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5. August 2024
Makler im Wohnmobil – glücklich auf Reisen

Makler im Wohnmobil – glücklich auf Reisen

Ein Versicherungsmakler in festem Arbeitsverhältnis fühlt sich von seiner bisherigen Lebensweise nicht mehr erfüllt und gibt alles auf – bis auf seinen Beruf. Er gründet sein eigenes Unternehmen und macht sich gemeinsam mit seiner Familie auf ins Unbekannte. Nun reist er als Makler im Wohnmobil durch Europa – und ist glücklich.

Interview mit Christof Moissl, selbstständiger Versicherungsmakler (moissl.info)
Herr Moissl, Sie sind Versicherungsmakler und haben sich aber entschieden, diesen Beruf, auf eine eher außergewöhnliche Weise zu leben. Was unterscheidet Ihr (Arbeits-)Leben von dem des „klassischen“ Maklers? Und woher kam diese Idee?

Wir leben als digitale Nomaden und bereisen die schönsten Orte Europas mit Wohnmobil und Wohnwagen. Deswegen arbeiten wir papierlos mithilfe modernster Technik. Parallel haben wir uns als Online-Versicherungsmakler positioniert. Da hier die meiste Kommunikation per Telefon stattfindet, passt dies perfekt in unser Konzept.

Entwickelt hat sich unsere Idee in der Corona-Zeit. Erstmalig war die ortsunabhängige Beratung per Video und Telefon zum Standard geworden. Dazu entwickelte sich die mobile Technik so weit, dass diese Art der Beratung mit hoher Qualität umgesetzt werden konnte. Ich war persönlich schon davor in einer „Mid Work Crisis“ angelangt. Meine langjährige Tätigkeit als angestellter Makler erfüllte mich nicht mehr. So stellte sich uns die Frage: Soll es das gewesen sein? Nach einer Workation in Spanien folgten wir unserem Impuls: Ich kündigte meine sichere Festanstellung und wir gründeten bereits vier Wochen nach Rückkehr unseren eigenen, selbstbestimmten Versicherungsmaklerbetrieb.

Haben Sie dann also keinen festen Unternehmenssitz bzw. keine feste Postadresse, an die sich Kunden wenden können?

Beides ist nach wie vor in Deutschland. Nur mit dem Unterschied, dass wir unsere Print-Post eingescannt bekommen. Die meiste Kommunikation mit Versicherern und Kunden ist ohnehin auf digital umgestellt.

Dann lassen Sie uns ein wenig teilhaben: Wo sind Sie denn schon überall gewesen?

Oft sind es gar nicht die bekannten, großen Namen, sondern unbekanntere Flecken, an denen wir spontan tolle Menschen treffen oder besondere Naturerlebnisse haben. Das macht den Reiz aus. Bekannte Highlights waren aber z. B. Madrid, Granada, Barcelona, die Pyrenäen, Paris, Le Mont-Saint-­Michel, Amsterdam, Venedig, der Hintertuxer Gletscher, Wien, St. Peter Ording und Dortmund zur DKM. Barcelona war und ist für uns ein magischer Ort: Auf den ersten Reisen konnten wir hier direkt am Meer campen und es kam zum ersten Mal das neue Lebensgefühl auf: Arbeiten an besonderen Orten ist möglich! Zudem entspannt und sehr effizient. Das hat uns Mut und auch eine gewisse Abenteuerlust verschafft.

Da Sie auf digitale Beratung setzen: Funktionierte denn auch an allen Orten, an denen Sie waren, das Internet wie gewünscht?

Mittels LTE klares Ja. Außer in Deutschland – hier ist die Netzabdeckung zu lückenhaft. Das Problem konnten wir im Frühjahr durch die zusätzliche Nutzung von Satelliteninternet beheben. Das liefert meist bessere Werte als mit ortsgebundenem Glasfasernetz.

Makler im Wohnmobil – glücklich auf ReisenGrafik: Wenn Versicherungsmakler Christof Moissl durch Europa reist, ist sein mobiles Büro überall mit dabei.
Und welche Vorteile sehen Sie in der Online-Beratung?

Ich als Versicherungsmakler kann so meine wertvolle Zeit optimal in Beratung und Konzepterstellung investieren. Fällt ein Termin aus, kann ich mich nahtlos der nächsten Auf­gabe widmen. Digital und online affine Menschen schätzen ebenfalls einen konstanten, direkten Ansprechpartner und eine schnelle Reaktionszeit – beides bieten wir durch die Online-Beratung, die per Telefon und Videocall erfolgt – digital und dennoch live und persönlich, nur eben nicht vor Ort. Diese Arbeits­weise ist maximal ökologisch für beide Seiten: Fahrtzeiten erübrigen sich, selbst den Strom für unser mobiles Büro produzieren wir zum Großteil über unsere Fahrzeug-­Solaranlage.

Was mussten Sie denn durch die Veränderungen in Ihrem Leben evtl. aufgeben und was haben Sie nun dazugewonnen?

Wir durften uns von lieb gewonnenen Statussymbolen wie einem schnittigen Firmenwagen und einem großen Haus verabschieden. All das kann man auf Reisen (und ins Grab) nicht mitnehmen. Das war tatsächlich einer der schwierigsten Prozesse. Inzwischen leben wir sehr essenzialistisch: Je weniger materielle Gegenstände wir besitzen, desto leichter lässt sich der Alltag meistern.

Den damit gewonnenen Freiraum nutzen wir, um unsere Komfortzonen immer öfter zu verlassen und unser individuelles Potenzial zu entdecken und zu entfalten. Ergebnisoffen.

Und wenn mal etwas nicht so läuft, wie Sie es sich vorgestellt hatten, wie gehen Sie damit um? Haben Sie auch hier ein Beispiel?

Also, bei uns läuft immer alles perfekt … Nein, sicher nicht. Es gibt fast jeden Tag ungeplante kleine und große Herausforderungen. Mit der Zeit kommt auch hier Routine auf und die Situationen lassen sich dann einfacher händeln. Reden hilft auch – mit meiner Frau Bianca und unserem Sohn. Wir sind charakterlich recht unterschiedlich, das bringt uns jedoch oft auf neue Lösungsansätze, die wir dann einfach ausprobieren.

Einmal z. B. landeten wir im Winter mit defekten Bremsen am Arlbergpass. Da kam ordentlich Spannung und Hektik auf. Während der Reparatur arbeiteten wir kurzerhand in einem Café ums Eck – gut, dass unser Büro in einen Rucksack passt!

Sie sind mit der ganzen Familie unterwegs. Wie funktioniert das Zusammenleben im Wohnmobil?

Basis hierzu ist definitiv eine hohe Beziehungsqualität. Ohne diesen Faktor kann ich mir ein solches Leben nicht vorstellen. Sonst endet die Reise vermutlich schnell und sehr unangenehm. Durch den fehlenden Platz kann man sich ja nicht einfach bequem aus dem Weg gehen. Dadurch sprechen wir Konflikte und Unstimmigkeiten aktiv an, um sie schnell zu bereinigen.

Das Arbeiten gestaltet sich ähnlich wie in einem Großraumbüro: Jeder hat seinen Arbeitsplatz, Laptop und Telefon. Ich fange in der Früh meist als Erster an, um in Ruhe den Tag organisieren zu können. Danach besprechen wir den Tagesplan und jeder widmet sich seinen Aufgaben.

Für uns drei funktioniert es besser als in einem Haus oder einer Wohnung. Ablesen kann ich das an unserer „Familien-Streitquote“, diese steigt immer massiv an, wenn wir nicht reisen. Sobald wir aber on Tour sind, fällt sie und verharrt stabil auf niedrigem Niveau.

Würden Sie sich wünschen, dass mehr Vermittler einen ähnlichen Schritt wagen wie Sie bzw. gibt es hier bereits eine Community?

Unser Weg ist, glaube ich, nichts für die breite Masse, aber viele könnten sich blockweise aus dem Büroalltag rausnehmen und Energie und Ideen tanken durch den Besuch neuer Orte. Ich wünsche mir grundsätzlich mehr Mut und Kreativität in der Branche. Gleichschaltung in der Arbeitsweise kann nicht der Weg sein, um frisches Blut in die Versicherungsbranche zu locken.

Auf der letzten Messe haben wir zwei Versicherungsmaklerinnen getroffen, mit denen wir uns immer wieder austauschen. Eine Community für reisende Versicherungsmakler kennen wir bisher noch nicht. Wir freuen uns daher sehr, wenn sich Menschen mit ähnlichen Lebens- und Arbeitsmodellen bei uns melden.

Was würde es in der und für die Branche verändern, wenn mehr auf solch ein New-Work-Modell setzen würden?

Um die Attraktivität der Betriebe als Arbeitgeber zu steigern, ist das New-Work-Modell ein interessantes Feld für die gesamte Branche. Hier lassen sich zudem jede Menge großartige Image- und Werbestorys erstellen. So könnten wir wieder mehr junge Menschen auf eine völlig neue Art für unseren Beruf begeistern: „Arbeite, von wo aus du willst, mit wem du willst und wann du willst.“ – Das ist doch genial!

Wir wollen unseren Beitrag leisten, um diese Arbeitsweise als Versicherungsmakler bekannter zu machen. Ideal wären hier eine entsprechende Unterstützung und Zusammenarbeit mit den Gesellschaften.

Ein kleiner Ausblick: Wie sind denn Ihre Pläne? Von wo werden Sie demnächst noch arbeiten?

Herbst und Winter wollen wir in Spanien und Portugal verbringen. Auf unserer Liste in Europa stehen dann noch England, Irland und die skandinavischen Länder. Besuche bei Auswander-Freunden in Paraguay und in Kanada sind danach erste Überseeziele. Meine Frau sagt immer: „Man braucht einen Plan, um davon abweichen zu können, ansonsten herrscht Chaos.“ Also fragt uns gerne noch mal in einem Jahr, wo wir dann tatsächlich waren …

Diesen Beitrag lesen Sie auch in AssCompact 08/2024 und in unserem ePaper.

Sechs Tipps von Christof Moissl : Wäre das auch etwas für mich als Makler?

Praxistipp

1. In kleinen Schritten anfangen und sich herantasten, z. B. mal einen halben Tag in ein ruhiges Café mit Laptop und Kopfhörern in die Nähe einer funktionierenden Steckdose setzen und erste, einfache Arbeitsschritte erledigen. Wie fühlt sich das an?

2. Für mobiles Arbeiten: hohes Datenvolumen (mindestens 30 GB) und ein für dich passendes, cloudbasiertes Maklerverwaltungsprogramm nutzen.

3. Laptop mit Touchscreen für die digitalen Unterschriften, zweiter mobiler Bildschirm für den Laptop, klappbare Tastatur

4. Sich in Ruhe die Frage stellen: Wie würde die für mich ideale Arbeitswoche aussehen? Wie viele Stunden, welche Arbeitszeiten, an welchen Orten? Sich ein erstes motivierendes Visionsbild entwickeln.

5. Als Angestellter aktiv auf den Chef zugehen und nachfragen, welche Möglichkeiten die Firma sich vorstellen kann, um auch mal tageweise von unterwegs aus arbeiten zu können.

6. Als Vorbereitung papierlose Workflows schaffen – sie sind die Voraussetzung für ortsunabhängiges Arbeiten. Auch private Themen müssen ab einem gewissen Punkt komplett digitalisiert und organisiert sein.

Bilder: © Christof Moissl bzw. © Rawf8 – stock.adobe.com

 

 

 
Ein Interview mit
Christof Moissl