Sie fordern einen Rechtsanspruch auf Home-Office. Was sehen Sie im Rahmen von New Work und Diversität auf die Branche zukommen?
Wir fordern nicht nur ein Recht auf Home-Office, sondern auch gute Rahmenbedingungen für das Home-Office. Die Arbeitswelt verändert sich ja nicht nur an diesem Punkt fundamental. Arbeit kann heute unabhängig vom Arbeitsort erledigt werden. Viele, gerade jüngere, Beschäftigte wünschen sich mehr Zeitsouveränität, wollen also stärker mitbestimmen, wann und wie viel sie arbeiten. Neue Arbeitsformen schaffen neue Formen der selbstbestimmten und sinnstiftenden Arbeit. Die Auflösung alter Stellenprofile, diverse Teams und höhere Selbstverantwortung können aber auch neue belastende Probleme schaffen. Die Herausforderung besteht daraus, sichere Arbeitsbedingungen zu erhalten, indem tarifvertragliche Regelungen den neuen Bedingungen angepasst werden, ohne deren Schutzfunktion aufzugeben.
Lange Zeit war die Versicherungswelt männlich geprägt und die entsprechenden Strukturen herrschen teilweise noch vor. Liegen dann vielleicht auch Schlüssel gegen den Fachkräftemangel in New-Work-Konzepten und diversen Teams?
Mit der Veränderung der Arbeitswelt verändern sich auch die Unternehmenskulturen und die Qualifikationsanforderungen an die Beschäftigten. Zum Beispiel haben die Fähigkeit zur Selbstorganisation, Resilienz und Teamfähigkeit heute einen ganz anderen Stellenwert in der Arbeitswelt als früher. Das ist aus meiner Sicht auch eine große Chance für Frauen.
Die Digitalisierung und KI sind ein großes Thema der Branche. Machen Sie sich Sorgen um die Beschäftigten?
Bisher hat die Digitalisierung ja noch nicht die Rationalisierungspotenziale gebracht, die mal befürchtet wurden. Aber gerade der Einsatz von KI ist noch mal ein qualitativ neuer Schritt und stellt uns vor eine Reihe von Fragen, auch zum Wert und damit letztlich zur Bezahlung von menschlicher Arbeit. Wir stellen fest, dass mit der Digitalisierung von Arbeitsprozessen offenbar eine immer höhere Arbeitsbelastung und Druck auf die Beschäftigten entsteht. Bei allen Befragungen von Beschäftigten ist Arbeitsbelastung und Druck ein, wenn nicht das zentrale Thema. Das wird daher auch in unserer Arbeit und bei künftigen Tarifforderungen einen anderen Stellenwert haben als in der Vergangenheit.
Ein Blick in die Zukunft: Welche Entwicklung würden Sie in den nächsten fünf bis zehn Jahren in der Versicherungsbranche gerne sehen?
Die Versicherungswirtschaft hat sich gerade auch in den aktuellen Krisen als sehr stabil und wirtschaftlich stark erwiesen. Das ist auch das Ergebnis der Arbeit und des Engagements der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Schaut man sich die Entwicklung der Geschäftsergebnisse einerseits und die Entwicklung der Einkommens- und Arbeitsbedingungen andererseits an, wird es aus unserer Sicht Zeit, dass die Beschäftigten stärker Berücksichtigung finden. Das heißt jetzt erst mal, dass die in den vergangenen Jahren inflationsbedingt eingetretenen Reallohnverluste durch entsprechend gute Tarifabschlüsse wieder ausgeglichen werden müssen. Das bedeutet außerdem, dass die Produktivitätssteigerungen auch genutzt werden, um mehr Zeitsouveränität für die Beschäftigten umzusetzen, und in der Perspektive ist auch die Frage nach der Arbeitszeit wieder auf der Tagesordnung. Der Wandel in der Branche ist so rasant, dass Qualifizierung ein immer wichtigerer Themenkomplex ist. Wir wollen Qualifizierungskonzepte, die es ermöglichen, dass alle Beschäftigten auch eine Zukunft in der neuen, digitalen Versicherungswelt haben.
Aktuell halte ich darüber hinaus das Thema altersgerechtes Arbeiten für ein wichtiges Thema. Fachkräftemangel begegne ich nicht nur, indem ich attraktiv für junge Beschäftigte bleibe, sondern auch indem ich den Rahmen für ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer so gestalte, dass sie nicht vorzeitig in den Ruhestand gehen und gehen wollen. Konzepte für einen gleitenden, schrittweisen Übergang in den Ruhestand sind vor dem Hintergrund der Altersstruktur der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus meiner Sicht ein Gebot der Stunde.
Bild: © Martina Grundler, ver.di bzw. andinspiriert – stock.adobe.com
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Leserkommentare
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Auch die Versicherungswirtschaft ist nach wie vor nicht diskrim
Ich kann es nicht mehr hören!!!!!!!!!! Schwachsinn!!
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