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13. Juli 2023
Gold: weiterhin ein sicherer Hafen?
Gold: weiterhin ein sicherer Hafen?

Gold: weiterhin ein sicherer Hafen?

So richtig los von Gold kommt man auch in der Investmentwelt nicht. Immer wieder gerät das alte Aurum ins Rampenlicht, gerade wenn der Rest der Finanzwelt in Sachen Volatilität seinesgleichen sucht. Adrian Ash von BullionVault widmet sich der Frage, ob Gold als sicherer Hafen in schwierigen Zeiten noch aktuell ist.

Ein Artikel von Adrian Ash, Director of Research bei BullionVault

Gold braucht nicht immer eine Krise, um im Preis zu steigen. Dennoch sind Krisen sicherlich hilfreich dafür. Als 2020 die Corona-Pandemie ausbrach, überschritt das Edelmetall erstmals die Marke von 2.000 US-Dollar pro Feinunze. Dann erreichte es dieses Niveau erneut im Jahr 2022, als Russland den schrecklichsten Krieg in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg begann. Und Anfang 2023, während des Mini-Crashs im westlichen Bankensektor, stieg Gold wieder über 2.000 US-Dollar.

Zwischen diesen drei Dollar-Höchstständen hat sich der Goldpreis weltweit weiter nach oben bewegt, nicht zuletzt für deutsche Anleger. Das Jahr 2022 endete mit einem vierten Jahreshöchststand in Folge für Gold in Euro. Zwischen Januar und März 2023 wurden dann neue Rekorde zum Quartalsende und im Quartalsdurchschnitt aufgestellt, bevor im April als auch im Mai neue Rekorde zum Monatsende und im Monatsdurchschnitt erreicht wurden.

Die Zuflucht beim Edelmetall

Ein solch solider Aufwärtstrend bei Gold deutet darauf hin, dass sich Anleger in das Metall als „sicheren Hafen“ stürzen, um den schlechten Renditen in anderen Bereichen zu entgehen. Doch auf das Blutbad an den Finanzmärkten im vergangenen Jahr folgten in der ersten Jahreshälfte 2023 starke Gewinne für Aktienanleger, nicht zuletzt in Deutschland. Der Dax hat sich in Euro gerechnet besser entwickelt als alle anderen großen Wirtschaftsbörsen – mit Ausnahme des New Yorker Nasdaq Tech-Index – und hat seit Jahresbeginn 13,5% zugelegt. Das geschah trotz der für das erste Quartal bestätigten „technischen Rezession“ und des schlimmsten Einbruchs in der verarbeitenden Industrie in diesem Frühjahr seit der ersten Welle der Corona-Krise vor drei Jahren.

Hinzu kommt, dass die Betei­ligung der Anleger an Gold in der ersten Hälfte von 2023 alles andere als extrem war. In den letzten 15 Jahren wiesen die Goldpreise in US-Dollar eine sehr starke positive Korrelation mit dem kombinierten Gewicht der weltweiten ETP-Bestände und der positiven Stimmung der Geldmanager in Gold-Futures und -Optionen auf. Diese Korrelation hat ein durchschnittliches R² von 68% auf einer rollierenden Zwölfmonatsbasis. Diese Korrelation ist stärker als die negative Korrelation von Gold mit den Renditen inflationsgeschützter US-Staatsanleihen und sogar stärker als die Korrelation mit dem Silberpreis. Die Beziehung zwischen der Anlegerbeteiligung und den Goldpreisen hat sich jedoch in diesem Jahr bisher abgeschwächt. Der neue Rekord des Dollar-Goldpreises von 1.982 zum Monatsende im April wurde erreicht, als die gesamte spekulative Position nur noch 90% der Höchststände von Anfang 2022 oder Mitte 2020 aufwies.

Deutscher „Hunger“ auf Gold gestillt?

Die Nachfrage der privaten Haushalte nach Barren und Münzen für „Kleinanleger“ war zwar solide, insgesamt aber eher unauffällig im Vergleich zu den grundlegenden Gewinnen von Gold im Jahr 2023. Laut den veröffentlichten Daten des World Gold Council zur Minen­industrie erreichte die weltweite Gesamtmenge von Januar bis März nicht ganz den Quartalsdurchschnitt der beiden Vorjahre. Die steigende Nachfrage im Nahen Osten wurde durch die um 70% gesunkene Abnahme in Deutschland im Vergleich zum Quartalsdurchschnitt 2021–22 ausgeglichen. Sie erreichte den schwächsten Wert seit mindestens 2010. Deutsche Händler berichten, dass die Kunden Gold zu diesen Rekordpreisen verkauft haben, um es in Bargeld umzuwandeln (das jetzt eine positive nominale Rendite abwirft, nachdem die EZB ihre Negativzinspolitik beendet hat) und um Lebenshaltungskosten und andere Haushaltsausgaben zu finanzieren.

Sollten sich die deutschen Haushalte in der zweiten Jahreshälfte weiterhin von Goldmünzen und kleinen Barren fernhalten, würde dies eine dramatische Veränderung gegenüber dem phänomenalen Appetit auf das Edelmetall bedeuten, den sie im letzten Jahrzehnt gezeigt haben. Eine weitere bemerkenswerte Veränderung des Goldhandelsverhaltens in diesem Jahr ist auf die starke Nachfrage im Nahen Osten zurückzuführen, wo insbesondere die Türkei und der Iran dem für die Region typischen Muster, dass die Haushalte Gold verkaufen, wenn die Preise hoch sind, getrotzt haben. Sie haben sich stattdessen dafür entschieden, ihre Bestände an Goldmünzen, kleinen Barren und auch Schmuck zu behalten und auszubauen, weil sie befürchten, dass sich die Inflation verschlimmern wird, wenn ihre Währungen angesichts der politischen und wirtschaft­lichen Turbulenzen weiter fallen.

Hochmut kommt vor dem Fall

Am wichtigsten für den grundlegenden Aufwärtstrend von Gold waren die starken Käufe der Zentralbanken. Während der weltweiten Finanzkrise wechselten die Zentralbanken insgesamt von Nettover­käufern zu Nettokäufern, als der Beginn der quantitativen Lockerung und der Nullzinsen durch die westlichen Behörden die Schwellenländer dazu veranlasste, Gold zu akkumulieren, gerade als die europäischen Zentralbanken schließlich aufhörten zu verkaufen. Diese Nachfrage, die von Russland, China und Indien angeführt wurde, erreichte 2018 einen neuen Rekord, wuchs im vergangenen Jahr weiter an und erreichte die höchsten Zentralbankkäufe seit der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg und hat sich in der ersten Hälfte des Jahres 2023 fortgesetzt. Vieles davon wird in den offiziellen Daten nicht erfasst, aber angesichts der Sanktionen der USA und der EU gegen Russland, die die Attraktivität von US-Dollar und Euro als Reservewährungen infrage stellen, ist der Marktkonsens, dass Goldbarren weiterhin eine wertvolle Alternative zu den Reservemanagern bieten werden.

All dies bedeutet jedoch nicht, dass der Goldpreis nach den neuen Höchstständen in diesem Frühjahr garantiert weiter steigen wird. Sollte die US-Notenbank nicht umschwenken und in der zweiten Jahreshälfte von 2023 damit beginnen, ihre rekordverdächtigen Zinserhöhungen rückgängig zu machen, würde dies wahrscheinlich für heftigen Gegenwind sorgen. Neben dem starken Appetit der nicht-westlichen Zentralbanken auf Gold dürfte aber auch die weltweite Schmucknachfrage den Goldpreis solide unter­stützen, wenn der Markt fällt und seinen Aufwärtstrend testet. Tatsächlich hat die weltweite Schmucknachfrage bereits wieder das Niveau von vor der Pandemie erreicht, allerdings zu Preisen, die mehr als 40% über denen von 2019 liegen.

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 07/2023, S. 56 f., und in unserem ePaper.

Bild: © Nuthawut – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Adrian Ash