Ein Artikel von Kathrin Pagel, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Versicherungsrecht und Partnerin in der Kanzlei Michaelis Rechtsanwälte PartG
Der Versicherungsnehmer erhielt in einem vor dem Kammergericht Berlin (KG) verhandelten Fall (Urteil vom 08.08.2023 – Az. 6 U 32/22) zunächst aufgrund Berufsunfähigkeit Leistungen von seinem Berufsunfähigkeitsversicherer. Eine vom Versicherungsnehmer neu begonnene Tätigkeit in Teilzeit nahm der Versicherer zum Anlass, weitere BU-Leistungen einzustellen. Damit erklärte sich der Versicherungsnehmer nicht einverstanden und beschritt letztlich den Klageweg.
Wie allgemein bekannt, kann in der Berufsunfähigkeitsversicherung der Versicherer im bedingungsgemäßen Nachprüfungsverfahren über die Berufsunfähigkeit den Versicherungsnehmer auf eine neu ausgeübte Tätigkeit konkret verweisen. Dazu muss es sich bei der neu ausgeübten Tätigkeit aber um eine „Vergleichstätigkeit“ handeln. War das im vorliegenden Rechtsstreit der Fall?
BU-Versicherter macht Umschulung
Berufsunfähigkeit lag nach dem Vertrag des BU-Versicherers vor, „wenn die versicherte Person infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich sechs Monate ununterbrochen außerstande ist bzw. sechs Monate ununterbrochen außerstande war, ihren zuletzt ausgeübten Beruf auszuüben. Maßgeblich ist der zuletzt ausgeübte Beruf, so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war.“
Der Kläger war zuvor in gesunden Tagen als Vertriebsmitarbeiter in Vollzeit mit 40 Wochenstunden tätig. Diesen Beruf konnte er wegen des hochgradigen zervikalen Querschnittsyndroms, das alle vier Extremitäten betrifft und sich in Lähmungserscheinungen und einer Spastik zeigt, nicht mehr ausüben. Berufsunfähigkeit war somit eingetreten.
Später hatte der Kläger erfolgreich zum Steuerfachgehilfen umgeschult und eine Teilzeittätigkeit mit 15 Stunden pro Woche bei einem Steuerberater aufgenommen. Der Versicherer hielt diese Tätigkeit für mit der ursprünglichen Tätigkeit vergleichbar und stellte die BU-Leistungen ein. Zur Begründung führte er aus, das bisherige Arbeitseinkommen entspreche unter Berücksichtigung des verminderten Einkommens während der Elternzeit und Zeiten der Arbeitslosigkeit dem vorherigen. Eine durchschnittliche Minderung des Erwerbseinkommens sei zudem zu berücksichtigen, weil eine „wechselnde Erwerbsbiografie“ vorläge, die durch längere Arbeitslosigkeitszeiten und Elternzeit geprägt sei.
Versicherer beruft sich auf vergleichbare Tätigkeit
Nach den gängigen Bedingungswerken der Rechtsprechung ist eine konkrete Verweisung bei Wahrung der bisherigen Lebensstellung grundsätzlich möglich. Nach den vertraglichen Regelungen, vorliegend § 9 Abs. 1 der allgemeinen Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (BB-BUZ), war der Versicherer berechtigt, im Leistungsfall das Fortbestehen der Berufsunfähigkeit nachzuprüfen. Dabei darf auch geprüft werden, ob die versicherte Person eine andere vergleichbare Tätigkeit ausübt, wobei neu erworbene berufliche Tätigkeiten zu berücksichtigen sind. Ist die Berufsunfähigkeit auf unter 50% gesunken, wäre der Versicherer berechtigt, die Leistungen einzustellen, § 9 Abs. 4 BB-BUZ. Eine zwischenzeitlich erfolgte Verbesserung des Gesundheitszustandes war aufgrund der Schwere der Beeinträchtigungen nicht festzustellen. Der Versicherer hatte sich demnach nur noch darauf berufen, dass der Versicherungsnehmer zwischenzeitlich eine vergleichbare Tätigkeit ausüben würde.
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