AssCompact suche
Home
Management & Wissen praxistipp
27. Mai 2024
Die Wahl der richtigen VSH

Die Wahl der richtigen VSH

Der Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung ist für Versicherungsvermittler ein elementarer Baustein zur Absicherung ihrer Risiken und gesetzlich vorgeschrieben. Bald aber stehen Aktualisierungen an – eine gute Gelegenheit zur Prüfung des bestehenden Vertrages.

Ein Artikel von Hans-Ludger Sandkühler

Zum 09.10.2024 werden die gesetzlich vorgeschriebenen Mindestdeckungs­summen in der Berufshaftpflichtversicherung für Versicherungsvermittler auf 1.564.610 Euro für jeden einzelnen Schadenfall und 2.315.610 Euro für alle Schadenfälle eines Jahres angehoben. Eine gute Gelegenheit, Anbieter und Inhalt des bestehenden Vertrages einer sorgfältigen Prüfung zu unterziehen.

Der Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung ist für Versicherungsvermittler ein elementarer Baustein zur Absicherung ihrer Risiken und deswegen zu Recht gesetzlich vorgeschrieben. Allerdings gibt es nur wenige Versicherungsgesellschaften, die entsprechende Ver­sicherungsverträge anbieten. Vielfach werden Berufshaftpflichtversicherungen auch über Maklerpools, so genannte Spezialmakler, Assekuradeure und diverse Verbände angeboten, die für sich reklamieren, mit einem oder mehreren Versicherern „Spezialkonzepte“ ausgehandelt zu haben.

Gesetzliche Grundlagen

Der gesetzlich vorgeschriebene Mindestumfang der Haftpflichtversicherung für Versicherungsvermittler ist in § 12 Versicherungsvermittlungsverordnung (VersVermV) festgelegt. Danach muss der Versicherungsvertrag Deckung für die sich aus der gewerblichen Tätigkeit des Versicherungsvermittlers ergebenden Haftpflichtgefahren für Vermögensschäden gewähren. Die Mindestversicherungssummen betragen aktuell noch 1.300.380 Euro für jeden einzelnen Versicherungsfall und 1.924.560 Euro für alle Schadenfälle eines Jahres. Sie werden zum 09.10.2024 gemäß § 12 Abs. 2 Satz 2 VersVermV in Verbindung mit Art. 1 Nr. 1 der Delegierten Ver­ordnung (EU) 2024/896 vom 05.12.2023 auf die oben genannten Summen angehoben.

Besonderheiten eines speziellen Marktes

Die in der Werbung häufig aufgezählten „Produkt-Highlights“ mancher Anbieter sind schillernd. Sie highlighten oftmals ohnehin standardmäßig vorhandenen Ver­sicherungsschutz wie etwa den Einschluss der Korrespondenzmaklertätigkeit oder die Mitversicherung sämtlicher Erfüllungsgehilfen. Kann es sein, dass Produkte so aufgehübscht werden sollen, indem Angebote besonderer bzw. umfangreicher gemacht werden, als sie eigentlich sind? Sagen wir es mal so: Unkundigen Vermittlern wird erklärt, was alles versichert ist, auch wenn es sowieso versichert ist.

Vorgaben für Pflicht­versicherung lassen Spielraum in der Gestaltung

Eines haben alle Produkte dennoch gemeinsam: Der Versicherungsschutz geht, bedingt durch den am Markt vorhandenen Wettbewerbsdruck, über die gesetzlichen Mindestanforderungen hinaus. Dies ist grundsätzlich zu begrüßen, denn der Gesetzgeber lässt den Versicherern einen gewissen Freiraum in der Ausgestaltung des Versicherungsumfangs. Naturgemäß konzentrieren sich die Werbeaussagen auf Bedingungsverbesserungen. So entsteht leicht der Schein eines lückenlosen Versicherungsschutzes. Doch der Schein trügt.

So kann die Haftung für Ersatzansprüche wegen wissentlicher Pflichtverletzung ausgeschlossen werden. Weitere Ausschlüsse sind zulässig, wenn sie marktüblich sind und dem Zweck der Berufshaftpflichtversicherung nicht zuwiderlaufen. Dazu gehören etwa Haftpflichtansprüche der Angehörigen des Versicherungsnehmers wie Ansprüche aufgrund des Nichteintretens von Gewinn- oder Renditeerwartungen. Andere wichtige Aspekte wie etwa der lückenlose Übergang des Versicherungsschutzes bei Risikoträgerwechsel sind gar nicht geregelt.

Deckungsinhalte und Höhe der Risiken entscheidend

Dennoch ist die Vermögensschadenhaftpflichtversicherung kein „Hexenwerk“. Ihren besonderen Charakter erhält sie durch den Umstand, dass sie für jeden Versicherungsvermittler eine Art Lebensversicherung darstellt, denn bei hohen Schäden droht der Verlust der finanziellen Substanz. Daher ist jeder Vermittler gut beraten, sich bei der Auswahl der persönlichen Berufshaftpflichtversicherung auch näher mit den Deckungsinhalten zu beschäftigen und sich nicht nur an den Prämien zu orientieren. Es kann sonst im Schadenfall eine Deckungslücke bestehen, die im schlimmsten Fall die Existenz kosten kann. Beispiele dafür gibt es bereits heute genug.

Der Versicherungsschutz sollte – wie bei jeder anderen Versicherung auch – grundsätzlich den Bedürfnissen und der individuellen Situation des Versicherungsnehmers entsprechen. Eine fachkundige Beratung kann helfen, den passenden Versicherungsschutz zu finden. Wenig hilfreich sind lediglich plakative Werbeaussagen der Anbieter, insbesondere dann, wenn sie geeignet sind, den Vermittler zu Leichtfertigkeit zu verführen. So etwa, wenn ein „Spezialist“ damit wirbt, dass die gesetzliche Dokumentationspflicht in seiner Police nicht als besondere Obliegenheit genannt sei. Natürlich befreit eine Police dieses Inhalts den Versicherungsvermittler nicht von seinen gesetzlichen Beratungs- und Dokumentationspflichten. Möglicherweise wird aber dieser Eindruck bewusst oder unbewusst von dem „Spezialisten“ erzeugt. Im Schadenfall ist hier der Vermittler der Verlierer.

Von existenzieller Bedeutung ist dagegen eine ausreichende Versicherungssumme. Die gesetzliche Versicherungssumme wird bei Versicherungsrisiken mit hohem Probable Maximum Loss (PML) in der Regel nicht annähernd ausreichen. Es ist deshalb eine besonders sorgfältige Analyse auch der Höhe der eigenen Risiken erforderlich. Danach muss die Versicherungssumme bedarfsgerecht angehoben werden.

Soweit neben Versicherungen auch Finanzanlagen und/oder Immobiliardarlehen vermittelt werden, ist auf die entsprechende gesetzliche Versicherungspflicht zu achten.

Qualität und Erfahrung des Anbieters

Neben den Deckungsinhalten sollten auch die Qualität und Erfahrung des Anbieters in der Schadenbearbeitung, Bestandsgröße und -zusammensetzung und Schadenquote betrachtet werden, soweit dies möglich ist. Dumpingprämien haben in der Vermögensschadenhaftpflichtversicherung nichts zu suchen. Sie sind auch hier nur ein Beschleuniger von schlechten Schadenquoten und damit instabilen Vertragsbeständen. Die Folge sind Prämienerhöhungen und/oder Versichererhopping sog. Konzeptanbieter. Was das dann für den Versicherungsschutz der betroffenen Vermittler bedeutet, ist meist ungewiss und selten vorteilhaft.

Fazit: Mehr als nur Vertrauenssache

Die Vermögensschadenhaftpflichtversicherung ist für Vermittler mehr als nur Vertrauenssache, sie ist die Existenzgrundlage für ihr tägliches Handeln. Die Auswahl der persönlichen Berufshaftpflichtversicherung als Basis für die Berufsausübung des Vermittlers bedarf daher einer genauen Untersuchung des zu versichernden Risikos. Das gilt insbesondere, wenn Versicherungsvermittler oder Verbände „Konzepte“ anbieten. Konzepte sind keine Verträge. Es drängen sich zahlreiche Fragen auf. Ist der Verband der Vermittler? Oder steht ein Vermittler hinter dem Verband? Wie sind die rechtlichen Beziehungen? Bin ich selbst Versicherungsnehmer oder nur „mitversichert“? Gibt es Informationen über die Beratungsgrundlage des Vermittlers? Gibt es eine Beratungsdokumentation? Wer bearbeitet Schäden? Mit welchem Know-how? Welche Schadenerfahrung gibt es? Gibt es Antworten? Versicherungsvermittler sollten in eigenen Angelegenheiten mindestens so kritisch sein wie bei ihren Kunden.

Praxistipp

Eine gute Hilfestellung bietet die VSH-Checkliste des AfW – Bundesverband Finanzdienstleistung e. V., die auf der Website des Verbandes zum Download bereitsteht.

Über Hans-Ludger Sandkühler

Hans-Ludger Sandkühler ist Vertriebs- und Versicherungsjurist und verfügt über praktische Erfahrungen aus seinen langjährigen Tätigkeiten als Versicherungsmakler und Rechtsanwalt. Er ist ausgewiesener Experte in Maklerfragen, gefragter Referent und Autor zahlreicher Veröffentlichungen.

Diesen Beitrag lesen Sie auch in AssCompact 05/2024 und in unserem ePaper.

Bild: © Tierney – stock.adobe.com