. Eigentlich müsste es heißen: Quo vaditis, Makler?
Über Hans-Ludger Sandkühler
Hans-Ludger Sandkühler ist Vertriebs- und Versicherungsjurist und verfügt über praktische Erfahrungen aus seinen langjährigen Tätigkeiten als Versicherungsmakler und Rechtsanwalt. Er ist ausgewiesener Experte in Maklerfragen, gefragter Referent und Autor zahlreicher Veröffentlichungen.
Diesen Beitrag lesen Sie auch in AssCompact 09/2024 und in unserem ePaper.
Bild: © IBEX.Media – stock.adobe.com
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Leserkommentare
Comments
Zusammenarbeit mit Pools
Es wäre mal interessant zu wissen, ob es zu dieser Thematik (Wirtschaftlichkeit der Zusammenarbeit mit Pools) wissenschaftliche Untersuchungen gibt, Wenn nicht, dann sollte sich die Versicherungswissenschaft schnellstens damit beschäftigen.
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