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21. Juli 2021
Die Stornohaftung im Versicherungsvertrieb

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Die Stornohaftung im Versicherungsvertrieb

Rechtsprechung

Auch die Rechtsprechung prüft und sanktioniert die Bildung der Stornohaftung. So ist geklärt, dass Unternehmen stets jede Buchung zweifelsfrei nachweisen können müssen und die Beweislast dafür tragen, welche Stornoreserve sie gegenüber einem Handelsvertreter beanspruchen können. Erfolgt keine korrekte Abrechnung oder bestehen Zweifel an einer solchen, kann der Handelsvertreter die Abrechnung der Bildung der Stornoreserve schlicht bestreiten. Unternehmen schulden auch dann stets Abrechnung und Offenlegung im Sinne eines Buchauszugs (OLG Karlsruhe, Urteil vom 13.09.2017 – Az.: 15 U 7/17).

Deshalb lässt es die Rechtsprechung auch nicht zu, abstrakte und unkonkrete Klauseln zu vereinbaren, dies dem Versicherer oder dem Finanzdienstleistungsunternehmen gestatten, eine Stornoreserve auch über ein bestehendes Provisionshaftungsvolumen hinaus einzubehalten (OLG Köln, Urteil vom 09.09.2005 – Az.: 19 U 174/04).

Auch in zeitlicher Hinsicht können sich die Unternehmen nicht über das Vertragsende hinaus­gehend durch eine Stornohaftungsberechtigung im Sinne einer Ewigkeitsklausel absichern. Auch insoweit ist die Rechtsprechung streng, indem sie klarstellt, dass formularmäßige Bestimmungen in einem Vermittlervertrag, wonach der Anspruch des Vertreters auf Auszahlung der Stornoreserve nach dessen Ausscheiden erst in dem Zeitpunkt entstehen soll, in dem sämtliche Forderungen des Unternehmens gegen ihn ausgeglichen sind und sämtliche Verträge sich außerhalb der Haftungszeit befinden, unwirksam sind, weil sie den Handelsvertreter entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen (OLG Düsseldorf Urteil vom 26.10.2012 – Az.: I-16 U 134/11).

Die „strafrechtliche Komponente“

Soweit ersichtlich, haben sich die rechtlichen Auseinandersetzungen um die Rückforderung von Stornoreserven bisher auf zivilrechtliche Verfahren erstreckt. Damit ist jedoch noch nicht für die Zukunft geklärt, ob einer massiven und strukturierten Einbehaltung von Stornoreserven ohne Rechtsgrundlage auch eine sogenannte „strafrechtliche Komponente“ anhaftet. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Provisionsauszahlungspflicht gegenüber dem Handelsvertreter eine Kardinalpflicht des Unternehmens darstellt und deshalb für den Handelsvertreter schlicht nicht einmal verzichtbar ist (Hopt in: Baumbach/Hopt, a. a. O.). Wenn nun die übergesetzliche Einbehaltung von Stornoreserven dazu führt, dass der Handelsvertreter in eine finanzielle Abhängigkeit gerät und Auszahlungen mehr oder minder von dem „Goodwill“ des Unternehmens abhängig sind/werden, dann könnte hierin auch eine systematische und gegebenenfalls sogar gewerblich praktizierte Untreue in einer Vielzahl von Fällen im Sinne des § 266 StGB gesehen werden.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat insoweit bereits vor über zwei Jahrzehnten entschieden, dass auch das „Verwalten von Geld“ für den Auftraggeber (konkret hier: für den „Handelsvertreter“ bis zum Ablauf der Stornohaftungszeit) dafür spreche, dass dessen Vermögensinteressen im Rechtssinne und dem Verständnis der Strafnorm wahrgenommen würden (NJW 60, S. 1629; BGHSt 41, S. 224, 226). So kann das Nichtabführen von Provisionen durchaus den Untreuetatbestand gemäß § 266 StGB erfüllen (BGH, Beschluss vom 21.10.1997 – 1 StR 605/97 (LG Deggendorf).

Es bleibt deshalb abzuwarten, wie die Strafrechtsprechung bei ungesetzlicher und massiver Einbehaltung von Stornoreserven zur Unterdrucksetzung der vertraglich gebundenen Handelsvertreter entscheiden wird. Entwicklungen in diese Richtung werden aufmerksam verfolgt und zu gegebener Zeit publiziert.

Ausblick und Empfehlung

In der Krise eines Handelsvertretervertrages machen Unternehmen häufig Druck, um im Falle einer ordentlichen Kündigung zum Nachteil des Handelsvertreters Einfluss auf den handelsrechtlichen Ausgleichsanspruch gemäß § 89b HGB, die Freistellungsvergütung in der ordentlichen Kündigungsphase und nicht zuletzt auch auf die Abrechnung der Stornohaftungsreserve zu nehmen.

Den betroffenen Handelsvertretern kann man nur ans Herz legen, sich schlicht eine Abrechnung der auf sie gebildeten Stornohaftungsreserve vorlegen zu lassen. Aus der Reaktion hierauf wird man bereits auf die ordnungsgemäße Provisionsabrechnung und die Belastbarkeit der Buchhaltung des Unternehmens schließen können.

Im Zweifel empfiehlt es sich, solche Auskunftsansprüche mit einem Buchauszug des Handelsvertreters gemäß § 87c Abs. 2 HGB zu flankieren, um die Abrechnungen des Unternehmens umfassend überprüfen und gegebenenfalls durch Einleitung förmlicher Verfahren korrigieren zu können.

Den Artikel lesen Sie auch in AssCompact 07/2021, Seite 98 ff., und in unserem ePaper.

Bild: © MQ-Illustrations – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Jens Dietrich Sprenger, LL.M.