Interview mit Robert Buchberger, Gründer der Online-Plattform „Experts 4 Insurance“
Herr Buchberger, Sie haben letztes Jahr gemeinsam mit Sten Nahrgang eine digitale Plattform gegründet, die eine ganz eigene Lösung gegen den Fachkräftemangel bildet. Wo sehen Sie denn die Hauptursachen des Fachkräftemangels speziell in der Versicherungsbranche?
Wenig überraschend spielt die Demografie eine massive Rolle, die „Boomer“ steuern auf die Rente zu. Nach dem Überangebot an Arbeitskräften Anfang der 2000er haben einige Gesellschaften begonnen, teure ältere Mitarbeiter in den Vorruhestand zu schicken. Gleichzeitig gab es in den letzten 20 Jahren einen Rückgang von 30% bei den Auszubildenden. Mehr als 40% der Mitarbeiter in der Versicherungsbranche sind über 50 Jahre alt, in den kommenden zehn Jahren wird qua Pensionierung so manche Fachabteilung „verwaisen“. Die Erwartung, dass Near- bzw. Off-Shoring und Automatisierung das Problem lösen werden, hat sich bislang nicht bestätigt. Künstliche Intelligenz (KI) wird sicherlich helfen, aber kurz- bis mittelfristig wird fachliches Know-how und Erfahrung Mangelware bleiben. Und bei allen Vorzügen ist Home-Office für Erfahrungs- und Wissenstransfer nicht wirklich förderlich.
Dann lassen Sie uns über Ihre Idee sprechen. Können Sie kurz beschreiben, nach welchem Prinzip Ihre Plattform funktioniert? Und wie unterscheidet sich Ihr Ansatz nun von bestehenden Lösungen?
Das Grundprinzip von Experts 4 Insurance ist, dass auf der Plattform ausgewiesene und handverlesene Experten aus allen Wertschöpfungsbereichen der Versicherungsindustrie ihre Kompetenzen den Nachfragern wie Versicherern, Maklern und Dienstleistern zur Verfügung stellen. Dabei geben sie an, in welchem Umfang und zu welchen Konditionen sie buchbar sind. Die ausführlichen, aber anonymen Profile sind nur für zugelassene Kunden suchbar, der Experte wird erst im fortgeschrittenen Matching-Prozess „sichtbar“. Anders als große bestehende Freelancer-Plattformen haben wir einen spitzen Fokus auf eine Industrie in allen Facetten und haben jeden Experten persönlich validiert. Wir haben außerdem ein Bewertungssystem integriert und den Zeiterfassungs- und Abrechnungsprozess weitgehend automatisiert. Um den Beteiligten maximale Sicherheit anzubieten, haben wir für unsere Experten eine Vermögensschadenhaftpflichtversicherung für die Plattform-Projekte abgeschlossen.
Wie ist denn die Idee dazu entstanden?
Ich hatte vor einiger Zeit selbst Bedarf an Spezialisten in der Schadenregulierung von komplexen Haftpflichtschäden. Der Arbeitsmarkt war leer gefegt und selbst mit Headhuntern konnten wir bei sehr hohen Kosten nur einen Teil unseres Bedarfs befriedigen. Da ist die Idee entstanden, (Vor-)Ruheständler anzusprechen und als Freelancer einzubinden. In gemischten Teams mit jungen Kollegen ist es gelungen, effizient zu arbeiten und die Weitergabe von Wissen zu orchestrieren. Einige dieser Teams arbeiten immer noch zusammen. Diesen Ansatz wollten wir dann „industrialisieren“, da der Bedarf offensichtlich war, auch in vielen anderen Bereichen. Wir haben dann die Matching- und Abrechnungsprozesse beschrieben und in einer performanten IT-Plattform implementiert.
Gibt es denn nun nach einigen Monaten bereits erste Erfahrungswerte?
Wir sehen, dass sich kundenseitig kleinere Strukturen mit der Implementierung leichter tun – gerade wenn wenige Personen alle Bedarfe im Überblick haben und die Entscheidungswege kurz sind. Bei Versicherern sind die Anlaufphasen länger. Wir haben mittlerweile eine zweistellige Anzahl an Kunden. Makler und Dienstleister haben den Reigen eröffnet, inzwischen sind auch (Rück-)Versicherer sowie Start-ups und Beratungshäuser an Bord. Die Nachfrage in den Bereichen Schaden, Underwriting und Projektmanagement übersteigt immer wieder unsere Kapazitäten, besonders auf der Sachbearbeitungsebene. Umgekehrt hatten wir beispielsweise bei den Aktuaren Engpässe antizipiert, hier sind wir allerdings bereits sehr gut aufgestellt.
Und welchen Herausforderungen begegnen Sie bei der Umsetzung Ihrer Idee?
Die Umsetzung in großen Organisationen ist herausfordernd, besonders wenn Einkaufsprozesse mit fachfremden Abteilungen involviert sind. Unser On-Boarding und Matching funktionieren nicht nach dem „Billigst-Prinzip“. Auch wenn die Plattform sehr intuitiv zu bedienen ist, müssen wir die Systemeinweisung für beide Seiten noch verbessern und daran arbeiten, gerade bei größeren Partnern in den verschiedenen Abteilungen präsenter zu sein.
Seite 1 Experten-Plattform gegen den Fachkräftemangel
Seite 2 Kann es auch passieren, dass Unternehmen hier neue Mitarbeiter finden? Wie sehr ist das gewollt?
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