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19. September 2024
Elementarversicherung: Pflicht oder freie Wahl?
Elementarversicherung: Pflicht oder freie Wahl?

Elementarversicherung: Pflicht oder freie Wahl?

Mit dem Klimawandel nehmen auch die Extremwetterereignisse zu. Das Bewusstsein um die Notwendigkeit einer Elementarversicherung ist aber noch nicht flächendeckend verbreitet. Daran hat auch die Debatte um eine Versicherungspflicht nichts geändert. Umso mehr braucht es eine risikoadäquate Beratung.

Ein Artikel von Halime Koppius, Vorstand der degenia AG

Die Forderung nach einer verpflichtenden Elementarschadenversicherung ist keineswegs neu. Bereits 2002, nach dem sogenannten Jahrhunderthochwasser in Ostdeutschland, wurden erste Rufe nach einer Pflichtversicherung für Elementarschäden laut. Ähnliche Forderungen wurden nach den großen Schadenereignissen im Sommer 2021, Weihnachten 2023 und Juni 2024 erhoben, wobei die Häufung solcher Ereignisse in den letzten Jahren nicht mehr zu leugnen ist.

Im Jahr 2002 lag die Quote der Elementarschadenversicherungen bei Eigenheimbesitzern noch bei 32%. Laut GDV stieg dieser Wert bis 2024 auf 54%. Spitzenreiter ist Baden-­Württemberg mit einer Absicherungsquote von 94%, während Bremen mit nur 33% das Schlusslicht bildet – hier ist nur jedes dritte Haus gegen Elementarschäden versichert.

Angesichts einer laut GDV möglichen Absicherungsquote von 99% aller Häuser zeigt sich regional ein erhebliches Delta zwischen der tatsächlichen und der möglichen Versicherungsquote.

Realität des Vermittlers vor Ort

Ein häufiger Einwand in der Kundenberatung lautet: „Hier gab es noch nie Hochwasser oder Stark­regen!“ Auch wenn dies in vielen Regionen Deutschlands tatsächlich noch nie oder vor sehr langer Zeit passiert ist, haben die Unwetterereignisse der letzten Jahrzehnte, insbesondere der letzten drei bis vier Jahre, gezeigt, dass selbst städtische oder höher gelegene Gebiete nicht vor Schäden sicher sind. Eine zu 100% genaue Vorhersage solcher lokalen Ereignisse ist trotz aller technischen Fortschritte bisher nicht möglich.

Lehren aus der Flutkatastrophe im Ahrtal

Die Flutkatastrophe im Ahrtal hat schmerzhaft und zugleich sehr leidvoll aufgezeigt, welches Schadenpotenzial die Unwetterereignisse unserer Zeit anrichten können. Diejenigen ohne Versicherung konnten oder wollten sich die hohen Prämien nicht leisten oder hatten schlichtweg keinen Zugang zu einer adäquaten Absicherung. Die Folge war nicht nur menschliches Leid, sondern auch der Verlust von Hab und Gut – welches über Jahrzehnte aufgebaut wurde. Dadurch waren viele Betroffene ohne Versicherungsschutz auf staatliche Unterstützung angewiesen, welche die Solidargemeinschaft des Sozialstaats zu tragen hat.

Debatte um eine verpflichtende Elementarschadenversicherung

Angesichts dieser Realität kam erneut die Diskussion über eine verpflichtende Elementarschadenversicherung auf, verstärkt nach einem einstimmigen Bundesratsbeschluss im März 2023. Dieser forderte die Bundesregierung auf, entsprechende Maßnahmen zu prüfen, wurde jedoch Ende desselben Jahres vorerst zurückgestellt, nachdem Bundesjustizminister Marco Buschmann weitreichende Bedenken geäußert hatte. Die jüngsten Überflutungen in Bayern, Baden-Württemberg und im Saarland führten zu weiteren Debatten, aber bisher ohne Einigung auf Länder- oder Bundesebene.

Aktueller Stand der Elementarversicherung in Deutschland

Eine verpflichtende Versicherung per Gesetz könnte eine umfassendere Lösung bieten, unterstützt durch die Versicherungswirtschaft, um in erster Linie für jedermann zugängliche Tarife anzubieten. Ein Teil der staatlichen Ausgaben für Betroffene könnte künftig in andere Bereiche investiert werden. Doch die Realität zeigt, dass eine solche Pflichtversicherung vorerst nicht kommen wird.

Vergleicht man die Bereitschaft zur Absicherung in verschiedenen Versicherungszweigen wie beispielsweise der Kfz-Versicherung, zeigt sich eine deutlich höhere Bereitschaft, für ein nicht existenzielles Risiko vorzusorgen. Für mehrere hundert Euro wird oft eine Voll- und/oder Teilkaskoversicherung abgeschlossen, um ein Auto im Wert von ein paar Tausend Euro abzusichern. Demgegenüber stehen bei der Gebäudeversicherung Werte, deren Verlust die jetzige und zukünftige Existenz der Kunden gefährden kann, insbesondere für junge Familien mit hoher Restschuld auf ihrem Eigenheim. Um einen bedarfsgerechten, zeitgemäßen Schutz zu gewährleisten und solchen Risiken vorzubeugen bzw. entgegenzuwirken, ist es notwendig, den Versicherungsschutz der Gebäudeversicherung durch die Hinzunahme einer Elementardeckung zu vervollständigen.

Trotz der jüngsten Hochwasserereignisse scheint das Bewusstsein für das Thema Elementarversicherung noch nicht flächendeckend in Deutschland angekommen zu sein. Elementarabsicherung ist keineswegs eine Luxusabsicherung, sondern vielmehr eine Existenzabsicherung.

Verantwortung der Versicherungsvermittler

Für eine höhere Durchdringung der Elementarschadenversicherung bedarf es neben der Bereitschaft und des Verständnisses der Kunden auch einer risikoadäquaten Beratung durch Versicherungsvermittler. Angesichts des Klimawandels und der steigenden Extremwetterereignisse müssen sie Immobilienbesitzer proaktiv über die existenziellen Gefahren von Elementarschadenereignissen beraten. Diese können nicht nur den Kunden schützen, sondern auch zur positiven Kundenbindung beitragen – während falsche oder fehlende Beratung zu rechtlichen Konsequenzen für den Vermittler führen kann.

Fazit: Elementarversicherung ist Existenzabsicherung

Die klimatischen Veränderungen, einhergehend mit zunehmenden Extremwetterereignissen, stellen Kunden und Vermittler vor einen erhöhten Absicherungs- und Beratungsbedarf. Manche Kunden mögen sich bei der Entscheidung über den Abschluss oder die Notwendigkeit einer Elementarschadenversicherung schwertun. Die Nutzung von Schadenbeispielen und praktischen Tools wie dem „Hochwasser-Check“ auf www.dieversicherer.de können helfen, das Thema greifbarer zu machen und Kunden über ein für sie existenzielles Risiko hin zu beraten. So trägt jeder Vermittler seinen Teil dazu bei, dass mehr Menschen in Deutschland gegen die wachsenden Risiken des Klimawandels geschützt sind.

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Bild: © eepbabes – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Halime Koppius