Zum zigsten Mal wurde eine Mietsenkung unter Bezugnahme auf die Mietpreisbremse in Berlin durchgesetzt. Na und? Manchmal haben Urteilssprüche nur wenig Relevanz und dennoch werfen sie für eine ganze – wenngleich auch zugegeben junge – Branche Fragen auf. So geschehen in einem Fall vor dem Landgericht (LG) Berlin, der demnächst voraussichtlich auch vor dem Bundesgerichtshof (BGH) zu klären sein wird.
Mieter setzt Ansprüche mit LegalTech durch
Der Fall an sich war unspektakulär. Ein Vermieter hatte mithilfe einer LegalTech-Plattform seine Mietzahlungen teilweise zurückgefordert, da sie gegen die sogenannte Mietpreisbremse in Berlin verstieß. Vor dem Amtsgericht Charlottenburg war dem Mann noch kein Erfolg beschieden. Vor dem Landgericht Berlin konnte er seine Ansprüche dann jedoch durchsetzen.
Inkassodienstleister mit weiteren Tätigkeiten betraut
Spannend wird es jedoch bei den Details. Der Mann hatte das LegalTech-Unternehmen einerseits damit beauftragt, seine unter Vorbehalt gezahlte überhöhte Miete zurückzufordern, was als Inkassodienstleistung des Unternehmens unproblematisch und rechtmäßig ist. Andererseits hatte er das Unternehmen jedoch auch beauftragt die Mietpreisbremse bei seiner Vermieterin durchzusetzen und die im Mietvertrag vereinbarte Miete auf das höchstzulässige Maß zu reduzieren. Was das Unternehmen auch anstrebte.
Inkassounternehmen darf keine anderen Rechtsdienstleistungen anbieten
Doch das wohl zu Unrecht – zumindest vorerst. Als Inkassounternehmen darf das LegalTech nämlich nur solche Rechtsdienstleistungen übernehmen, zu denen ein Inkassodienstleister berechtigt ist. Dies ist im Rechtsdienstleistungsgesetz geregelt. Die Befugnisse, die der Kunde jedoch an das LegalTech abzutreten versuchte, gehen gemäß LG Berlin weit darüber hinaus.
Kein Geld für das LegalTech
Was bedeutet das nun? Zum einen heißt das, dass im konkreten Fall von dem LegalTech keine Rechtsverfolgungskosten in Rechnung gestellt werden können. Das Unternehmen hatte nämlich keine eigenständige Inkassodienstleistung erbracht und hat dementsprechend seine Befugnisse überschritten. Zum anderen ist das Urteil mit einem Handlungsauftrag an den Gesetzgeber versehen.
Laut BGH müsse Inkassotätigkeit weit ausgelegt werden
Denn der BGH hatte zwar bereits früher geurteilt, dass Inkassotätigkeiten im Rahmen des Rechtsdienstleistungsgesetzes weit auszulegen seien, da ansonsten neuen Unternehmenskonzepten von vornherein der Weg verbaut sei (AssCompact berichtet). Aber mit dem Versprechen die Rechte des Kunden durchzusetzen und eine Mietsenkung zu beauftragen, übertrat das LegalTech, laut Ansicht des LG Berlin, ganz eindeutig seine Befugnisse.
Handlungsbedarf für den Gesetzgeber
Nun ist dieser Fall jedoch bei weitem nicht der einzige, bei dem LegalTechs ihr Dienstleistungsportfolio weiter fassen. Deshalb sieht das Gericht hier auch Handlungsbedarf durch den Gesetzgeber. Dieser müsse konkretisieren, welche Inkassodienstleistungen im Rahmen des Rechtsdienstleistungsgesetzes noch zulässig sind und welche weitergehenden Tätigkeiten unter Umständen auch von neuartigen Rechtsdienstleistern erbracht werden dürfen.
Revision an den BGH zulässig
Unklar ist momentan jedoch, ob der BGH dem LG Berlin in seiner Urteilsbegründung folgen sollte, sofern er von der Vermieterin angerufen wird. Die Revision steht ihr nämlich offen, nachdem das Urteil des LG von der Rechtsprechung des BGH abgewichen war. (tku)
LG Berlin, Urteil vom 29.04.2020, Az.: 64 S 95/19
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