Mit dem Thema „Geopolitische Trends und ihre Auswirkungen auf die Wirtschaft“ hat die DKM ihre Speaker’s Corner mit einem immer aktueller und relevanter werdenden Thema bestückt. Nicht zuletzt rückt die Geopolitik, auch aufgrund jüngster Ereignisse in der Ukraine und im Nahen Osten immer mehr ins Rampenlicht. Als Experten hierzu eingeladen mit einem einstündigen Vortrag hat die DKM den Unternehmensberater und ehemaligen Wirtschafts- und Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg.
Krisen, Krisen, Krisen…
Zu Guttenbergs Einleitung zu seinem Vortrag war im schlechtesten Fall etwas deprimierend, im besten Fall realistisch. Es werde ihm angesichts des Themas schwer fallen, eine fröhliche Stimmung zu vermitteln, denn bei den derzeitigen geopolitischen Entwicklungen husche einem selten ein „Lächeln ins Gesicht“. Kriege, Flüchtlingsströme, die Auswirkungen des Klimawandels, die prominenter werdende Terrorgefahr, besorgniserregende technologische Entwicklungen oder kurz gesagt: „Krisen, Krisen, Krisen“.
Ebenfalls komme zu dieser Gemengelage ein Aspekt hinzu, der gerne etwas heruntergespielt werde, so der ehemalige Politiker, nämlich die Dialog- und Kommunikationskultur, die sich in unserer Gesellschaft etabliert habe: Manchmal lasse diese einem „den Atem stocken“. Der Wille, bspw. über soziale Medien möglichst schnell eine Nachricht nach außen zu setzen, und darüber Klickzahlen zu generieren und einen Algorithmus zu bedienen – auch das trage dazu bei, dass sich gewisse Entwicklungen beschleunigen würden. Und der Komplex aus all diesen Begebenheiten sei Symptom und treibende Kraft einer neuen Weltordnung.
Von der Bipolarität zur Multipolarität
In Zeiten von Zu Guttenbergs Jugend herrschte in der Weltordnung eine Bipolarität vor. Zwei Machtfelder, die sich gegenüberstanden und polarisiert hätten. 1989, 1990, 1991, dann sei ein Seufzer der Erleichterung durch die Welt gegangen – die liberale Demokratie habe sich durchgesetzt. Aus dieser Bipolarität habe sich dann eine neue ihrer Art entwickelt, bestehend aus zwei neuen Weltmächten: der Weltmacht USA und dem wachsenden und an globalen Einfluss gewinnenden China. Doch auch dieses Modell sei nicht mehr ganz aktuell.
Jetzt befänden wir uns eher in einer Multipolarität – einer „Weltunordnung“ statt einer Weltordnung. Es bilden sich neue, internationale Zusammenschlüsse wie bspw. die BRICS-Staaten, bestehend aus Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika. Hierbei dürfe man auch nicht vergessen, dass diese Zusammenbildungen extrem stark seien im Hinblick darauf, wie groß der Anteil der Weltbevölkerung ist, der davon abgebildet wird. Auch seien dies Staaten, die sich themengebunden miteinander verbunden hätten, um auch ihre eigenen Interessen, in erster Linie ihr Überlebensinteresse, zu verfolgen.
Ablenkungen im Westen
Was könnte sich aus diesen geopolitischen Trends entwickeln? Es gebe nun Konfliktlagen wie den Ukraine-Krieg und die Eskalation im Nahen Osten, die nicht getrennt voneinander betrachtet werden könnten. Denn diese Konflikte, mit denen der Westen somit beschäftigt sei, lassen bspw. die Versuchung eines dieser Kraftfelder, nämlich Chinas, steigen, in der Angelegenheit Taiwan schneller aktiv zu werden.
Deutschlands Abhängigkeiten
Für Deutschland seien die derzeitigen Geschehnisse keine gute Ausgangslage, was für zu Guttenberg vor allem an den Abhängigkeiten liegt, die die Bundesrepublik in der Vergangenheit gebildet hat. Zum einen sei da die Abhängigkeit bei der Energieversorgung, die mehr oder weniger an einem einzigen Land hänge, nämlich Russland.
Als Zweites nennt zu Guttenberg die Exportabhängigkeiten, die Deutschland derzeit zum Nachteil werden. Denn viele der sehr erfolgreichen deutschen Schlüsselindustrien exportieren nach China. Und zu guter Letzt: die Sicherheitsabhängigkeit von den USA. Denn hier hätten die USA Europa regelmäßig zur Seite gestanden. Deutschland habe es dagegen versäumt, die eigene Rüstung auf ein Level zu heben, mit dem es seine und die europäischen Probleme auch ohne US-amerikanische Unterstützung lösen könne. Sollte hier ein Ernstfall entstehen und man könne nicht mehr mit Unterstützung aus den Staaten rechnen, dann, so Guttenberg: „Gute Nacht“.
Was können wir tun?
Gerade in der zweiten Hälfte des Vortrags war die leitende Frage für zu Guttenberg schließlich: Was kann Deutschland in der aktuellen Situation tun? Um den Spagat zwischen dem eher düsteren geopolitischen Bild und dem Appell, an Lösungen zu arbeiten, zu schaffen, betonte der ehemalige Bundesminister zunächst, dass Deutschland immer noch in vielen Teilen der Welt bewundert werde. Deutschland liefere nach wie vor exzellente Forschungsleistungen, werde weiterhin für sein Sozialsystem und seine Infrastruktur beneidet und sei z. B. auch in seiner Gesundheitsversorgung immer noch sehr viel besser als andere. Doch diese Wettbewerbsfähigkeit müsse weiter erhalten werden.
Punkt 1 sei hierbei die Diversifikation. Es werde laut zu Guttenberg in allen Bereichen darauf ankommen, sich von Abhängigkeiten wie den oben genannten zu lösen, alternative Strategien zu durchleuchten und auch zu beginnen, mit ihnen zu arbeiten. Weiterhin sei es aus Unternehmenssicht wichtig, sich geopolitische Expertise ins Haus zu holen. Dabei reiche es nicht, „abends ntv zu glotzen“, sondern solch eine Expertise müsse an der Spitzenebene im Haus angelegt sein – und auch wahrgenommen werden. (mki)
Bilder: © DKM
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