Ein Kolumne von Björn Thorben M. Jöhnke, Fachanwalt für Versicherungsrecht und Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte
Eine Dynamik ist die dynamische Anpassung der Berufsunfähigkeitsversicherung an die Lebensumstände des Versicherungsnehmers sowie die Anpassung an die Inflation. Diese Anpassung wird in der Regel durch eine Erhöhung der zu zahlenden Beiträge erreicht. Durch die Erhöhung steigt die bei Eintritt des Versicherungsfalls zu zahlende Berufsunfähigkeitsrente. Der Versicherungsnehmer muss bei der Erhöhung der Beiträge meist keine neue Gesundheitsprüfung durchlaufen.
Neben der Beitragsdynamik gibt es auch die Möglichkeit, eine Leistungsdynamik zu vereinbaren. Diese bezieht sich auf den Eintritt des Versicherungsfalls. Im Gegensatz zur Beitragsdynamik, die die zu zahlende Rente bis zum Eintritt des Versicherungsfalls erhöht und dann im Leistungsfall aussetzt, wird bei der Leistungsdynamik vereinbart, dass sich die Berufsunfähigkeitsrente während des Leistungszeitraums um einen bestimmten Prozentsatz erhöht.
Übersicherung durch Dynamik möglich?
Versicherte können der jährlichen Erhöhung der Beiträge bzw. Renten in der Regel widersprechen. Dazu gilt es, die individuellen Vereinbarungen mit dem Versicherer zu beachten. Aber was passiert, wenn der Versicherte den Dynamisierungen nicht widerspricht und die im Leistungsfall zu zahlende Berufsunfähigkeitsrente das Gehalt des Versicherungsnehmers übersteigt? Hier gilt Entwarnung für den Versicherungsnehmer. Da die Berufsunfähigkeit eine Summenversicherung ist, findet die Vorschrift des § 74 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) keine Anwendung. Der Versicherer kann die Versicherungsleistung also nicht entsprechend dem Einkommen des Versicherungsnehmers anpassen, sondern muss die vertraglich zugesicherten Leistungen in voller Höhe erbringen (siehe auch: „Darf der Versicherer eigentlich die BU-Rente kürzen?“).
Leistungskürzung via „Übersicherungsklausel“?
Bei einer „Übersicherung“ schneidet der Versicherer also im Zweifel schlecht ab und muss dem Versicherungsnehmer trotz möglichem Missverhältnis die geforderte Berufsunfähigkeitsrente zahlen. Dieses „Problem“ versuchen manche Versicherer über eine Klausel in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) zu umgehen, indem sie Versicherten auferlegen, eine mögliche Übersicherung jährlich selbst zu überprüfen und bei entsprechender Feststellung einen Widerspruch einzulegen. Auch lassen sich im Zuge dessen Klauseln finden, bei denen sich der Versicherer vorbehält, bei unterlassenem Widerspruch die Höhe der Berufsunfähigkeitsrente an das tatsächliche Gehalt des Versicherten anzupassen.
Beispielhaft könnten die entsprechenden Klauseln wie folgt lauten:
„Welche sonstigen Bestimmungen gelten für die Erhöhungen der Versicherungsleistungen?
Voraussetzung für die Dynamik von Berufsunfähigkeitsleistungen ist eine stets angemessene Relation der Rente zum Einkommen des Versicherten. Übersteigt die gesamte Jahresrente 25.200 Euro und übersteigt die Rente einschließlich bestehender Berufsunfähigkeitsanwartschaften 70% des jährlichen Bruttoeinkommens, ist der Erhöhung zu widersprechen. Hierauf werden wir Sie in jedem Nachtrag über die Erhöhung hinweisen.
Stellen wir im Leistungsfall fest, dass zum Zeitpunkt einer Erhöhung keine angemessene Relation zum Einkommen gegeben war, sind wir von der Verpflichtung zur Leistung aus dieser Erhöhung frei. Die für diese Erhöhung aufgewendeten Beträge werden – unter Abzug bereits erhaltener Überschussanteile – unverzinst zurückerstattet.“
Aber sind diese Klauseln rechtlich haltbar?
Seite 1 BU-Versicherung: Was ist bei vertraglicher „Dynamik“ zu beachten?
Seite 2 Unwirksamkeit von Klauseln zur Übersicherung?
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