3. Zinswende und Inflation
Die Verbraucherpreise sind in Deutschland im März im Vergleich zum Vorjahresmonat um 7,3% gestiegen, so vorläufige Daten des Statistischen Bundesamts. Anders als in den USA, wo die lange Phase niedriger und negativer Zinsen vorübergeht, stehen in Europa einer möglichen Straffung der Geldpolitik zur Bekämpfung der Teuerung pessimistischere Wachstumsprognosen gegenüber. Einigen Unternehmen gelingt es, gestiegene Kosten an Kunden weiterzugeben. Allerdings gilt dies nur für solche mit robuster Preissetzungsmacht. Für alle anderen ist es empfehlenswert, die Kausalität von Lieferketten, Materialengpässen und Inflation sowie die damit verbundenen Auswirkungen auf den Cashflow zu beziffern. Im aktuellen Hilfspaket der Bundesregierung wurden verlängerte Bürgschaften, Kredite sowie mit Garantien unterlegte Kreditlinien der Kreditanstalt für Wiederaufbau beschlossen. Es bleibt abzuwarten, wie viel dies abfedern kann, wenn es zu steigenden Zinsen kommt, die bislang zur Stützung der Unternehmen in der Eurozone niedrig gehalten wurden. Dort, wo Eigenmittel knapp werden, sollten jetzt Lagerbestände und Außenstände genau überprüft werden. Wer Betriebsmittelfinanzierungen über Fremdkapital erwägt, sollte ergänzend die Themen Forderungsmanagement und Factoring in die Liquiditätsplanung einbeziehen. Über Factoring werden mittlerweile Volumina im Gegenwert von über 8% des Bruttoinlandsprodukts Deutschlands realisiert. An einigen Stellen werden jedoch Anpassungsprozesse, die durch die günstigen (notenbankgetriebenen) Verschuldungskonditionen der vergangenen Jahre aufgeschoben wurden, nun durchschlagen.
4. Onshoring und Insourcing
Die Corona-Pandemie legte die Verletzlichkeit international verflochtener Supply-Chain-Strukturen offen. In der Konsequenz rücken zwei strategische Optionen in den Fokus: Erstens „Onshoring“, also die Inlandsverlagerung von (Fertigungs-)Prozessen, die aus Effizienzgründen vormals an internationalen Standorten angesiedelt wurden. Zweitens „Insourcing“, also die Rückeingliederung von fremdvergebenen Leistungen. Beides wird vielerorts – verkürzt – als Trend zum Rückbau bzw. einer Neubewertung der Globalisierung interpretiert. Infolge der kriegerischen Aggressionen Russlands ist in den Chefetagen der Wunsch nach kürzeren Lieferketten und geringeren Abhängigkeiten innerhalb der Wertschöpfungsstufen ausgeprägt. Strategien, die jetzt auf eine bessere Kontrollierbarkeit der Lieferketten und Vermeidung von Störungen abzielen, sind weitsichtig. Allerdings: In den meisten Firmen waren Kostenreduktionen das Hauptmotiv für Auslagerungen. Umstellungen dürften daher kurzfristig zu höheren Lohn- und Produktionskosten führen. Entsteht so Kapitalbedarf, sollten Unternehmer mit den Bank- und Finanzberatern ihre Eigenkapitalquote und den Verschuldungsgrad besprechen. Bei vielen Finanzierungsmodellen, insbesondere dem Bankkredit, spielen die Bonität und die Historie der Jahresabschlüsse für die Ratings weiterhin eine hohe Rolle. Alternative Finanzierer und Factoringdienstleister schauen eher auf die letzten Rechnungen.
5. Kreditausfälle und Folgeinsolvenzen
Wenngleich die Zahl der Unternehmensinsolvenzen 2021 nach Angaben der Auskunftei Creditreform um fast 11% auf 14.300 Fälle abnahm, dürften die negativen Auswirkungen von Corona und des Ukraine-Konflikts erst nachgelagert sichtbar werden. Angesichts steigender Belastungsfaktoren und höherer Ausfallrisiken muss von deutlichen Narben bei nicht mehr marktfähigen Unternehmen ausgegangen werden. Eine besondere Gefahr sehen wir in sogenannten Folge- oder Dominoeffekten. Gemeint sind damit zum Beispiel Familienunternehmen mit erschwertem Zugang zu Finanzierungen, die unter fehlenden Zulieferungen besonders leiden und selbst zu einem Restrukturierungsfall werden. Solange ein Unternehmen nicht zahlungsunfähig ist, bleibt eine Sanierung möglich. Mit einer zugeschnittenen Finanzierungsstrategie sind Grundliquidität und Betriebsfortführung darstellbar. Ist der Insolvenzantrag unabwendbar, kann auch damit ein geregelter Beitrag zum Turnaround eines Unternehmens geleistet werden.
Über die Autoren
Andreas Dehlzeit ist Geschäftsführer Bibby Financial Services mit Sitz in Düsseldorf.
Marko Dupor ist Geschäftsführer Bibby Financial Services mit Sitz in Düsseldorf.
Bild: © Bibby Financial Services GmbH
Seite 1 Ist bei den Betrieben die finanzielle Belastungsgrenze erreicht?
Seite 2 3. Zinswende und Inflation
- Anmelden, um Kommentare verfassen zu können