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10. November 2024
BU-Versicherung: Was ist bei vertraglicher „Dynamik“ zu beachten?
BU-Versicherung: Was ist bei einer vertraglichen „Dynamik“ zu beachten?

BU-Versicherung: Was ist bei vertraglicher „Dynamik“ zu beachten?

Beim Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung begegnet man dem Begriff der sogenannten „Dynamik“. Aber was ist eine Dynamik in der BU und was gilt es zu beachten? Diese Fragen erläutert Rechtsexperte Björn Thorben M. Jöhnke in seiner regelmäßig erscheinenden BU-Kolumne.

Ein Kolumne von Björn Thorben M. Jöhnke, Fachanwalt für Versicherungsrecht und Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte

Eine Dynamik ist die dynamische Anpassung der Berufsunfähigkeitsversicherung an die Lebensumstände des Versicherungsnehmers sowie die Anpassung an die Inflation. Diese Anpassung wird in der Regel durch eine Erhöhung der zu zahlenden Beiträge erreicht. Durch die Erhöhung steigt die bei Eintritt des Versicherungsfalls zu zahlende Berufsunfähigkeitsrente. Der Versicherungsnehmer muss bei der Erhöhung der Beiträge meist keine neue Gesundheitsprüfung durchlaufen.

Neben der Beitragsdynamik gibt es auch die Möglichkeit, eine Leistungsdynamik zu vereinbaren. Diese bezieht sich auf den Eintritt des Versicherungsfalls. Im Gegensatz zur Beitragsdynamik, die die zu zahlende Rente bis zum Eintritt des Versicherungsfalls erhöht und dann im Leistungsfall aussetzt, wird bei der Leistungsdynamik vereinbart, dass sich die Berufsunfähigkeitsrente während des Leistungszeitraums um einen bestimmten Prozentsatz erhöht.

Übersicherung durch Dynamik möglich?

Versicherte können der jährlichen Erhöhung der Beiträge bzw. Renten in der Regel widersprechen. Dazu gilt es, die individuellen Vereinbarungen mit dem Versicherer zu beachten. Aber was passiert, wenn der Versicherte den Dynamisierungen nicht widerspricht und die im Leistungsfall zu zahlende Berufsunfähigkeitsrente das Gehalt des Versicherungsnehmers übersteigt? Hier gilt Entwarnung für den Versicherungsnehmer. Da die Berufsunfähigkeit eine Summenversicherung ist, findet die Vorschrift des § 74 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) keine Anwendung. Der Versicherer kann die Versicherungsleistung also nicht entsprechend dem Einkommen des Versicherungsnehmers anpassen, sondern muss die vertraglich zugesicherten Leistungen in voller Höhe erbringen (siehe auch: „Darf der Versicherer eigentlich die BU-Rente kürzen?“).

Leistungskürzung via „Übersicherungsklausel“?

Bei einer „Übersicherung“ schneidet der Versicherer also im Zweifel schlecht ab und muss dem Versicherungsnehmer trotz möglichem Missverhältnis die geforderte Berufsunfähigkeitsrente zahlen. Dieses „Problem“ versuchen manche Versicherer über eine Klausel in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) zu umgehen, indem sie Versicherten auferlegen, eine mögliche Übersicherung jährlich selbst zu überprüfen und bei entsprechender Feststellung einen Widerspruch einzulegen. Auch lassen sich im Zuge dessen Klauseln finden, bei denen sich der Versicherer vorbehält, bei unterlassenem Widerspruch die Höhe der Berufsunfähigkeitsrente an das tatsächliche Gehalt des Versicherten anzupassen.

Beispielhaft könnten die entsprechenden Klauseln wie folgt lauten:

„Welche sonstigen Bestimmungen gelten für die Erhöhungen der Versicherungsleistungen?

Voraussetzung für die Dynamik von Berufsunfähigkeitsleistungen ist eine stets angemessene Relation der Rente zum Einkommen des Versicherten. Übersteigt die gesamte Jahresrente 25.200 Euro und übersteigt die Rente einschließlich bestehender Berufsunfähigkeitsanwartschaften 70% des jährlichen Bruttoeinkommens, ist der Erhöhung zu widersprechen. Hierauf werden wir Sie in jedem Nachtrag über die Erhöhung hinweisen.

Stellen wir im Leistungsfall fest, dass zum Zeitpunkt einer Erhöhung keine angemessene Relation zum Einkommen gegeben war, sind wir von der Verpflichtung zur Leistung aus dieser Erhöhung frei. Die für diese Erhöhung aufgewendeten Beträge werden – unter Abzug bereits erhaltener Überschussanteile – unverzinst zurückerstattet.“

Aber sind diese Klauseln rechtlich haltbar?

Unwirksamkeit von Klauseln zur Übersicherung?

Grundsätzlich besteht Vertragsfreiheit in Deutschland. Die Vertragsparteien können den Inhalt ihrer Verträge grundsätzlich selbst bestimmen. Besonders bei der Verwendung von AVB gegenüber Verbrauchern gilt aber ein besonderer Schutz für Versicherte. Die Wirksamkeit von Klauseln kann nämlich gerichtlich überprüft werden. Nach § 305 c Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) könnte es sich hier um eine überraschende Klausel handeln, da der Verbraucher nicht mit einer derartigen Klausel zu rechnen braucht. Dies wird besonders durch den Umstand unterstützt, dass eine Übersicherung nicht gesetzlich für die Berufsunfähigkeitsversicherung geregelt ist. Ginge man davon aus, dass es sich um eine überraschende Klausel handelt, wird sie nicht Bestandteil des Versicherungsvertrags, so dass der Versicherer sich nicht darauf berufen könnte.

Verstoß gegen das Transparenzgebot?

Aber auch bei der Annahme einer wirksamen Einbeziehung in den Vertrag könnte die entsprechende Klausel eine unangemessene Benachteiligung des Verbrauchers nach § 307 BGB darstellen. So kann in einer unverständlichen Formulierung, die den Versicherungsnehmer zur Überprüfung der Übersicherung auffordert, auch Berufsunfähigkeitsanwartschaften zu berücksichtigen, eine unangemessene Benachteiligung nach § 307 BGB gesehen werden, da gegen das Transparenzgebot verstoßen (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB) werden könnte. Versicherten könnte unklar sein, was von den Berufsunfähigkeitsanwartschaften überhaupt umfasst wird. So könnten neben weiteren Berufsunfähigkeitsversicherungen auch andere Rentenansprüche gemeint sein, wie zum Beispiel die Erwerbsminderungsrente. Nimmt man einen Verstoß gegen das Transparenzgebot an, wäre die Klausel unwirksam, so dass der Versicherer sich nicht darauf berufen könnte.

Praxistipp

Eine Dynamik in der Berufsunfähigkeitsversicherung stellt eine gute Lösung zum Ausgleich der Inflation und eine stetige Anpassung an den Lebensstandard des Versicherungsnehmers dar. Auch bezüglich der Gefahr der Übersicherung gilt, dass die Berufsunfähigkeitsversicherung als Summenversicherung grundsätzlich voll leisten muss. Bei Übersicherungsklauseln gilt jedoch besondere Aufmerksamkeit. Diese sollten zwingend auf ihre Wirksamkeit hin juristisch überprüft werden.

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