Der Paritätische Gesamtverband hat seinen aktuellen Armutsbericht 2020 veröffentlicht – mit alarmierenden Zahlen. Demnach befindet sich die Armutsquote in Deutschland mit 15,9% auf dem höchsten Wert seit der Wiedervereinigung. Rechnerisch sind damit mehr als 13 Millionen Menschen hierzulande arm. Bei den ohnehin schon besonders armutsbetroffenen Gruppen wie Alleinerziehenden, Arbeitslosen und kinderreichen Familien hat sich die Lage von 2018 auf 2019 noch einmal verschärft. Ein großer Teil der Erwachsenen, die in Armut leben, ist erwerbstätig (33,0%) oder in Rente (29,6%).
Armutsquote im Süden Deutschlands etwas geringer
Regional betrachtet stieg die Armut 2019 im Vergleich zum Vorjahr flächendeckend. Armutsgeografisch ist die Republik aber zweigeteilt: Im Süden verzeichnen Bayern und Baden-Württemberg eine gemeinsame Armutsquote von 12,1% und sind damit etwas besser gestellt als die anderen Bundesländer, die auf eine Quote von 17,4% kommen. Somit lebt außerhalb von Bayern und Baden-Württemberg im Schnitt jeder Sechste unterhalb der Armutsgrenze. Eine prekäre Entwicklung zeigt sich in Nordrhein-Westfalen, was Armutsdichte und Dynamik betrifft. Laut Bericht ist die Armutsquote in dem bevölkerungsreichen Bundesland seit 2006 zweieinhalbmal so schnell gestiegen wie die gesamtdeutsche Quote. Armutstreiber ist das Ruhrgebiet mit einer Quote von 21,4%.
Corona wird Armut verschlimmern
Angesichts der Corona-Krise warnt der Verband vor einer drastischen Verschärfung der Armut und sozialen Ungleichheit in 2020. Dies gilt vor allem für geringfügig Beschäftigten sowie junge Menschen, die Corona-bedingt schon jetzt die steigende Arbeitslosigkeit zu spüren bekommen. „Corona hat jahrelang verharmloste und verdrängte Probleme, von der Wohnraumversorgung einkommensschwacher Haushalte bis hin zur Bildungssegregation armer Kinder, ans Licht gezerrt“, sagt Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands.
"Armutspolitische Verweigerungshaltung" in Berlin
Der Bundesregierung muss sich vom Verband den Vorwurf einer „armutspolitischen Verweigerungshaltung“ Gefallen lassen. Die vorliegenden Daten zur regionalen Verteilung, Entwicklung und Struktur der Armut würden Deutschland als ein in wachsender Ungleichheit tief zerrissenes Land zeigen, in dem immer mehr Menschen ausgegrenzt und in Armut leben. „Volkswirtschaftliche Erfolge kommen seit Jahren nicht bei den Armen an und in den aktuellen Krisen-Rettungspaketen werden die Armen weitestgehend ignoriert. Was wir seitens der Bundesregierung erleben, ist nicht mehr nur armutspolitische Ignoranz, sondern bereits bewusste Verweigerung”, so die Kritik von Schneider.
Mehr finanzielle Unterstützung für Betroffene gefordert
Unter dem Motto „Gegen Armut hilft Geld” fordert der Wohlfahrtsverband eine sofortige Anhebung der finanziellen Unterstützungsleistungen für arme Menschen sowie armutsfeste Reformen der Sozialversicherungen. „Es klingt banal und wird bei vielen nicht gern gehört: Aber gegen Einkommensarmut, Existenzängste und mangelnde Teilhabe hilft Geld“, so Schneider. Konkret plädiert der Verband für eine Anhebung der Regelsätze in Hartz IV und der Altersgrundsicherung, für die Einführung einer Kindergrundsicherung sowie Reformen von Arbeitslosen- und Rentenversicherung.
VDK will Anhebung des Mindestlohns
Der Sozialverband VdK reagierte alarmiert auf die Ergebnisse des Berichts. VdK-Präsidentin Verena Bentele appelliert an die Politik, Armutsbekämpfung ganz oben auf die Agenda zu setzen. Es sei erschreckend zu sehen, dass auch Erwerbstätige betroffen seien. „Diese Menschen sind die armen Rentner von morgen“, so Bentele. Armut lasse sich sich nur mit guten Löhnen bekämpfen. Entsprechend fordert der VdK eine Anhebung des Mindestlohns auf 13 Euro. Außerdem solle das Rentenniveau dauerhaft auf mindestens 50% erhöht werden. (tk)
Bild: © R.Rose – stock.adobe.com
- Anmelden, um Kommentare verfassen zu können