Versicherer: Märkte müssen Erwartungen revidieren
Und auch für die Ökonomen aufseiten der Versicherer sind weitere Zinsschritte unvermeidlich: „Die Zentralbanken werden weiter an der Zinsschraube drehen, vor allem in Europa, vielleicht auch in den USA“, schätzt Jérôme Jean Haegeli, Chefvolkswirt der Swiss Re. Dass die Zinsen noch stärker steigen müssten, sei dem zögerlichen Handeln der Notenbanken zu Beginn des Preisanstiegs geschuldet: „Die Zentralbanken haben es einfach verschlafen“, kritisiert Haegeli.
GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen hält die Hoffnung auf Zinssenkungen jedenfalls für verfrüht: „Ich glaube, dass die Märkte ihre Erwartungen über die Haltung der EZB revidieren müssen.“ Dies betreffe vor allem den Zeitpunkt der ersten Zinssenkung. „Solange die Teuerungsraten ihren Zielwert noch um mehr als das Doppelte übersteigen, wird die EZB richtigerweise an ihrem Weg festhalten“, so Asmussen. Wie stark die Zinsen noch steigen, hängt laut Allianz-Chefvolkswirt Subran aber auch davon ab, „wie peinlich genau die EZB ihr Inflationsziel nimmt“.
Versicherer profitieren von steigenden Zinsen
Doch mit der weiteren Straffung der Geldpolitik verschlechtern sich auch die konjunkturellen Aussichten. Steigende Zinsen würden zu neuen wirtschaftlichen Verwerfungen führen, so Haegeli. Davon geht auch Menhart von Munich Re aus: „In der Vergangenheit ist es den Notenbanken nicht gelungen, eine dermaßen hohe Inflation auf ihr eigentliches Preisziel zurückzuführen, ohne volkswirtschaftliche Schmerzen auszulösen.“ Trotz der zu erwartenden wirtschaftlichen Einbußen halten die Chefvolkswirte eine entschlossene Reaktion der Notenbanken auf die Inflation für richtig: „Eine Rezession ist das kleinere Übel als eine langjährige Stagflation“, betonte Haegeli von Swiss Re.
Die steigenden Zinsen könnten nicht nur in der Realwirtschaft noch zu schmerzhaften Anpassungen führen, sondern auch im Finanzsektor, so Haegeli. Davon betroffen seien beispielsweise die Banken oder der Immobiliensektor. Für die europäischen Versicherer sieht er hingegen kaum eine Gefahr, sie seien eher Profiteur steigender Zinsen: „Das Anlageprofil der europäischen Versicherer ist qualitativ sehr gut.“
Allgemein höheres Zins- und Inflationsumfeld erwartbar
Langfristig wird Europa nach Ansicht von Menhart ohnehin mit einer höheren Inflation und höheren Zinsen rechnen müssen. Denn die preisdämpfenden Effekte der vergangenen Jahrzehnte, wie die Globalisierung und die Verlagerung von Produktion ins billigere Ausland, wirkten nicht mehr so stark. Dagegen gebe es vermehrt preistreibende Effekte, allen voran die Dekarbonisierung, die mit einer Verteuerung der Energie einhergehe. „Wenn man sich den langfristigen Inflationstrend anschaut, dann spricht viel dafür, dass wir ein höheres Zinsumfeld bekommen“, so der Chefvolkswirt der Munich Re. Es wird also noch eine Weile dauern, bis die Inflation bekämpft ist. (as)
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