AssCompact suche
Home
Steuern & Recht
25. Juni 2024
Anpassung der Betriebsrenten in Zeiten der Hochinflation

Anpassung der Betriebsrenten in Zeiten der Hochinflation

Die hohe Inflation hat auch Auswirkungen auf die Betriebsrenten. Wie ist mit dieser Entwicklung umzugehen? Ein Experte zeigt Handlungsoptionen auf, um Betriebsrentenanpassungen zu bewältigen.

Ein Artikel von Dr. Thomas Granetzny, Rechtsanwalt und Partner bei Freshfields Bruckhaus Deringer Rechtsanwälte Steuerberater PartG mbB, sowie Roland Sternisko und Lara Diederichs, wissenschaftliche Mitarbeiter bei Freshfields Bruckhaus Deringer Rechtsanwälte Steuerberater PartG mbB

Deutschland hat zuletzt einige Jahre von erheblicher Inflation hinter sich. Die Inflationsrate, die auf Grundlage des Verbraucherpreisindex (VPI) ermittelt wird, lag 2021 bei 3,1%, 2022 bei 6,9% und 2023 bei 5,9%. Hochinflationsphasen bringen stark steigende Lebenshaltungskosten und Kaufkraftverlust mit sich, was besonders für Bezieher von Betriebs­renten problematisch ist; die Inflation entwertet diese Ansprüche. Um sicherzustellen, dass Betriebsrenten mit dieser Entwicklung Schritt halten, verlangt § 16 Abs. 1 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG), dass Arbeitgeber alle drei Jahre die Anpassung der laufenden Betriebsrenten prüfen und dann ggf. anpassen.

Problembehandlung

Arbeitgeber haben zwei Möglichkeiten, den Anpassungsbedarf der Betriebsrente zu ermitteln. So gilt die Anpassungsprüfungspflicht des Arbeitgebers gem. § 16 Abs. 2 BetrAVG als erfüllt, wenn die Anpassung nicht geringer ist als der Anstieg des VPI (Nr. 1) oder der Anstieg der Nettolöhne vergleichbarer Arbeitnehmergruppen des Unternehmens (Nettolohnmethode) (Nr. 2) im jeweiligen Prüfungszeitraum. In Zeiten niedriger Inflation war eine Anpassung für Arbeitgeber, die sich am VPI orientieren, damit recht kostengünstig möglich. Doch mit der jüngsten Hochinfla­tionsphase stellt die Anpassung anhand des VPI durchaus eine Herausforderung dar. Für die (Beibehaltung der) Anpassung anhand des VPI spricht die öffentliche Verfügbarkeit erforder­licher Daten und die verhältnismäßig leichte Nachprüfbarkeit. Die Anpassung anhand des VPI führt aber jedenfalls bei einer anhaltenden Hochinflation dazu, dass sich erheblicher Anpassungsbedarf bildet, der schnell zu einer ernst­lichen Be- und ggf. Überlastung des Unternehmens führt.

Problemlösung: Handlungsalternativen für Arbeitgeber

Der Arbeitgeber steht vor der Wahl, entweder den aktuellen Anpassungsmechanismus beizubehalten und steigende Rentenausgaben zu akzeptieren oder nach Alternativen zu suchen. Dem Arbeitgeber stehen verschiedene Optionen zur Verfügung, den steigenden Mehrkosten entgegenzutreten und dennoch seine gesetzlichen Pflichten zu erfüllen. Eine Möglichkeit ist der Wechsel des Anpassungsmaßstabs gem. § 16 Abs. 1, 2 BetrAVG. Eine Alternative kann aber auch sein, dass der Arbeitgeber die Anpassung der Betriebsrenten ganz oder teil­weise aussetzt, soweit die Anpassungslast die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Unternehmens übersteigt.

Anpassung nach Maßgabe vergleichbarer Nettolöhne

Da die Löhne der aktiven Mitarbeiter zuletzt oft nicht mit der Inflationsrate Schritt halten konnten, würden bei der Anpassung am Maßstab des VPI die Renten oft stärker steigen, als dies bei einer Anpassung anhand der Nettolohnmethode der Fall wäre. Ein Übergang zur Anpassung anhand vergleichbarer Nettolöhne kann auf den ersten Blick eine Gleichstellung von aktiver Belegschaft und Rentnern bewirken. Auch diese Option ist aber im Einzelfall vor dem Hintergrund der Versorgungslandschaft im Unternehmen zu prüfen. Hierbei gilt es jedoch zu beachten: Für den Anpassungsbedarf einer Rente eines Versorgungsberechtigten ist der Zeitraum vom Rentenbeginn bis zum jeweiligen Anpassungsstichtag maßgeblich zu berück­sichtigen. Da in der Vergangenheit – anders als im derzeitigen Umfeld – die Nettolöhne vielfach oberhalb der Inflation angehoben wurden, mag die Nettolohnmethode häufig nicht die gewünschte Entlastung bringen. Zudem ist es vielfach ausgesprochen schwierig, die relevanten historischen Lohndaten zu ermitteln. Auch die Identifikation konkret vergleichbarer Beschäftigtengruppen bereitet häufig erhebliche Schwierigkeiten.

Verweigerung der Anpassung aufgrund fehlender wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit

Bei der nach billigem Ermessen zu treffenden Entscheidung über die Anpassung ist (unabhängig vom Orientierungsmaßstab des § 16 Abs. 2 BetrAVG) neben dem Interesse der Arbeitnehmer am Ausgleich des Kaufkraftverlustes auch die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers angemessen zu berücksichtigen. Die Anpassung der Betriebsrente muss nur im Rahmen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erfolgen. Ein Anspruch auf Anpassung jenseits der wirtschaftlichen Leistungs­fähigkeit besteht nicht. Die Darlegung fehlender wirtschaft­licher Leistungsfähigkeit setzt eine Prognose auf Basis einer Auswertung der bisherigen Entwicklung über einen längeren repräsentativen Zeitraum von in der Regel mindestens drei Jahren voraus. Zukünftige Entwicklungen finden nur Berücksichtigung, sofern sie auf hinreichend konkreten und verlässlichen Tatsachen gründen. Vor diesem Hintergrund rechtfertigt die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers die Ablehnung einer Betriebsrentenanpassung erst dann, wenn das Ergebnis der Prognose eine übermäßige Belastung nahelegt, die die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens gefährden würde. Eine solche übermäßige Belastung kann entweder in Form einer unzureichenden Eigenkapital­rendite oder einer Eigenkapitalaufzehrung bestehen.

Keine Anpassung wegen unzureichender Eigenkapitalrendite

Von einer Gefährdung der Wettbewerbsfähigkeit ist einerseits dann auszugehen, wenn keine angemessene Verzinsung des Eigenkapitals erwirtschaftet wird. In diesem Fall reicht die Ertragskraft des Unternehmens nicht aus, um die Anpassungen zu finanzieren. Sobald die Eigenkapitalverzinsung die Umlaufrendite öffentlicher Anleihen zuzüglich eines Risikoaufschlags von 2% unterschreitet, wird eine Anpassung als in der Regel wirtschaftlich unzumutbar betrachtet, sodass der Arbeitgeber diese berechtigt verweigern kann. Die Angemessenheit dieses Schwellenwerts ist zwar umstritten, entspricht aber geltender Rechtsprechung.

Keine Anpassung wegen Eigenkapitalaufzehrung

Dem Arbeitgeber kann eine Betriebsrenten­anpassung weiterhin erst recht nicht zugemutet werden, wenn er nicht mehr über genügend Eigenkapital verfügt. Hier muss es gestattet sein, dass zunächst die verlorene Vermögenssubstanz wieder aufgebaut wird, bevor an eine Betriebsrentenanpassung zu denken ist. Die Betriebsrenten­anpassung kann auch dann verweigert werden, wenn Verluste im Eigenkapital nur durch Einlagen der Gesellschafter ausgeglichen wurden oder neues Kapital nur durch die Thesaurierung von künftigen Gewinnen gebildet werden kann. Eine Eigen­kapitalaufzehrung dürfte für den Arbeitgeber in der Regel am einfachsten zu begründen sein.

Fazit

Im Rahmen der Anpassungsprüfung der Betriebsrenten ist mit Blick auf den Handlungs­bedarf des Arbeitgebers zu unterscheiden: In Zeiten der Hochinflation ist für solche Betriebsrenten, deren Beginn in jüngerer Vergangenheit liegt, eine Anpassung nach Maßgabe des VPI in der Regel kostenträchtiger als eine Anpassung anhand der Nettolohnmethode. Die Umstellung ist aber häufig mit Unsicherheiten (Datenlage, vergleichbare Arbeitnehmergruppen) verbunden und es besteht die Gefahr, dass sich der Trend auch wieder umkehrt. Historisch ist die VPI-Anpassung die sicherere Option und stellt insbesondere für länger laufende Betriebsrenten häufig die sinnvollere Variante dar.

Vielfach wird sich auch in den Fällen, in denen die Umstellung auf die Nettolohnentwicklung zunächst eine vielversprechende Option darstellt, herausstellen, dass die Umstellung mit zu vielen Risiken/Unbekannten einhergeht. In beiden Fällen ist jedoch insbesondere auf die Möglichkeit der begründeten Verweigerung einer Anpassung aufgrund fehlender wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit hinzuweisen. Mithilfe der aufgezeigten Handlungsoptionen dürften die sich stellenden Herausforderungen einer Betriebsrentenanpassung in Zeiten der Hoch­inflation zu bewältigen sein.

Diesen Beitrag lesen Sie auch in der AssCompact Sonderedition Betriebliche Versorgung und in unserem ePaper.

Bild: © LALAKA – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Dr. Thomas Granetzny
Roland Sternisko
Lara Diederichs