Ein Artikel von Björn Thorben M. Jöhnke, Fachanwalt für Versicherungsrecht und Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte
An den geschlossenen Versicherungsvertrag sind beide Vertragsparteien naturgemäß gebunden. Der Vertrag kann also über Jahre bestehen, bis er abläuft oder von einer Vertragspartei beendet wird. Es können den Versicherern im Einzelfall jedoch Gestaltungsrechte entstehen, die es ihnen ermöglichen, sich bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen vorzeitig vom Versicherungsvertrag zu lösen.
Neben der Anfechtung (hier), dem Rücktritt (hier) und der Vertragsanpassung kann der Versicherer den Versicherungsvertrag kündigen und sich innerhalb einer Monatsfrist vom Vertrag lösen. Doch welche Voraussetzungen müssen gegeben sein, damit der Versicherer kündigen kann? Wer trägt die Beweislast für die maßgeblichen Umstände und welche Konsequenzen drohen dem Versicherungsnehmer? Was kann der Versicherungsnehmer tun, wenn sein Versicherungsvertrag vom Versicherer gekündigt wurde? Diese und weitere Fragen werden im Folgenden beantwortet.
Voraussetzungen der Kündigung
Ein ordentliches Kündigungsrecht des Versicherers für den Versicherungsvertrag ist grundsätzlich nicht vorgesehen. Jedoch kann der Versicherer gem. § 19 Abs. 3 S. 2 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) zur Kündigung berechtigt sein, wenn im Vorfeld des Vertragsschlusses eine Anzeigepflicht verletzt und der Versicherer ohne diese Pflichtverletzung den Vertrag nicht oder nicht so abgeschlossen hätte. Das Kündigungsrecht entsteht nur, wenn die Anzeigepflichtverletzung mindestens grob fahrlässig verletzt wurde. Denn dann steht dem Versicherer ein Kündigungsrecht gemäß § 19 Abs. 2 VVG zu.
Vorrangig ist jedoch auf eine Vertragsanpassung gemäß § 19 Abs. 4 VVG hinzuwirken. Kommt eine solche nicht in Frage, kann eine Kündigung des Versicherungsvertrags wegen vorvertraglicher Anzeigepflichtverletzung in Betracht kommen.
Die Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers
Vor Vertragsschluss stellt der Versicherer dem späteren Versicherten einige Gesundheitsfragen. Diese Fragen dienen der Risikoeinschätzung und der Prämienberechnung. Werden diese Fragen unvollständig oder falsch beantwortet, kann die Anzeigepflicht verletzt sein. Die Anzeigepflicht erstreckt sich grundsätzlich auf alle ausdrücklich gestellten Fragen im Versicherungsantrag.
In Ausnahmefällen kann den Versicherungsnehmer eine sogenannte „spontane Anzeigeobliegenheit“ hinsichtlich Informationen treffen, nach denen der Versicherer nicht ausdrücklich gefragt hat. Dies gilt aber nur bei Informationen, die für jeden erkennbar das Aufklärungsinteresse des Versicherers in elementarer Weise betreffen und es für den Versicherten auf der Hand liegt, dass es sich um eine bedeutende Information handelt.
Seite 1 BU: Die Konsequenzen der Kündigung durch den Versicherer
Seite 2 Verschuldensmaßstab der Anzeigepflichtverletzung
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