Die Wechselsaison befindet sich in der finalen Phase und nur noch wenige Tage bleiben den Kfz-Versicherern im harten Wettstreit um die Gunst der Kunden. Zumindest auf der Schadenseite können die Kfz-Anbieter bislang eine positive Bilanz des Jahres 2020 ziehen: Aufgrund des geringeren Mobilitätsverhaltens im Zuge der Covid-19-Pandemie rechnen Marktexperten mit einem Rückgang der Kfz-Schäden in Höhe von rund 4 Prozentpunkten. Dies geht aus einer Erhebung hervor, die die Unternehmensberatung Simon-Kucher & Partners unter führenden Versicherungsmanagern durchgeführt hat. Doch diese eingesparten Kosten geben die Kfz-Versicherer im Schnitt nur zu einem Viertel an die Kunden weiter. Den befragten Versicherungsmanagern zufolge sollen sich die Preise nur geringfügig um 0,8 Prozent verringern. Doch wie sind vor diesem Hintergrund die Aussichten auf das diesjährige Wechselgeschäft?
Corona sorgt für höhere Wechselbereitschaft bei Kfz-Versicherten
Infolge der Corona-Krise müssen viele Kunden den Gürtel enger schnallen und werden wohl auch nach Einsparmöglichkeiten bei den Versicherungsbeiträgen suchen. „Ohne Preisanpassung dürfte dieser Kostendruck zu einer erhöhten Wechsel- und Vergleichsbereitschaft führen,“ erklärt Frank Gehrig, Partner sowie Insurance, Sales & Pricing Specialist bei Simon-Kucher & Partners. Dies unterstreichen die Ergebnisse der Studie: So bescheinigen die befragten Versicherungsmanager einem Drittel der Kfz-Wechselkunden eine höhere Wechselbereitschaft.
Online-Makler und Vergleichsportale profitieren
Weniger etablierten Versicherern schlägt damit die Gunst der Stunde, sich Marktanteile zu erschließen. „Klare Gewinner dieser Entwicklung sind Online-Makler und Vergleichsportale“, sagt Gehrig. Das Nachsehen hätten insbesondere der traditionelle Bank- und Exklusivvertrieb. Für 2021 sei mit tiefgreifenden Folgen für die Kfz-Sparte zu rechnen. Die Verschiebung der Marktanteile könnte einen sogenannten Race-to-the-Bottom-Effekt auslösen: Die Versicherer schrauben die Preise im Wettlauf mit Konkurrenz nach unten, um mit Preissenkungen in der nächsten Wechselsaison wieder Boden gut zu machen.
Kundenansprache statt Preiskampf
Viel Spielraum haben die Versicherer allerdings nicht, so die Auffassung von Stefanie zur Horst, Senior Director und Insurance & Pricing Specialist bei Simon-Kucher & Partners. Einer Studie der V.E.R.S Leipzig GmbH zufolge steckt fast jeder zweite Kfz-Versicherer in den roten Zahlen mit einer Combined Ratio von über 100. Da bringen die derzeit stärker sinkenden Schadenkosten nur eine kurzzeitige Erholung, zumal die Branche für 2021 wieder mit einem Anstieg rechnet. „Die Corona-Pandemie verschafft den Kfz-Versicherern nur eine kurze Atempause. Statt an der Preisschraube zu drehen, sollten Kfz-Versicherer daher bereits jetzt auf eine richtige Kundenansprache setzen“, betont zur Horst. Für die Branche gelte es, sich digital breiter und besser aufzustellen und an bedarfsgerechten Preis- und Produktlösungen zu feilen.
Intelligentere Preisgestaltung als Schlüssel zum Kunden
Um Bestandskunden zu halten und neue Kunden zu gewinnen, ist ein intelligenteres Pricing von entscheidender Bedeutung. Dazu zählen die Verwendung von Behavioral Pricing sowie die verstärkte Nutzung und Analyse relevanter Daten wie Kosten- und Margenentwicklungen, Finanz- und Transaktionsdaten sowie kundenzentrierte Daten und Wettbewerbsinformationen. Da diese Daten häufig nicht systematisch erfasst und ausgewertet werden, lässt die Branche hier viel Potenzial liegen.
In der Kundenansprache stärker differenzieren
Nach Ansicht von zur Horst sollten Versicherer auf algorithmenbasierte Systeme setzen, die verlässliche Prognosen und Empfehlungen zu Preisänderungen in der Kfz-Landschaft erstellen können. Zudem sollten die Anbieter eine stärkere Segmentdifferenzierung in der Kundenansprache vornehmen, um etwa jüngere Kundengruppen mit einer zielgruppenkonformen Preisgestaltung zu erreichen. (tk)
Bild: © LAYHONG – stock.adobe.com
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