Interview mit Dr. Angelo O. Rohlfs, Vorstand Vertrieb und Marketing der VHV Allgemeine Versicherung AG
Herr Dr. Rohlfs, die diesjährige Kfz-Wechselsaison steht ins Haus. Wie sehr beschäftigt das die VHV?
Die VHV Allgemeine ist einer der größten Kfz-Versicherer und im Maklermarkt bekannt und beliebt. Neben dem Baugeschäft ist die Kfz-Versicherung einer unserer Kernmärkte. Somit stehen die letzten Monate eines jeden Jahres natürlich besonders im Zeichen des Jahreswechselgeschäfts.
Wie läuft es aktuell bei der VHV im Kfz-Geschäft? Hat sich der Bestand im Vergleich zum Vorjahr vergrößert? Verringert?
Der Kfz-Versicherungsmarkt stand aufgrund von durch Schadeninflation getriebenen Prämiensteigerungen in den letzten Jahren sowohl im privaten als auch im gewerblichen Bereich unter Druck. Diese Entwicklungen gehen an uns als VHV nicht vorbei. Jedoch ist es uns trotz der Herausforderungen gelungen, 2023 die Zahl der Verträge um 0,7% auf rund acht Millionen zu steigern. Auf einem vergleichbaren Niveau befinden wir uns aktuell für 2024. Zum Vergleich: 2022 hatten wir 7,97 Millionen Verträge. Mit Blick auf das kommende Jahreswechselgeschäft lässt sich sagen: Auch dieses Jahr wird es von den aktuellen Rahmenbedingungen, wie den Inflationsfolgen, geprägt sein.
Viele Versicherer versuchen aktuell, mit verschiedenen Maßnahmen im Kfz-Geschäft wieder auf einen grünen Zweig zu kommen, etwa mit dramatischen Beitragssteigerungen oder Bereinigung ihrer Bestände. Auch die VHV hat während ihrer Bilanzpressekonferenz gesagt, dass sie an „ihrer Profitabilität arbeiten“ muss. Was bedeutet das konkret?
Die Kraftfahrtversicherung ist momentan marktweit nicht profitabel, und auch wir haben in dieser Hinsicht noch einiges zu tun. Konkret bedeutet das, dass wir dem Kostenanstieg entgegenwirken müssen. Das tun wir zum einen durch ein aktives Schadenmanagement. So arbeiten wir unter anderem kontinuierlich an unseren Schadenprozessen, die wir weiter konsequent automatisieren und digitalisieren, beispielsweise durch das automatische Auslesen von Daten und digitale Begutachtungs- und Meldeprozesse.
Zum anderen haben wir, wie alle Versicherer, im vergangenen Jahr die Prämien im Neugeschäft sukzessive erhöht. Auch im Bestand wurde das Prämienniveau risikogerecht angepasst. Mit einer Schaden-Kosten-Quote von 106,2% schnitt die VHV Allgemeine im Vergleich zum Markt – hier lag die Schaden-Kosten-Quote bei 110% – im vergangenen Jahr besser ab. Eine Quote von über 100% ist aber nicht nachhaltig wirtschaftlich. Weitere Prämienanpassungen im Neugeschäft und Bestand sind daher auch im Sinne unserer Versichertengemeinschaft unumgänglich. Nicht zuletzt, weil wir auch weiterhin eine erhöhte Schadeninflationsrate deutlich über der allgemeinen Teuerungsrate beobachten. Unser grundsätzliches Zeichnungsverhalten ändern wir deshalb aber nicht.
Ist Kfz für Versicherer im Allgemeinen noch ein profitables Geschäft?
Der Kraftfahrtversicherungsmarkt ist seit jeher sehr wettbewerbsintensiv. Auch in der aktuellen Situation bleibt es für alle Marktteilnehmer weiterhin ein hochkompetitiver und intensiver Wettbewerb um jeden einzelnen Kunden. Wir sind der Überzeugung, dass für das erfolgreiche Bestehen in diesem herausfordernden Umfeld ein hoher Grad der Spezialisierung erforderlich ist. Wir als VHV Allgemeine sind dabei gut aufgestellt mit unserem Fokus auf den Maklervertrieb, der soliden Kostenstruktur und unserer Expertise im Schadenmanagement.
In der Gunst der Makler steht die VHV im Bereich Kfz laut der AssCompact Studie ganz oben. Was tun Sie dafür, dass es so bleibt?
Per DNA sind wir in den Sparten Kfz, Sach, Haftpflicht und Unfall – privat sowie gewerblich – ein Maklerversicherer. Um diesem Versprechen gerecht zu werden, haben wir unser Ohr am Vermittlermarkt. Wir gehen in den regelmäßigen Dialog, nicht nur auf Fachmessen wie der DKM, sondern auch beispielsweise durch Roundtables, mit dem Ziel, schnellstmöglich auf neue Anforderungen der Vermittlerinnen und Vermittler zu reagieren. Durch unsere technologischen Möglichkeiten bieten wir ihnen viele Services, die stetig verbessert und ausgebaut werden. Erst wenn sie und die Kundinnen und Kunden zufrieden sind, sind auch wir zufrieden. Auszeichnungen wie die AssCompact Awards dienen uns dabei als ständiger Feedback-Kanal, um unser Servicelevel auch zukünftig zu halten und auszubauen.
Vor allem beim Thema Dauer der Schadenbearbeitung im Bereich Kfz gab es von Maklern in den vergangenen Jahren branchenweit Kritik. Wie geht die VHV das Thema an?
Der Schadenfall ist tatsächlich der Moment der Wahrheit für jede Versicherung. Hier entscheidet sich, ob ein Kunde das Unternehmen als verlässlichen Partner wahrnimmt oder nicht. Lange Bearbeitungszeiten bei Kfz-Schadenfällen haben jedoch verschiedene Ursachen. Häufig ist eine komplexe Schadenbewertung notwendig. Hinzu kommen Engpässe in der Werkstattkapazität sowie Verzögerungen durch die Kommunikation zwischen Versicherer, Werkstatt und Kunde.
Eine weitere Hürde entsteht durch die noch nicht vollumfänglich abgeschlossene Digitalisierung. In unseren traditionellen Systemen müssen viele Schritte noch manuell bearbeitet werden. Je weiter unsere umfassende Transformation der digitalen Plattformen fortschreitet, desto besser schaffen wir es, alle beteiligten Parteien zu vernetzen und so die Bearbeitungszeiten signifikant zu verkürzen.
Zuletzt führen die zunehmenden Extremwetterereignisse zu einem erhöhten Arbeitsaufkommen. So war beispielsweise 2023 ein äußerst hagelintensives Jahr.
Das Thema Elementarschäden ist auch im laufenden Jahr aufgrund von sich häufenden Extremwetterereignissen sehr präsent. Welche Bedeutung spielen diese beim Gesamtergebnis in der Kfz-Sparte und gibt es Möglichkeiten, Schäden zu reduzieren?
Durch die zunehmenden Extremwetterereignisse stehen wir in der Kfz-Versicherung immer öfter vor der Herausforderung von Kumulschadenereignissen, beispielsweise in Form von Hagelschäden. Um unseren Kunden einen schnellen Schadenservice vor Ort zu bieten, haben wir bei der VHV ein innovatives Kumulschadenmanangement aufgesetzt. Dazu zählen wir schnelle Sammelbesichtigungen mit digitaler Selbstterminierung und einem professionellen Auftritt unserer Schadenexperten, begleitet durch digitale Prozesse und Kommunikation im Besichtigungsprozess. Außerdem setzen wir seit 2023 auf modernste KI-basierte Technik und haben einen der besten Hagelscanner zur digitalen Erkennung von Hagelschäden im Einsatz. Dieses umfassende Kumulschadenkonzept hilft uns, deutlich schlanker und effizienter Elementarschäden zu bearbeiten.
Um weiter bei Elementarschäden zu bleiben: Die VHV versichert Überschwemmungen und Rückstau in der Elementarversicherung unabhängig von der ZÜRS-Zone, in der die Gebäude liegen. Was sind die Beweggründe dafür?
Das ist nur bedingt richtig. Die Wohngebäudeversicherung der VHV umfasst die Gefahren Feuer, Leitungswasser sowie Sturm/Hagel. Optional können weitere Elementargefahren versichert werden. Dafür bieten wir zwei Varianten an: Elementar I und II. Der Zusatzbaustein Elementar I beinhaltet Überschwemmungen durch Witterungsniederschläge und Rückstau, Erdsenkung, Erdrutsch, Vulkanausbruch, Schneedruck und Lawinen. Dieser Schutz gilt unabhängig von der ZÜRS-Zone, allerdings zählen Überschwemmung durch Ausuferung von Oberflächengewässern nicht dazu. Dieser Schutz ist erst mit dem zweiten Baustein, Elementar II, gewährleistet, der sich nach den ZÜRS-Zonen richtet. In besonders exponierten Lagen versichern wir nicht mit Elementar II.
Mehrere Versicherer bieten zu jeder Wohngebäudeversicherung immer Elementarabsicherung an, die Versicherungsnehmer dann abwählen können. Wie hält es die VHV? Nutzen Sie ebenfalls den Opt-out?
Eine systemseitige Vorauswahl nehmen wir nicht vor. Wir geben stattdessen unseren Vertriebspartnerinnen und -partnern umfangreiche Informationen zu den Elementarbausteinen an die Hand, die sie ihren Kunden nach den individuellen Absicherungsbedürfnissen anbieten können.
Was halten Sie von der Elementarpflichtversicherung?
Wie wir sehen, nehmen extreme Wetterereignisse stark zu. Daher bleiben Versicherungsprodukte weiterhin notwendig, jedoch nicht ohne eine verstärkte Aufklärung und Investition in Präventionsmaßnahmen. Beteiligte müssen vorab handlungsfähig gemacht werden, um Schadenereignissen bestmöglich vorzubeugen. Daher stimmen wir mit dem GDV überein, dass bei der Diskussion um eine Pflichtversicherung das Thema Gefahrenprävention durch Elementarrisiken in den Vordergrund gerückt werden sollte.
Diesen Beitrag lesen Sie auch in AssCompact 10/2024 und in unserem ePaper.
Bild: © Dr. Angelo O. Rohlfs, VHV
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