Zuletzt legte der BaFin-Präsident Mark Branson den Fokus auf die IT-Risiken, denen Banken und Versicherer als Teil des Finanzsystems unterliegen. In der Jahrespressekonferenz am Dienstag rückte er nun die Regulierung als solches in den Mittelpunkt.
Branson warnt vor dem Abrücken einer strikten Finanzregulierung. So betont er, dass Kapitalanforderungen an Banken und Versicherer nicht aufgeweicht werden dürften. Aufgrund der verbesserten Zinssituation waren zuletzt Rufe laut geworden, die Solvenzanforderungen zurückzufahren, um mehr in die digitale und nachhaltige Transformation der europäischen Wirtschaft investieren zu können. Gerade erst wieder hat der Europäische Versichererverband (Insurance Europe) ein entsprechendes Anliegen bei der EU-Kommission platziert. Dort treffen sich am Mittwoch Experten zum Austausch im Rahmen des Solvency-II-Review. Nach Auffassung des BaFin-Präsidenten wird der Erfolg eines gesamteuropäischen Finanzsystems aber entscheidend davon bestimmt, dass es sich als stabil und integer erweise sowie das Vertrauen aller Marktteilnehmer genieße.
Das Rad nicht zurückdrehen
Insofern dürfe die Kalibrierung der europäischen und nationalen Finanzregulierung nicht abgeschwächt werden. Allerdings müsse die Regulierung klarer und einfacher werden. „Wir brauchen stattdessen weniger Komplexität in der Regulierung und mehr Proportionalität“, führte Branson aus. Die Komplexität der Regulierung muss nach Ansicht des BaFin-Chefs auch deswegen reduziert werden, weil sie diskriminierend wirke: „Sie erschwert jungen Unternehmen den Markteintritt. Und sie belastet generell kleine Unternehmen besonders stark.“ So beklagen etwa mittelständische und kleinere Versicherer immer wieder, dass die Anforderungen gleichermaßen über alle Unternehmensgrößen und Gesellschaftsformen hinweg erfüllt werden müssen.
Erste Verbände begrüßen die Ausführungen des BaFin-Chefs
Branson hält fest: „Wir können unsere Aufsichtspraxis prägnanter zu Papier bringen. Wir können unsere Prozesse weiter verschlanken. Und das alles, ohne das Sicherheitsniveau zu senken.“
Ersten Anklang finden seine Worte bereits beim deutschen Bankenverband. „Mark Branson hat mit seinem Appell, die Finanzmarktregulierung zu vereinfachen und von Überlappungen zu befreien, einen wichtigen und richtigen Impuls gesetzt,“ sagt Heiner Herkenhoff, Hauptgeschäftsführer des Bankenverbands, nur wenige Stunden später. Und weiter: „Um die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands und Europas auch in Zukunft zu sichern, ist es höchste Zeit für eine effiziente, smarte Regulierung. Bestehende Widersprüche müssen aufgelöst, das gesamte Rahmenwerk konsistenter werden. Das muss eine der zentralen Aufgaben nicht nur für die Bundesregierung, sondern vor allem auch für die nächste EU-Kommission sein.“
Mit VOTUM hat sich auch der erste Vermittlerverband hinter die Forderungen gestellt. Geschäftsführender Vorstand Martin Klein betont: „Dieser Forderung können wir uns uneingeschränkt anschließen. Wie er zu Recht ausführt, geht es hier nicht um eine schwächere sondern um eine übersichtlichere Regulierung. Vor allem kleinere Unternehmen leiden unter hohem Regulierungsdruck und massivem Bürokratieaufwand. Mehr Proportionalität bei Regulierungen ist dringend nötig, um eine Diskriminierung von kleineren Marktteilnehmern zu verhindern.“
„Gerade Beratungsunternehmen, die ihre Kunden häufig langjährig betreuen, sehen sich mit ständig ausufernden Informations- und Dokumentationspflichten ohne echten Mehrwert für ihre Kunden konfrontiert. Marktzugänge für innovative Jungunternehmen werden durch den Bürokratie-Dschungel unpassierbar. Mark Branson macht sich daher zu Recht Sorgen um die Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Kapitalmarkts“ fügt Martin Klein hinzu.
Gleiches Verständnis aller nationalen Aufsichtsbehörden
Mit Blick auf Europa spricht Branson denn auch von der Notwendigkeit einer europaweiten Aufsichtskonvergenz mit gleich hohen Qualitätsstandards. Dafür brauche es auch ein gleiches Verständnis davon, wie Regelwerke umzusetzen sind. Die nationalen Aufsichtsbehörden und Regierungen sollten sich nicht in ein Wettrennen um Standortvorteile begeben, indem sie Unternehmen mit einer toleranten Aufsicht locken. Die europäischen Aufsichtsbehörden müssten dann entsprechend eingreifen.
Ein Beispiel kann Branson aus eigener Erfahrung einbringen: Die europäische Versicherungsaufsicht EIOPA hatte im vergangenen Jahr 18 Behörden schlechte Noten in der Wohlverhaltensaufsicht gegeben. Eine von den 18 war Deutschland. Branson: „An dem Thema arbeiten wir jetzt hart und wir haben auch schon gute Fortschritte gemacht. Von denen profitieren schon jetzt viele Kundinnen und Kunden. Die europäischen Aufsichtsbehörden sollten uns nationale Aufsichtsbehörden noch öfter und hartnäckiger auf Defizite hinweisen. Das wäre für uns alle hilfreich.“ (bh)
Bild: © Tobias Arhelger – stock.adobe.com
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