Differenzierungen und Missverständnisse
Dem OLG Köln ist insoweit zuzustimmen, als das in der Gewerbeordnung und § 59 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) zum Ausdruck kommende Polarisationsprinzip nicht nur einer Vermischung der Vermittlertypen Versicherungsvertreter/Versicherungsmakler entgegensteht, sondern auch der Vermischung zwischen einem Versicherungsvermittler einerseits und einem Versicherungsberater andererseits. Auch wenn sich aus Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 der Richtlinie (EU) 2016/97 ergibt, dass auch die reine Beratung ohne Vermittlung unter den Begriff der Versicherungsvermittlung fällt, bleibt festzuhalten, dass jedenfalls der deutsche Gesetzgeber zwischen dem Versicherungsvermittler und dem Versicherungsberater in §§ 34d Abs. 1 und 2 GewO, 59 Abs. 1 und Abs. 4 VVG unterscheidet. Vor diesem Hintergrund muss sich der Gewerbetreibende in der Tat auch im Außenverhältnis entscheiden, ob er als Versicherungsvermittler oder Versicherungsberater tätig sein will, und seine Tätigkeit entsprechend der so getroffenen Entscheidung bewerben.
Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob ein Versicherungsmakler im Rahmen seiner Tätigkeit auch beratend tätig sein darf bzw. sogar muss und ob er sich als unabhängiger Versicherungsmakler bezeichnen darf.
Hier scheinen das LG Bremen und das OLG Köln die Auffassung zu vertreten, wer auf Courtagebasis vermittle, berate nicht unabhängig. Der Versicherungsmakler sei sogar wirtschaftlich mit der Versicherungswirtschaft „verflochten“, was immer das heißen soll. Dies überzeugt in dieser Allgemeinheit nicht. Zum einen ist zwischen der Ungebundenheit eines Versicherungsmaklers und dessen Unabhängigkeit zu unterscheiden. Es ist außerdem durchaus diskutabel, ob der Nachfrager von Versicherungsschutz mit dem Begriff der Unabhängigkeit tatsächlich die Vorstellung verbindet, dass der Versicherungsmakler keinerlei Vergütung vom Versicherer erhält, zumal sehr viele Versicherungsmakler ihre Kunden darauf hinweisen, dass sie in Form einer Courtage durch den Versicherer vergütet werden, die wirtschaftlich über die Versicherungsprämie vom Versicherungsnehmer zu zahlen ist.
Auf Basis welcher tatsächlichen Feststellungen die Landgerichte in Bremen und Köln zu der Feststellung gelangt sind, dass der Versicherungsnehmer den Begriff der Unabhängigkeit stets mit der Frage der Vergütung verknüpft und nicht etwa mit der Frage des Gebundenseins an einen oder mehrere Versicherer, bleibt unklar. Wahrscheinlicher ist wohl, dass der Nachfrager von Versicherungsschutz die „Unabhängigkeit“ eher mit einer „Ungebundenheit“ verbindet und für ihn entscheidend ist, ob der Versicherungsvermittler aufgrund vertraglicher Bemühenspflichten durch einen Versicherer gesteuert wird. Auch schwingt bei der Verknüpfung der Vergütungsform mit der „Unabhängigkeit“ immer der nicht offen ausgesprochene Vorwurf mit, der Versicherungsmakler werde sich in seiner Vermittlungsentscheidung primär oder gar ausschließlich von seinem Vergütungsinteresse leiten lassen. Belege hierfür fehlen nach wie vor.
Herausforderungen für Versicherungsmakler
Der Erhalt einer Courtage durch den Versicherer, die wirtschaftlich ohnehin vom Versicherungsnehmer zu tragen ist, steht somit der Unabhängigkeit eines Versicherungsmaklers keineswegs entgegen, wenn dieser tatsächlich ungebunden ist. Gleichwohl werden sich Versicherungsmakler darauf einzustellen haben, dass die Geltendmachung wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsansprüche bei Werbung mit dem Begriff „unabhängig“ auch in Zukunft droht. Es wird vor diesem Hintergrund erforderlich sein, zum einen das eigene Geschäftsmodell daraufhin zu überprüfen, ob die ausgeübte Tätigkeit auch den gewerberechtlichen Anforderungen standhält, die an den Versicherungsmakler gestellt werden. Zum anderen sollte überprüft werden, ob das Werben mit der Ungebundenheit möglicherweise streitvermeidender ist als das Werben mit der Unabhängigkeit, zumal auch Mehrfachvertreter zum Teil mit ihrer Unabhängigkeit werben.
Diesen Beitrag lesen Sie auch in AssCompact 10/2024 und in unserem ePaper.
Bild: © Jeanette Dietl – stock.adobe.com
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