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2. Mai 2024
Im Gespräch mit der Ombudsfrau für Versicherungen

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Im Gespräch mit der Ombudsfrau für Versicherungen

Zum 01.04.2024 hat Frau Dr. Sibylle Kessal-Wulf die Aufgabe der Ombudsfrau für Versicherungen übernommen. Was hat sie sich vorgenommen? Und welche Auswirkungen hat z. B. die Digitalisierung auf die Beschwerden, die in der Ombudsstelle eingehen? Die neue Ombudsfrau gibt Auskunft.

Die meisten Beschwerden kommen aus der Sparte Leben. Welche konkreten Beschwerden haben Kunden am häufigsten?

Ein Schwerpunkt in der Lebensversicherung liegt bei den Fällen des Widerspruchs zu Vertragserklärungen mit dem Ziel der Rückabwicklung der Verträge nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen. Voraussetzung dafür ist ein Fehler in der Widerspruchsbelehrung oder ein Fehlen von Pflichtinformationen bzw. Unterlagen. Nach der Rechtsprechung führt das dazu, dass die Widerspruchsfrist nicht in Lauf gesetzt wird. Folge ist das sogenannte ewige oder fortdauernde Widerspruchsrecht. Viele Beschwerden erreichen uns zudem zur Höhe der Ablaufleistung oder des Rückkaufswertes nach Kündigung. Insoweit wird oft beanstandet, dass die erreichte Ablaufleistung deutlich hinter früheren Prognosen zurückbleibt. Beim Rückkaufswert wird neben der Entwicklung des Vertragsguthabens mitunter auch der Abzug der Stornogebühr moniert. Nicht wenige Beschwerden betreffen die vom Versicherer in die Verträge einkalkulierten Kosten. Gerade bei zertifizierten Produkten wie der Riester- oder der Basisrente, bei denen der Versicherungsnehmer jährlich in der Wertmitteilung über die Kosten informiert wird, kommt es immer wieder zu Fragen und Irritationen. Anlass für Beschwerden ist oft auch die Beratung bei Vertragsabschluss. Dabei spielen unter anderem die sogenannten Umdeckungsfälle eine Rolle. Kunden beschweren sich darüber, der Vermittler habe zur Kündigung eines bestehenden Vertrages geraten, der Abschluss des neuen Vertrages habe jedoch zu Nachteilen geführt, auf die sie nicht hingewiesen worden seien.

Auch in der Sparte Rechtsschutz gibt es recht häufig Beschwerden. Was ist da der Fokus?

Ein Schwerpunkt in der Rechtsschutzversicherung ist die zeitliche Einordnung des Rechtsschutzfalls. Die praktische Bedeutung dieser Frage ist hoch, weil Rechtsschutzfälle vor dem Beginn des Rechtsschutzes oder nach Beendigung des Rechtsschutzvertragsverhältnisses nicht versichert sind. Die Datierung des Rechtsschutzfalls ist auch bedeutsam für ein etwaiges „Sichhineinversichern“ in die Deckung bei einem sich abzeichnenden Rechtskonflikt.

Ein weiterer Beschwerdeschwerpunkt liegt in der Anwendung von Risikoausschlüssen, besonders im Falle des Ausschlusses für verschiedene Kapitalanlagegeschäfte und des Baurisikoausschlusses.

Beschwerdeträchtig ist überdies die Frage nach der Bindungswirkung eines anwaltlichen Stichentscheids zu den Erfolgsaussichten der beabsichtigten Wahrnehmung rechtlicher Interessen, für die der Rechtsschutzversicherer die Deckung versagt hat. Ein solcher Stichentscheid wird häufig vom Rechtsanwalt des Versicherten erstellt. Die Kosten dafür hat der Rechtsschutzversicherer zu übernehmen. Ein Stichentscheid ist nach den Vertragsbedingungen für beide Teile verbindlich, es sei denn, dass er offenbar von der wirklichen Sach- und Rechtslage erheblich abweicht.

Im letzten Jahr hat die Anzahl der Beschwerden über Vermittler abgenommen. Wie kommt das? Alles paletti im Vermittlermarkt?

Vermittlerbeschwerden können in vielen Fällen auch als Beschwerde gegen ein Unternehmen geführt werden, wenn der Vermittler als Erfüllungsgehilfe eines Versicherungsunternehmens tätig geworden ist und dessen Tätigkeit deshalb zivilrechtlich dem Unternehmen zugerechnet werden kann. Dies hat für den Versicherungsnehmer den Vorteil, dass nach unserer Verfahrensordnung die Möglichkeit besteht, das Unternehmen bis zu einer Wertgrenze von 10.000 Euro zu verpflichten und nicht nur eine Empfehlung abzugeben. Im Verfahren der Vermittlerbeschwerden existiert diese Befugnis zur verbindlichen Entscheidung nicht.

Vermuten Sie eine hohe Dunkel-ziffer von Verbrauchern, die mit ihren Beschwerden nicht an die Ombudsstelle herantreten? Kann etwas getan werden, um die Bekanntheit zu fördern?

Eine etwaige Dunkelziffer lässt sich kaum abschätzen. Ich gehe aber davon aus, dass sich Verbraucherinnen und Verbraucher, die ein Problem mit ihrem Versicherer haben, die Unterlagen ansehen oder auf der Website ihres Versicherers recherchieren. Und dort, auf deren Website, in den Versicherungsbedingungen und auch in den Produktinformationen finden sie in aller Regel deutlich hervorgehoben den Hinweis auf den Versicherungsombudsmann e. V. In den Fachmedien, auch in den Veröffentlichungen der Stiftung Warentest, wird immer wieder auf die für Verbraucher kostenfreie Schlichtungsmöglichkeit hingewiesen. Und unseren eigenen Internetauftritt findet man ebenfalls leicht. Zudem werde ich, wie meine Vorgänger auch, die Kontakte zu allen interessierten Verbänden und Organisationen pflegen und dabei selbstverständlich die Chancen und Vorzüge der Schlichtung unterstreichen.

Dieses Interview lesen Sie auch in AssCompact 05/2024 und in unserem ePaper.

Bild: © CHLietzmann

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Ein Interview mit
Dr. Sibylle Kessal-Wulf

Leserkommentare

Comments

Gespeichert von Wilfried Stras… am 03. Mai 2024 - 10:40

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