Die Stornohaftung im Versicherungsvertrieb bleibt ein Mysterium, an dessen Handhabung sich in der Welt der Finanzvermittler, Versicherungsgesellschaften und Bausparkassen die „Spreu vom Weizen“ trennt. Es bedarf keiner vertieften akademischen Ausführungen, dass im Versicherungsvertrieb die Unternehmen stets gehalten sind, einbehaltene Stornoreserven sukzessive nach Ablauf der gesetzlichen Haftzeit je Vertrag abzurechnen. Leider sieht die Praxis häufig anders aus.
Die Stornohaftung steht für eine Klausel, die häufig in Handelsvertreterverträgen zur Anwendung gelangt. Die Unternehmen vereinbaren mit dem Handelsvertreter einen beispielsweise 10%-igen Einbehalt der abzurechnenden Provisionen, die als Rücklage für den Storno-Haftungsfall unternehmensseitig gebildet wird.
Die Rechtslage zu dem Abrechnungsprozedere ist klar und unmissverständlich, die in der Praxis erlebten Abrechnungsprozesse sind hingegen immer wieder sehr fantasiereich, konturenlos individuell und Ausdruck einer jenseits von Recht und Gesetz geschaffenen Abrechnungsmethodik, die immer wieder beliebig zulasten der Vermittler eingesetzt wird.
Die nachfolgende Darstellung gewährt einen Überblick über den rechtlichen Rahmen, die geübte Praxis und Überschreitungen, denen entgegenzutreten ist.
Erfahrungen aus der Praxis
Es bestehen bei der Auflösung/Abrechnung der aus Stornohaftungsgründen einbehaltenen Provisionen häufig Probleme. Anstatt die Stornohaftungsbeträge in Höhe der angefallenen Provisionen nach Ablauf der jeweiligen vertragsspezifischen Stornohaftungszeit wieder aufzulösen, akkumulieren Unternehmen diese bisweilen schlicht über die Gesamtlaufzeit des Handelsvertretervertrages. In den Handelsvertreterverträgen getroffene Vereinbarungen gehen insoweit immer wieder deutlich über den gesetzlich gesteckten Rechtsrahmen hinaus. Bisweilen sieht man Regelungen, in denen sich Unternehmen neben dem prozentualen Einbehalt „weitere Storno-Einbehalte nach billigem Ermessen“ einräumen lassen oder vertragliche Klauseln vereinbaren, gemäß derer das Unternehmen zudem berechtigt sein soll, „von der abgerechneten Provision einen Abzug zur Abdeckung des Vertrauensschadenrisikos vorzunehmen“. Zudem werden sogar Ewigkeitsklauseln vereinbart, die das Unternehmen berechtigen sollen, „die Stornoreserve nicht vor Ablauf des letzten Stornohaftungsmonats aller über das Unternehmen vermittelten und abgerechneten Geschäfte auszubezahlen“.
Unternehmen, die den gesetzlichen Rahmen der Stornohaftung insbesondere auch in ihrem zeitlichen Anwendungsbereich massiv überreizen, dürften wohl bereits aus administrativen, organisatorischen und technischen Gründen massive Schwierigkeiten haben, nachträglich auf Abrechnungsforderung die je einzelnem Vertrag abzurechnende Stornohaftung rückwirkend exakt und datumsgenau abzurechnen. Solche Probleme treten häufig dann auf, wenn ein bereits über Jahre nicht abgerechnetes Stornohaftungskonto plötzlich durch anwaltliche oder gerichtliche Hilfe abzurechnen ist. In solchen Situationen stellt sich dann gelegentlich heraus, was von gewissen Vertriebsstrukturen wohl intendiert ist, die Auszahlung der einbehaltenen Stornoreserve nach dem „Zuckerbrot und Peitsche“-Prinzip von der Gefälligkeit der Geschäftsleitung abhängig zu machen. Man hat auch schon gesehen, dass die über Jahre akkumulierten Konten der Stornohaftungsreserve zu zweckfremden Mitteln, beispielsweise Firmenreisen/Incentives eingesetzt wurden und der Rückzahlungsanspruch sodann in der Willkür der Geschäftsleitung aufging.
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