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10. Januar 2023
EZB und Börse 2023: Auf der Suche nach Orientierung
EZB und Börse 2023: Auf der Suche nach Orientierung

EZB und Börse 2023: Auf der Suche nach Orientierung

Nach dem geldpolitischen Kurswechsel der Zinspolitik ist die EZB gut beraten, diesen restriktiven Kurs vorerst beizubehalten, meint Prof. Dr. Dr. h.c. Bert Rürup mit Blick auf 2023. Denn: „Inflation herrscht, wenn die Menschen glauben, dass Inflation herrscht.“ Und wie steht es an der Börse?

Ein Artikel von Prof. Dr. Dr. h.c. Bert Rürup, Präsident des Handelsblatt Research Institute

Die zurückliegende Dekade war durch außergewöhnliche Ereignisse geprägt. So gab es einen nahezu zehn Jahre anhaltenden konjunkturellen Aufschwung. Gleichzeitig hat die EZB mit einer bislang einmaligen Niedrigzinspolitik versucht, eine Deflation zu bekämpfen, für die es nie handfeste Indizien gab. Trotz der ultraleichten Geldpolitik lag die Inflationsrate im Euroraum durchweg in der Nähe des 2%-Ziels der EZB. Der als Folge von markanten Lieferengpässen im Frühjahr 2021 einsetzende Anstieg der Verbraucherpreise gewann durch den Angriff Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 massiv an Dynamik und erzwang den überfälligen Kurswechsel der EZB. So notwendig dieser Kurswechsel war, so wenig ist er geeignet, dem Anstieg der Verbraucherpreise in den Euroländern nachhaltig zu begegnen.

Der Grund: Anders als das Anziehen der Inflation in den USA waren die starken Preiserhöhungen im Euroraum weniger das Resultat einer markanten Nachfragesteigerung, sondern die Folge gestörter Lieferketten und explodierender Energiepreise. Aber: Nur weil die EZB die Zinsen anhebt, wird angesichts einer durchweg preisunelastischen Nachfrage kaum weniger Öl und Gas nachgefragt oder mehr angeboten. Dennoch ist die EZB gut beraten, ihren restriktiven Kurs vorerst beizubehalten. Anderenfalls würde sie ihre Reputation verlieren, zumal es zu den Zielen der Geldpolitik gehört, Zweitrundeneffekte zu verhindern. Denn unverändert gilt die alte Erkenntnis, dass Inflation dann herrscht, wenn die Menschen glauben, dass Inflation herrscht.

Folgen für die Volkswirtschaft

Dieser geldpolitische Kurswechsel im Zusammenwirken mit den geopolitischen Verwerfungen der jüngsten Vergangenheit dürfte 2023 dazu führen, dass die deutsche Volkswirtschaft im ersten Halbjahr eher leicht schrumpft als nur stagniert.

Durch die Zinssteigerungen wird die Finanzierung dringend benötigter Investitionen wie in den Klimaschutz oder die Infrastruktur erschwert.

Auch wenn die Steigerungen der Verbraucherpreise perspektivisch geringer ausfallen werden, dürfte es der EZB nicht gelingen, die Inflationsrate in absehbarer Zeit wieder in die Nähe ihres Ziels von 2% zu drücken. Daher wird die Geldpolitik nur wenig Spielraum haben, um die Wirtschaft zu stimulieren.

Blick auf das Börsenjahr

Ähnliches gilt für die Aktienmärkte, die lange Zeit durch die Niedrigzinspolitik der Zentralbanken stimuliert wurden. Im Rückblick dürfte 2022 für Anleger einfacher gewesen sein, als es 2023 werden wird. 2022 wussten die Marktteilnehmer, dass es zu einer Phase von Leitzinsanhebungen kommen wird. Ein Bärenmarkt war daher mehr oder weniger erwartet worden. 2023 wird es darum gehen, neue Orientierung zu finden.

Rohstoffe sind insbesondere bei höheren Zinsen und nachlassender Preissteigerungsdynamik weniger gefragt. Gleiches gilt für Investments in Immobilien oder Anlagen in Schwellenländern, die stark in US-Dollar verschuldet sind und aufgrund erheblich höherer US-Dollar-Zinsen mittelfristig in Schwierigkeiten geraten könnten.

Am Aktienmarkt kann mit einer Sektorrotation gerechnet werden, also eine sich temporär abwechselnde Bevorzugung von Aktien bestimmter Branchen. Gewinnrevisionen der Unternehmen werden noch einige Zeit die Regel sein. Damit lassen sich die Erfahrungen der zurückliegenden Dekade, die durch Kursgewinne gekennzeichnet war, nicht in die Zukunft fortschreiben. Diese Richtungsfindung ohne klaren Trend könnte bei vielen Anlegern das Börseninteresse ein Stück weit untergraben. Aber genau diese Tatsache dürfte die Ausbildung eines tragbaren Bodens befördern und anschließend wieder zu steigenden Kursen führen.

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 01/2023, S. 76, und in unserem ePaper.

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Bild: © Prof. Dr. Dr. h.c. Bert Rürup, Handelsblatt Research Institute

 
Ein Artikel von
Prof. Dr. Dr. h.c. Bert Rürup