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Steuern & Recht
26. Februar 2019
Dürfen Versicherer bei Maklern hineinregieren? (Teil I)

Dürfen Versicherer bei Maklern hineinregieren? (Teil I)

In Maklerkreisen wird immer wieder diskutiert, ob und wie weit Versicherer sich in die Belange der Makler einmischen dürfen, sei es durch Vorgabe von Regularien, durch Überprüfung etwaiger Regularien, aus eigenem Antrieb oder in Erfüllung gesetzlicher Vorschriften. Teilweise wird sogar davon gesprochen, dass Versicherer in majestätischer Verblendung in Maklerbüros „hineinregieren“. Die Antwort auf die Frage ist komplex und hat verschiedene Facetten, sagt Rechtsanwalt Hans-Ludger Sandkühler.

Verhaltenskodex für den Vertrieb

Entzündet hat sich die ganze Diskussion vor allem am Vertriebskodex des GDV, den der Verband vor einiger Zeit veröffentlicht hat. Zur Erinnerung: Bekanntlich hatte der GDV seinen Verhaltenskodex für den Vertrieb erweitert und verschärft. Der überarbeitete Kodex enthält vor allem neue Inhalte zu Compliance und Weiterbildung. Versicherer wollen zudem die Umsetzung des Kodex in ihren Unternehmen durch Wirtschaftsprüfer prüfen lassen und nur noch mit Versicherungsvermittlern zusammenarbeiten, die die im Kodex verankerten Grundsätze anerkennen und praktizieren. Hintergrund: Die Versicherungswirtschaft will einen sauberen Vertrieb, keine schwarzen Schafe und keine Fehlberatungen aus Provisionsinteressen. Deshalb sei der bestehende Verhaltenskodex erweitert und verschärft worden. Er solle nicht nur auf dem Papier stehen, sondern in der Branche Tag für Tag für jeden Kunden sichtbar gelebt werden.

Verhaltensrichtlinien für Makler?

Eine Formulierung des Kodex sorgt für Auslegungsschwierigkeiten: Versicherungsunternehmen geben sich für ihre (!) Mitarbeiter und Vermittler Compliancevorschriften. Zwischen Maklern und Vertretern wird nicht unterschieden. Beabsichtigt die Versicherungswirtschaft, Maklern Verhaltensrichtlinien zu geben? Nein. Versicherungsunternehmen und GDV haben keine Rechtsetzungsbefugnisse und können deshalb keine verbindlichen Verhaltensrichtlinien für Versicherungsmakler erlassen. Das wissen auch die im GDV organisierten Versicherungsunternehmen. Sie wollen deshalb mittelbar auf die Maklerschaft einwirken: Sie verpflichten sich selbst, nur noch mit Versicherungsmaklern zusammenzuarbeiten, die den Compliancevorstellungen der Versicherungsunternehmen entsprechen.

Ein deutliches politisches Signal an die Maklerschaft. Die Versicherungsunternehmen wollen die Katharsis für die gesamte Branche und für alle Beteiligten. Weg von Budapest und weg mit den unsäglichen Typen, den schillernden Vermittlern mit Pelzmantel, offenem Hemd und Zigarre, diesem Zerrbild der Finanzhaie. Das ist sinnvoll und notwendig, also mehr als nur in Ordnung. Dabei haben Versicherer die Freiheit, selbst darüber bestimmen zu können, ob, mit wem und unter welchen Voraussetzungen sie im Vermittlungsbereich zusammenarbeiten wollen. Dennoch war die Vorgehensweise strategisch mehr als ungeschickt: Warum hat der GDV nicht von Vornherein die Vermittlerschaft in ihre Überlegungen einbezogen? Wie heißt das so schön auf Neudeutsch? Die Vermittler abholen! Da gibt es doch gemeinsame Interessen.

Eigener Kodex für Versicherungsvermittler

Vermittlerverbände haben sich längst eigene Verhaltensmaßstäbe verordnet. Und für nicht organisierte Versicherungsvermittler hat ein Arbeitskreis aus verschiedenen Verbänden einen „Basis-Kodex für Versicherungsvermittler“ entwickelt:

„Compliance- und Verhaltensregeln für Versicherungsmakler und Mehrfachvertreter

– nachfolgend auch Versicherungsvermittler genannt – Für die Ausübung meiner Tätigkeit als Versicherungsvermittler lege ich die nachfolgenden Regeln zugrunde:

1. Die Tätigkeit als Versicherungsvermittler erfolgt auf der Basis von Vertrauen, Integrität und der Bindung an die Grundsätze eines ehrbaren Kaufmanns bzw. Versicherungsmaklers.

2. Kernbestandteil der Vermittlungstätigkeit ist die Beratung des Kunden, die sich an seinen Bedürfnissen orientiert und bei Versicherungsmaklern regelmäßig aus der Breite des Marktes erfolgt. Das berechtigte Interesse des Kunden hat Vorrang vor dem eigenen Vergütungsinteresse.

3. Die allgemeinen Compliance-Regeln finden Beachtung. Hierzu zählen insbesondere die Einhaltung der strafrechtlich relevanten Regelungen zu Bestechung und Bestechlichkeit (vgl. § 299 StGB), der klare Umgang mit Geschenken, Einladungen und sonstigen Zuwendungen sowie Regeln zur Vermeidung von Kollisionen von privaten und geschäftlichen Interessen.

4. Beim Umgang mit persönlichen und vertraulichen Daten werden die gesetzlichen Vorschriften beachtet. Des Weiteren werden die datenschutzrechtlichen und wettbewerbsrechtlichen Vorschriften eingehalten.

5. Die ordnungsgemäße Dokumentation einer gesetzlich vorgeschriebenen Beratung erfolgt mit besonderer Sorgfalt. Es wird dabei beachtet, dass der Gesetzgeber einen Verzicht auf Beratung und/oder Dokumentation nur als Ausnahme vorgesehen hat.

6. Zu den Grundlagen der Versicherungsvermittlertätigkeit gehört die Beratung und Betreuung des Versicherungsnehmers auch nach Vertragsschluss während der Dauer des Versicherungsverhältnisses, insbesondere im Schaden- und Leistungsfall.

7. Bei einer Abwerbung bzw. einer Umdeckung eines Versicherungsvertrages wird stets das Kundeninteresse beachtet. Der Kunde ist zu bereits bestehenden Versicherungsverträgen zu befragen. Insbesondere im Lebens- und Krankenversicherungsbereich kann eine Abwerbung von Versicherungsverträgen oft mit erheblichen Nachteilen für den Kunden verbunden sein. Der Kunde ist in jedem Fall über einen eventuell in diesem Zusammenhang entstehenden Nachteil ausdrücklich aufzuklären. Dies ist Bestandteil der Dokumentation.

8. Die stetige Weiterbildung ist Grundlage der geschäftlichen Tätigkeit als Versicherungsvermittler. Entsprechende Nachweise der Weiterbildung werden stets vorgehalten.

9. Bei Vergütungsregelungen mit Versicherungsunternehmen, insbesondere über Sondervergütungen etc., wird beachtet, dass die Unabhängigkeit der Tätigkeit als Versicherungsvermittler, speziell als Versicherungsmakler, keine Beeinträchtigung erfahren darf.

10. Das bewährte Ombudsmannsystem der Versicherungswirtschaft bietet dem Kunden ein unabhängiges, unbürokratisches System zur Beilegung von Meinungsverschiedenheiten nicht nur mit Versicherungsunternehmen, sondern auch mit Versicherungsvermittlern. Der Kunde wird vom Versicherungsvermittler auf das bestehende System in geeigneter Form hingewiesen.“

Praktische Umsetzung

Inzwischen haben Versicherer Makler angeschrieben und sie gebeten, „bei ihrer Tätigkeit als Versicherungsvermittler sicherzustellen, dass die Grundgedanken der im Kodex der Versicherungswirtschaft niedergelegten Regelungen in ihrer Arbeit Berücksichtigung und Beachtung finden“. Der Versicherer „sehe daher den ‚Basis-Kodex für Versicherungsvermittler‘ als Geschäftsgrundlage der Zusammenarbeit an“. Zusätzlich macht der Versicherer darauf aufmerksam, dass er „im Falle von Kundenbeschwerden die Beachtung der Regeln in der Vertriebspraxis überprüfen werde“.

Der „Basiskodex“ für Versicherungsvermittler enthält nichts, was dem Selbstverständnis des Versicherungsmaklers als Sachwalter seiner Kunden entgegenlaufen könnte. Im Gegenteil: Wer sich als Makler in dem Basiskodex nicht wiederfindet, hat Veranlassung, sein Selbstverständnis zu überprüfen. Und wenn Versicherer sich vorbehalten, die Zusammenarbeit mit Maklern zu beenden, die gegen den Grundgedanken des Kodex massiv verstoßen, ist das vollkommen in Ordnung. Denn damit halten sich Versicherer nur an den eigenen Kodex. Von „Hineinregieren“ keine Spur.

Echte Makler sind im Ergebnis gar nicht betroffen. Sie machen einfach weiter wie bisher. Als Sachwalter.

Den Artikel lesen Sie auch in AssCompact 01/2019, Seite 74 f.

 
Ein Artikel von
Hans-Ludger Ssndkühler