Interview mit Benjamin Zenger, Versicherungsmakler und Gründer von bergtauglich.
Herr Zenger, wie kam es dazu, dass Sie sich auf die Absicherung von Bergsportlern spezialisiert haben? Sind Sie selbst begeisterter Bergsteiger?
Tatsächlich bin ich erst relativ spät zum Bergsport gekommen. 2017 habe ich meinen ersten richtigen Gipfel erklommen. Da war ich bereits seit drei Jahren in der Versicherungsbranche. Danach war ich sehr viel in den Bergen unterwegs. Vor ein paar Monaten habe ich mir den Traum erfüllt und bin nach Garmisch-Partenkirchen gezogen und habe jetzt die Berge direkt vor der Haustür. Die Spezialisierung hat sich also nach und nach ergeben.
Wie verändert Ihre persönliche Leidenschaft für den Bergsport die Art, wie Sie Ihre Kunden beraten?
Am Berg ist alles etwas entspannter. Es würde also eher komisch wirken, wenn ich mit Anzug und Krawatte dasitze und mein Gegenüber siezen würde. Am Berg duzt man sich und ich wähle dann doch lieber das T-Shirt eines Outdoorherstellers.
Darüber hinaus kann man schon eine sehr gute Beziehung zu seinem Gegenüber aufbauen, wenn man Geschichten und Erlebnisse austauscht. Ich erzähle zum Beispiel von dem Tag, als mich die Bergwacht aus der Wand geholt hat – das war zum Glück nur eine Übung –, oder als mein Tourenkollege und ich als Ersthelfer die Bergwacht rufen mussten, weil eine Frau beim Abstieg gestürzt war. Im Gegenzug habe ich einige Geschichten erzählt bekommen. Schöne, aber auch traurige.
Welche Risiken sind im Bergsport am häufigsten – und welche werden oft unterschätzt?
Statistiken zeigen, dass ein Großteil der Unfälle gar nicht bei den extrem riskanten Sportarten auftritt, wie man es intuitiv vermuten würde. Das mag daran liegen, dass weniger Personen das entsprechende Risiko eingehen wollen, aber eine bessere Ausbildung und mehr Erfahrung am Berg wird ebenfalls eine große Rolle spielen.
Viele Unfälle passieren beim einfachen Bergwandern oder auf der Skipiste. Also ist auch das Risiko für „Anfänger“ relativ hoch. Was aber nicht bedeutet, dass man als erfahrene Bergsteigerin oder Bergsteiger fein raus ist. Die Natur macht keinen Unterschied zwischen erfahrenen und unerfahrenen Bergsteigerinnen und Bergsteigern.
Was ist der größte Fehler, den Ihre Zielgruppe beim Thema Versicherungen macht?
Der gleiche wie am Berg: Fehleinschätzung. Einer der häufigsten Sätze, der mir im Alltag begegnet, lautet: „Ich bin ja über den DAV versichert.“ Der Deutsche Alpenverein (DAV) bietet seinen Mitgliedern ein Versicherungspaket an, das sie nach eigenen Aussagen „rundum“ in den Bergen absichert.
Viele verlassen sich auf diese Versicherung. Das ändert sich aber meist schnell, wenn man den Leuten aufzeigt, was im Versicherungsschutz inkludiert ist und was nicht.
Darüber hinaus vergessen viele, dass die Bergung mit dem Hubschrauber oftmals erst der Anfang der ganzen Geschichte ist. Verdienstausfall, bleibende gesundheitliche Schäden, ein Rechtsstreit, der Todesfall … Das alles kommt erst in zweiter Konsequenz.
Welche Versicherungen gehören für Bergsportler unbedingt ins Gepäck?
Nur weil man in den Bergen unterwegs ist, bedeutet es nicht, dass man zwingend mehr Versicherungen abschließen muss als Otto Normalverbraucher. Man muss allerdings darauf achten, dass die Versicherungen auch wirklich greifen, wenn etwas passiert.
„Eine Haftpflicht-, Berufsunfähigkeits- und Unfallversicherung braucht man auf jeden Fall.“ Das Zitat ist nicht von mir, sondern habe ich bei einer fremden Bergsteigerin auf einer Berghütte aufgeschnappt. Ergänzen würde ich hier noch die Reisekrankenversicherung. Nur 5% der Alpen liegen in Deutschland, daher sind fast alle Bergsteiger auch oft im Ausland unterwegs.
Auch die bereits angesprochene DAV-Mitgliedschaft kann als ergänzende Absicherung Sinn machen, weil dort zum Beispiel auch Bergungseinsätze aufgrund Bergnot, also zum Beispiel das Verirren am Berg, mitversichert sind.
Aber am Ende kommt es natürlich auf die Situation der Kunden an. Von A wie Ausrüstungsdiebstahl bis Z wie ausgeschlagene Zähne kann man sich ziemlich alles an Versicherungsfällen vorstellen, und da das Risiko am Berg immer mitgeht, sind auch Bereiche wie eine Pflege- und ggf. eine Todesfallabsicherung ein Thema.
In welchen Fällen zahlen Versicherungen nicht, obwohl viele Kunden es erwarten würden?
In den sozialen Netzwerken sieht man das ein oder andere Mal Beschwerden von Leuten, die sich darüber wundern, dass die Krankenversicherung den Hubschraubereinsatz nicht bezahlt hat und die Rechnung jetzt im Briefkasten liegt. Hier ist oft der Unterschied zwischen „Rettung“ und „Bergung“ nicht klar. Diejenigen, die oft in den Bergen unterwegs sind, wissen das oft schon und sind deshalb Mitglied im Deutschen Alpenverein.
Viel überraschender ist es, wenn die eigene BU, eine andere Form der Arbeitskraftabsicherung, oder die Risikolebensversicherung nicht leisten wollen, weil in den Antragsfragen das Thema der Hobbys nicht korrekt beantwortet wird. Daher ist ein wichtiger Teil meiner Arbeit, neben den Gesundheitsfragen auch die Frage nach der Freizeitgestaltung gut aufzuarbeiten. Da hilft es enorm, wenn man versteht, was die Person in ihrer Freizeit so macht, und wenn man in der Lage ist, die richtigen Fragen zu stellen und nicht erst einmal Bergsport-Begriffe googeln muss. Das führt auch dazu, dass man es der Risikoprüfung der Versicherer so leicht wie möglich macht und im Idealfall eine Normalannahme erreicht – was aber nicht immer oder nur mit bestimmten Aktionen möglich ist.
Reicht dann eine klassische Unfallversicherung nicht aus?
Wie so oft bei Versicherungen: Es kommt drauf an. Mit einem guten Tarif inklusive qualitativ hochwertigen Bedingungswerk kommt man schon sehr weit. Natürlich gibt es auch spezielle Sportarten, die einen besonderen Schutz verlangen, wie zum Beispiel das Gleitschirmfliegen, da in den meisten Bedingungen Luftfahrtrisiken ausgeschlossen sind, oder auch Personen, die mit ihrem Hobby nebenher Geld verdienen oder das Ganze beruflich machen.
Wie sehen Sie die zukünftige Entwicklung Ihrer Zielgruppe?
Das Hobby Bergsteigen wird immer beliebter. Vor allem während der Corona-Pandemie sind viele Menschen aus Mangel an Alternativen in die Berge geströmt und haben ein neues Hobby entdeckt. Die Zielgruppe wird also eher größer als kleiner. Darüber hinaus sind die Alpen vom Klimawandel besonders stark betroffen. Steigende Temperaturen und damit auftauender Permafrost bedeuten instabilere Berge und damit steigt zum Beispiel das Steinschlagrisiko.
Sehen Sie neue Trends in der Versicherungsbranche, die für Bergsportler in den nächsten Jahren wichtig werden könnten?
Es gibt Versicherer, die versuchen, das Thema Prävention besser in die Versicherungswelt einzubringen. Da gibt es schon spannende Ansätze, wie man zum Beispiel das Thema Unfallprävention durch Kurse, Budgets für Ausrüstung etc. fördern kann.
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Diesen Beitrag lesen Sie auch in AssCompact 03/2025 und in unserem ePaper.

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