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22. Juni 2021
Die Wahl der richtigen Vermögensschadenhaftpflicht
Legal protection concept with businessman in a protective gesture

Die Wahl der richtigen Vermögensschadenhaftpflicht

Der Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung ist für Versicherungsvermittler ein elementarer Baustein zur Absicherung ihrer Risiken und deswegen zu Recht gesetzlich vorgeschrieben. Der Experte in Maklerfragen, Hans-Ludger Sandkühler, erklärt, worauf es bei der Auswahl ankommt.

Es gibt nur wenige Versicherungsgesellschaften, die entsprechende Berufshaftpflichtversicherungsverträge für Versicherungsvermittler anbieten. Vielfach werden Berufshaftpflichtversicherungen auch über Maklerpools, sogenannte Spezialmakler, Assekuradeure und diverse Verbände angeboten, die für sich reklamieren, mit einem oder mehreren Versicherern „Spezialkonzepte“ ausgehandelt zu haben.

Gesetzliche Grundlagen

Der gesetzlich vorgeschriebene Mindestumfang der Haftpflichtversicherung für Versicherungsvermittler ist in § 12 Versicherungsvermittlungsverordnung (VersVermV) festgelegt. Danach muss der Versicherungsvertrag Deckung für die sich aus der gewerblichen Tätigkeit des Versicherungsvermittlers ergebenen Haftpflichtgefahren für Vermögensschäden gewähren. Die Mindestversicherungssumme beträgt 1.276.000 Euro für jeden Versicherungsfall und wird alle fünf Jahre nach einem technischen Regulierungsstandard der europäischen Aufsicht EIOPA angepasst.

Besonderheiten eines speziellen Marktes

Die in der Werbung häufig aufgezählten „Produkt-Highlights“ mancher Anbieter sind schillernd. Sie highlighten oftmals ohnehin standardmäßig vorhandenen Versicherungsschutz wie etwa den Einschluss der Korrespondenzmaklertätigkeit oder die Mitversicherung sämtlicher Erfüllungsgehilfen. Kann es sein, dass Produkte so aufgehübscht werden sollen, indem Angebote besonderer bzw. umfangreicher gemacht werden, als sie eigentlich sind? Sagen wir es mal so: Unkundigen Vermittlern wird erklärt, was alles versichert ist, auch wenn es sowieso versichert ist.

Vorgaben für Pflichtversicherung mit Gestaltungsspielraum

Eines haben alle Produkte dennoch gemeinsam: Der Versicherungsschutz geht, bedingt durch den am Markt vorhandenen Wettbewerbsdruck, über die gesetzlichen Mindestanforderungen hinaus. Dies ist grundsätzlich zu begrüßen, denn der Gesetzgeber lässt den Versicherern einen gewissen Freiraum in der Ausgestaltung des Versicherungsumfangs. Naturgemäß konzentrieren sich die Werbeaussagen auf Bedingungsverbesserungen. So entsteht leicht der Schein eines lückenlosen Versicherungsschutzes. Doch der Schein trügt.

So kann die Haftung für Ersatzansprüche wegen wissentlicher Pflichtverletzung ausgeschlossen werden. Weitere Ausschlüsse sind zulässig, wenn sie marktüblich sind und dem Zweck der Berufshaftpflichtversicherung nicht zuwiderlaufen. Dazu gehören etwa Haftpflichtansprüche der Angehörigen des Versicherungsnehmers wie Ansprüche aufgrund des Nichteintretens von Gewinn- oder Rendite­erwartungen. Andere wichtige Aspekte wie etwa der lückenlose Übergang des Versicherungsschutzes bei Risikoträgerwechsel sind gar nicht geregelt.

Deckungsinhalte entscheidend

Dennoch ist die Vermögensschadenhaftpflichtversicherung kein „Hexenwerk“. Ihren besonderen Charakter erhält sie durch den Umstand, dass sie für jeden Versicherungsvermittler eine Art Lebensversicherung darstellt, denn bei hohen Schäden droht der Verlust der finanziellen Substanz. Daher ist jeder Vermittler gut beraten, sich bei der Auswahl der persönlichen Berufshaftpflichtversicherung auch näher mit den Deckungsinhalten zu beschäftigen und sich nicht nur an den Prämien zu orientieren. Es kann sonst im Schadenfall eine Deckungslücke bestehen, die im schlimmsten Fall die Existenz kosten kann. Beispiele dafür gibt es bereits heute genug.

Der Versicherungsschutz sollte – wie bei jeder anderen Versicherung auch – grundsätzlich den Bedürfnissen und der individuellen Situation des Versicherungsnehmers entsprechen. Eine fachkundige Beratung kann helfen, den passenden Versicherungsschutz zu finden. Wenig hilfreich sind lediglich plakative Werbeaussagen der Anbieter, ins­besondere dann, wenn sie geeignet sind, den Vermittler zu Leichtfertigkeit zu verführen. So etwa, wenn der „Spezialist“ damit wirbt, dass die gesetzliche Dokumentationspflicht in seiner Police nicht als besondere Obliegenheit genannt sei. Natürlich befreit eine Police dieses Inhalts den Versicherungsvermittler nicht von seinen gesetzlichen Beratungs- und Dokumentationspflichten. Möglicherweise wird aber dieser Eindruck bewusst oder unbewusst von dem „Spezialisten“ erzeugt. Im Schadenfall ist hier der Vermittler der Verlierer.

Neuerdings wird auch der Verzicht des Versicherers auf das Sonderkündigungsrecht nach einem Schadenfall als besonderes Highlight beworben. Das Recht des Versicherers auf ordentliche Kündigung des Vertrages zur Hauptfälligkeit wird dadurch nicht berührt. Ergo: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Das Problem wäre so oder so die Anschlussversicherung. Noch gibt es ausreichende Kapazitäten im Markt. Andernfalls müsste über einen Kontrahierungszwang nachgedacht werden, den der Gesetz­geber in der Gesetzesbegründung zur Einführung der Versicherungspflicht im Jahr 2007 als mögliche Folge mangelnder Kapazitäten ausdrücklich in den Raum gestellt hat. Der Verzicht ist also „nice to have“, aber zurzeit nicht existenziell.

Von existenzieller Bedeutung ist dagegen eine ausreichende Versicherungssumme. Die gesetzliche Versicherungssumme wird bei Versicherungsrisiken mit hohem wahrscheinlichen Höchstschaden (PML) in der Regel nicht annähernd ausreichen. Dann muss die Summe bedarfsgerecht angehoben werden.

Soweit neben Versicherungen auch Finanzanlagen und/oder Immobiliardarlehen vermittelt werden, ist auf die entsprechende gesetzliche Versicherungspflicht zu achten.

Über den Tellerrand hinausschauen

Neben dem Produkt sollten auch Bestandsgröße und -zusammensetzung, Schadenquote und Erfahrung des Anbieters betrachtet werden, sofern dies möglich ist. Dumpingprämien haben in der Vermögensschadenhaftpflichtversicherung nichts zu suchen. Sie sind auch hier nur ein Beschleuniger von schlechten Schadenquoten und damit instabilen Vertragsbeständen. Die Folge sind Prämienerhöhungen und/oder Versichererhopping sogenannter „Konzeptanbieter“. Was das dann für den Versicherungsschutz der betroffenen Vermittler bedeutet, ist meist ungewiss und selten vorteilhaft.

Fazit

Die Vermögensschadenhaftpflichtversicherung ist für Vermittler mehr als nur Vertrauenssache, sie ist die Existenzgrundlage für ihr tägliches Handeln. Die Auswahl der persönlichen Berufshaftpflichtversicherung als Basis für die Berufsausübung des Vermittlers bedarf daher einer genauen Untersuchung des zu versichernden Risikos. Das gilt insbesondere, wenn Versicherungsvermittler oder Verbände „Konzepte“ anbieten. Konzepte sind keine Verträge. Es drängen sich zahlreiche Fragen auf. Ist der Verband der Vermittler? Oder steht ein Vermittler hinter dem Verband? Wie sind die recht­lichen Beziehungen? Bin ich selbst Versicherungsnehmer oder nur „mitversichert“? Gibt es Informationen über die Beratungsgrun­dlage des Vermittlers? Gibt es eine Beratungsdokumentation? Wer bearbeitet Schäden? Mit welchem Know-how? Welche Schadenerfahrung gibt es? Gibt es Antworten? Versicherungsvermittler sollten in eigenen Angelegenheiten mindestens so kritisch sein wie bei ihren Kunden.

Über den Autor

Hans-Ludger Sandkühler ist aus­gewiesener Experte in Maklerfragen, gefragter Referent und Autor zahlreicher Veröffentlichungen. Außerdem ist er Mitinitiator des Arbeitskreises „Beratungsprozesse“ sowie Geschäftsführer des Instituts für Verbraucherfinanzen.

Den Artikel lesen Sie auch in AssCompact 06/2021, Seite 80, und in unserem ePaper.

Bild: © thodonal – stock.adobe.com