Viele Unternehmen müssen einen Teil ihrer Gewinne an die Konzernmutter abführen. Häufig wird den Unternehmen zum Vorwurf gemacht, dass sie damit Steuerschlupflöcher ausnutzen möchten, doch auch in anderen Zusammenhängen sorgt diese Praxis für Kritik. Über einen derartigen Fall eines Lebensversicherers musste vor kurzem das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart befinden.
Versicherungsnehmer fordert mehr Geld
Im konkreten Fall ging es um einen Versicherungsnehmer, der seinen Lebensversicherungsvertrag beendet hatte und den ausgezahlten Betrag als zu niedrig erachtete. Er ging davon aus, dass die Berechnung der Bewertungsreserven für den Lebensversicherungsvertrag fehlerhaft sei und ihm ein höherer Betrag zustehe. Aus diesem Grund klagte er gegen den Lebensversicherer.
Begrenzung der Gewinnausschüttung
Zuerst war das Gericht davon ausgegangen, dass Versicherungsnehmer stets zur Hälfte an den Bewertungsreserven beteiligt werden müssen. Überschussbeteiligungen von ausscheidenden Versicherungsnehmern und Ausschüttungen an Aktionäre sollten so begrenzt bleiben und die Lebensversicherer weiterhin in der Lage sein, ihre garantierten Leistungen zu erfüllen. Beteiligungen an ausscheidende Versicherte und Bilanzgewinne an Aktionäre dürften auch nur dann ausgeschüttet werden, wenn der Sicherungsbedarf der Lebensversicherung überschritten ist.
Gewinnabführung ist anders zu bewerten
Die Begrenzung der Ausschüttung an Aktionäre trifft jedoch, laut OLG Stuttgart, nicht auf den Fall einer Gewinnabführung an eine Konzernmutter zu. Bei einer Gewinnabführung handele es sich um einen grundsätzlich anderen Vorgang als bei einer Gewinnausschüttung. Während das ausgeschüttete Kapital dem Unternehmen entzogen wird, verbleibt der abgeführte Gewinn potenziell verfügbar. Schließlich müsse die Konzernmutter unter Umständen auch eines Tages Verluste ausgleichen, wodurch Teile des Kapitals wieder ins Unternehmen fließen würden.
Keine Hinweise auf fehlerhafte Berechnung
Der Lebensversicherer darf folglich – seit Inkrafttreten des Lebensversicherungsreformgesetzes (LVRG) 2014 – bei der Ermittlung seiner Bewertungsreserven Gewinnabführungen an die Konzernmutter einberechnen. Auf Basis dieser Entscheidung hat das OLG Stuttgart ein versicherungsmathematisches Sachverständigengutachten eingeholt, welches zu dem Ergebnis kam, dass es keine Hinweise auf eine fehlerhafte Berechnung des Sicherungsbedarfs gibt. Die Klage wurde dementsprechend abgewiesen. Eine Revision vor dem Bundesgerichtshof wurde jedoch zugelassen. (tku)
OLG Stuttgart, Urteil vom 14.11.2019, Az.: 7 U 12/18
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