Gutachten zerstreut verfassungsrechtliche Bedenken
Allerdings greift eine Versicherungspflicht unmittelbar in die Handlungsfreiheit von Menschen ein, schließlich würden sie im Falle ihrer Umsetzung zum Abschluss eines Versicherungsvertrages gezwungen werden. Wäre also eine solche Versicherungspflicht – wie vom SVRV vorgeschlagen – überhaupt grundgesetzkonform? Ein Gutachten des renommierten Verfassungsrechtlers Prof. Dr. Thorsten Kingreen, Universität Regensburg, zerstreut solche verfassungsrechtlichen Bedenken. Demnach sei eine Pflicht grundsätzlich mit dem bestehenden EU-Recht vereinbar. Aber auch mit dem deutschen Grundgesetz sollten sich nach Expertise des Verfassungsrechtlers keine Konflikte ergeben. So schreibt Kingreen in seinem Gutachten: „Nicht nur besteht ein ordnungsrechtliches Interesse an der Vermeidung von Obdachlosigkeit und ist es ein städtebauliches Anliegen, zerstörte Wohngebäude wiederherzurichten, sondern es besteht auch ein öffentliches Interesse daran, die öffentlichen Haushalte zu schonen.“ Ohne Versicherungspflicht würde der Staat nämlich bei Großschadenereignissen unter einen politischen Handlungsdruck geraten, der sich in der Vergangenheit stets zu politischen Zahlungsverpflichtungen verdichtet hat, gibt der Verfassungsexperte zu bedenken.
Zurückhaltung bei GDV und Verbraucherzentrale
Unterdessen geben sich bei der Frage nach einer Versicherungspflicht sowohl GDV als auch der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) weiterhin zurückhaltend, wie auf der Diskussionsveranstaltung des SVRV zu beobachten war. Der GDV schlägt nämlich vor, dass die Versicherungswirtschaft allen Eigentümerinnen und Eigentümern, die eine Wohngebäudeversicherung abgeschlossen haben, eine zusätzliche Naturgefahrendeckung anbietet, ihnen aber gleichzeitig ein Opt-out ermöglicht, allerdings nur Zug um Zug gegen eine Haftungsfreistellung von Versicherern und Staat für den Fall des Eintritts einer nicht versicherten Naturgefahr. Der GDV begründet den Verzicht auf eine Versicherungspflicht so, dass damit „Klagerisiken, wie sie einer Pflichtlösung innewohnen, entfallen". Der vzbv strebt indes die Schaffung eines gesetzlichen Leitbilds für eine Allgefahrendeckung und eine forcierte Informationskampagne über den Abschluss einer Elementarschadenversicherung an. Die Einführung einer Versicherungspflicht hält der vzbv nur dann für notwendig, falls in den nächsten Jahren die Versicherungsdichte die vorgeschlagene Zielmarke von 80% nicht übersteigt. (as)
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