Deutscher „Hunger“ auf Gold gestillt?
Die Nachfrage der privaten Haushalte nach Barren und Münzen für „Kleinanleger“ war zwar solide, insgesamt aber eher unauffällig im Vergleich zu den grundlegenden Gewinnen von Gold im Jahr 2023. Laut den veröffentlichten Daten des World Gold Council zur Minenindustrie erreichte die weltweite Gesamtmenge von Januar bis März nicht ganz den Quartalsdurchschnitt der beiden Vorjahre. Die steigende Nachfrage im Nahen Osten wurde durch die um 70% gesunkene Abnahme in Deutschland im Vergleich zum Quartalsdurchschnitt 2021–22 ausgeglichen. Sie erreichte den schwächsten Wert seit mindestens 2010. Deutsche Händler berichten, dass die Kunden Gold zu diesen Rekordpreisen verkauft haben, um es in Bargeld umzuwandeln (das jetzt eine positive nominale Rendite abwirft, nachdem die EZB ihre Negativzinspolitik beendet hat) und um Lebenshaltungskosten und andere Haushaltsausgaben zu finanzieren.
Sollten sich die deutschen Haushalte in der zweiten Jahreshälfte weiterhin von Goldmünzen und kleinen Barren fernhalten, würde dies eine dramatische Veränderung gegenüber dem phänomenalen Appetit auf das Edelmetall bedeuten, den sie im letzten Jahrzehnt gezeigt haben. Eine weitere bemerkenswerte Veränderung des Goldhandelsverhaltens in diesem Jahr ist auf die starke Nachfrage im Nahen Osten zurückzuführen, wo insbesondere die Türkei und der Iran dem für die Region typischen Muster, dass die Haushalte Gold verkaufen, wenn die Preise hoch sind, getrotzt haben. Sie haben sich stattdessen dafür entschieden, ihre Bestände an Goldmünzen, kleinen Barren und auch Schmuck zu behalten und auszubauen, weil sie befürchten, dass sich die Inflation verschlimmern wird, wenn ihre Währungen angesichts der politischen und wirtschaftlichen Turbulenzen weiter fallen.
Hochmut kommt vor dem Fall
Am wichtigsten für den grundlegenden Aufwärtstrend von Gold waren die starken Käufe der Zentralbanken. Während der weltweiten Finanzkrise wechselten die Zentralbanken insgesamt von Nettoverkäufern zu Nettokäufern, als der Beginn der quantitativen Lockerung und der Nullzinsen durch die westlichen Behörden die Schwellenländer dazu veranlasste, Gold zu akkumulieren, gerade als die europäischen Zentralbanken schließlich aufhörten zu verkaufen. Diese Nachfrage, die von Russland, China und Indien angeführt wurde, erreichte 2018 einen neuen Rekord, wuchs im vergangenen Jahr weiter an und erreichte die höchsten Zentralbankkäufe seit der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg und hat sich in der ersten Hälfte des Jahres 2023 fortgesetzt. Vieles davon wird in den offiziellen Daten nicht erfasst, aber angesichts der Sanktionen der USA und der EU gegen Russland, die die Attraktivität von US-Dollar und Euro als Reservewährungen infrage stellen, ist der Marktkonsens, dass Goldbarren weiterhin eine wertvolle Alternative zu den Reservemanagern bieten werden.
All dies bedeutet jedoch nicht, dass der Goldpreis nach den neuen Höchstständen in diesem Frühjahr garantiert weiter steigen wird. Sollte die US-Notenbank nicht umschwenken und in der zweiten Jahreshälfte von 2023 damit beginnen, ihre rekordverdächtigen Zinserhöhungen rückgängig zu machen, würde dies wahrscheinlich für heftigen Gegenwind sorgen. Neben dem starken Appetit der nicht-westlichen Zentralbanken auf Gold dürfte aber auch die weltweite Schmucknachfrage den Goldpreis solide unterstützen, wenn der Markt fällt und seinen Aufwärtstrend testet. Tatsächlich hat die weltweite Schmucknachfrage bereits wieder das Niveau von vor der Pandemie erreicht, allerdings zu Preisen, die mehr als 40% über denen von 2019 liegen.
Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 07/2023, S. 56 f., und in unserem ePaper.
Bild: © Nuthawut – stock.adobe.com
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