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21. Oktober 2020
Die neue Transparenz am Immobilienmarkt

Die neue Transparenz am Immobilienmarkt

Wohnimmobilien sind wieder große Krisengewinner. Das kurbelt auch die Chancen für den Vertrieb begleitender Finanzprodukte an. Präzise und aktuelle Immobilien- und Standortinformationen sind dafür wichtiger denn je. Doch traditionelle Verfahren reichen nicht mehr aus. Abhilfe schaffen neue Technologien.

Von Christian Crain, Geschäftsführer der PriceHubble Deutschland GmbH

Auch an der Immobilienbranche geht die Corona-­Pandemie nicht spurlos vorüber. Dabei hat es die Asset-Klassen unterschiedlich getroffen und es hat sich wieder einmal gezeigt, dass insbesondere die Asset-Klasse der Wohnimmobilien wertstabil und krisenfest ist. Das haben auch viele Investoren erkannt und so prüfen nicht nur private Kapital­anleger und Investoren neue Objekte, sondern auch Kapitalverwaltungsgesellschaften (KVGs), die ihre Wohnimmobilienbestände ausbauen möchten. Der Transaktionsmarkt in diesem Segment gewinnt an Auftrieb und damit auch alle, die entlang der Wertschöpfungskette Immobilie tätig sind.

AVMs vs. traditionelle Bewertungsverfahren

Wer in Wohnimmobilien investieren möchte, muss den Markt und den Standort sehr gut kennen, muss Entwicklungen und Trends im Auge haben. Traditionelle Verfahren der Immobilienbewertung und Standortanalyse greifen vor allem auf historische Daten für die Analyse zurück und können damit nur schwer echte Prognosen stellen. Insbesondere der Bereich der Immobilienbewertung ist erst mit Verspätung in das Thema Digitalisierung gestartet. Auch deshalb, weil er bisher sehr reguliert und traditionsbehaftet aufgestellt war. Die technologischen Entwicklungen der vergangenen Jahre aus wachsenden digital verfügbaren Datenmengen, leistungsfähigeren Prognose-Algorithmen – Stichwort Machine Learning – und durch Cloud-Computing praktisch unbegrenzter, kostengünstiger Rechenleistung und Speicherkapazität – Stichwort Big Data – sind aber enorm und bieten unschätzbaren Mehrwert für alle, die direkt oder indirekt mit dem Asset „Immobilie“ arbeiten. Das umfasst neben Immobilienmaklern, Investoren, Projektentwicklern und Asset-Managern auch Banken, Finanzdienstleister und Versicherer, die mittelbar Produkte rund um die Immobilie vertreiben.

So können im Bereich der Immobilienbewertung mit sogenannten AVMs (Automated Valuation Models) unter Einsatz von Big Data Analytics, Machine Learning und künstlicher Intelligenz präzise Immobilienwerte ermittelt werden. Angaben wie der aktuelle und prognostizierte Markt- und Mietwert, Marktdynamiken im Umfeld und Lagekriterien wie zum Beispiel Geräuschpegel, Erreichbarkeit, Sonneneinstrahlung oder die Qualität der Aussicht fließen dazu ebenso ein wie etwa geplante Neu­bauprojekte in der Umgebung oder sozioökonomische Entwicklungen in der Nachbarschaft. So können auch nicht-lineare Zusammenhänge zwischen Preisen und wertrelevanten Merkmalen abgebildet werden.

Der Vorteil der Digitalisierung liegt dabei auf der Hand. Nach einer Anfangsinvestition ist es möglich, praktisch jede Immobilie mit nur einem Knopfdruck möglichst präzise und exakt zu bewerten, wenn alle preisrelevanten Daten vorliegen. Das System ist darauf ausgerichtet, alle Daten des Objekts, angefangen bei den Kerndaten der Immobilie wie etwa Größe, Lage, Baujahr und Qualität auch Daten des Umfeldes, die Qualität der Ausstattung und auch Entwicklungen des Marktes in komplexe Zusammenhänge zu bringen, um so nicht nur den statistisch wahrscheinlichsten Markt- oder Mietpreis der Immobilie, sondern auch einen Ausblick auf die Entwicklung des Wertes geben zu können. Im Vergleich zur traditionellen Bewertung sind damit echte Prognosen möglich.

Objektivität sticht Bauchgefühl

Ein weiterer Pluspunkt der AVMs ist ihre systemeigene Objektivität gegenüber einem traditionellen Wertgutachten, das immer einer gewissen Subjektivität unterworfen ist. So werden zwei verschiedene Gutachter mit hoher Wahrscheinlichkeit zu zwei verschiedenen Bewertungen kommen für ein und dasselbe Objekt, weil diese einfachen, regelbasierten Verfahren nicht in der Lage sind, komplexe Zusammenhänge bei der Preisbildung an Immobilienmärkten vollständig abzubilden, zum Beispiel Wechselwirkungen zwischen Eigenschaften. Um dies auszugleichen, müssen sie ihre Erfahrung und ihr „Bauchgefühl“ einbringen, die nicht standardisierbar sind. Damit kommen neueste AVMs nicht nur auf die objektive, sondern auch auf eine höchst präzise Wertschätzung, die je nach Menge und Qualität der zur Verfügung stehenden Daten auf eine Bewertungsgenauigkeit zwischen 5 und 15% Abweichung kommt, da das System immer das mathematische Modell ermittelt, das den Preisbildungsprozess am besten abbildet.

Neue Chancen für Investoren und Vertriebe

Die daraus entstehende hohe Informationsdichte schafft Transparenz imWohnimmobilienmarkt, der damit leichter zugänglich wird. Im Rahmen des Fortschritts durch Digitalisierung geht es also nicht nur darum, Prozesse zu optimieren und effizienter zu gestalten, sondern auch darum, gerüstet zu sein und auf künftige Entwicklungen am Immobilienmarkt richtig reagieren zu können. Mithilfe von AVMs kann der Wohnimmobilienmarkt schnell und präzise erschlossen werden.

KVGs zum Beispiel, die zuvor ihren Fokus auf Büroimmobilien gelegt haben, können damit ganze Portfolios aufbauen oder erwerben und mithilfe neuer Technologien präzise bewerten und effizient bewirtschaften. Die Kleinteiligkeit der Asset-Klasse ist nicht länger ein Nachteil. Viele Prozesse im Bereich des Asset- und Property-Managements von Wohnimmobilien lassen sich standardisieren und somit skalieren, sodass die Menge der Immobilien nicht mehr ausschlaggebend ist.

Darüber hinaus profitieren auch alle, die mittelbar am Wohnimmobilienmarkt agieren, wie Vertriebe von Finanz- und Versicherungsprodukten. Nicht nur können sie mithilfe genauer Objekt- und Standortdaten potenzielle neue Kundengruppen anziehen, sondern auch Bestandskunden besser beraten und begleitende Finanz- und Versicherungsprodukte rund um die Asset-Klasse Wohnen anbieten, auch wenn diese vorher nicht zu ihrem Kerngeschäft gehörten.

Möglichkeiten wie nie zuvor

Informationen schaffen immer einen Vorsprung. Big Data gibt die Möglichkeit, so viele Daten zu verarbeiten und miteinander in Korrelation zu stellen wie nie zuvor. Die fortschreitende Entwicklung der Technologie wird es künftig ermöglichen, bisher noch nicht messbare Effekte ebenfalls zu erkennen und beispielsweise Gentrifizierungseffekte früher zu identifizieren. Die Maschine wird den Menschen dabei nicht ganz ablösen, aber dieser wird sich künftig stärker auf die nicht automatisierten Bereiche fokussieren wie die individuelle fachkundige Beratung von Kunden in allen Bereichen der Wertschöpfungskette. Die Digitalisierung wirkt als Katalysator, um alle Potenziale optimal auszuschöpfen, sowohl beim Mensch als auch bei der Maschine.

Den Artikel lesen Sie auch in AssCompact 10/2020 und in unserem ePaper.

 
Ein Artikel von
Christian Crain