Herr Dr. Jenssen, die IDD ist nun vom Europäischen Parlament verabschiedet worden. Sie dürften mit der neuen Richtlinie einigermaßen zufrieden sein?
Nun, wir sind jedenfalls nicht unzufrieden. Richtig zufrieden wäre man dann, wenn die Position des Versicherungsmaklers noch deutlicher geregelt worden wäre. Wir sind aber deshalb auch nicht unzufrieden, weil der „Independent-Advice-Ansatz“, der ja in der MIFID enthalten ist, nicht mit aufgenommen wurde. Man hat damit den unterschiedlichen Gegebenheiten im Bereich der Finanzvermittlung und im Bereich der Versicherungsvermittlung Rechnung getragen. Denn ein solches Konstrukt wie den Versicherungsmakler als Sachwalter des Kunden gibt es im Finanzbereich eben nicht.
Wäre es Ihnen lieber gewesen, die Richtlinie hätte manche Aspekte weiter gefasst? So bleibt es ja den Nationalstaaten überlassen, wie Sie die Vergütungsfrage regeln.
Weitergefasst nicht, aber man hätte viele Aspekte im Sinne einer Maximalharmonisierung regeln können. Vermittler müssen ja ihr Bezahlungskonzept deutlich machen: Ob sie Provision, Honorar oder sonstige Vorteile bzw. eine Kombination aus den ersten drei bekommen. Das hätten wir gerne als Maximalharmonisierung festgehalten, denn bei uns wird ja eine dogmatische Diskussion geführt, ob Vermittler überhaupt Honorar annehmen dürfen. Wir meinen: Warum nicht? Wenn es klar ist, dass es sich um ein Honorar handelt und wenn nicht doppelt bezahlt werden soll. Wir verfolgen ja sehr stark das österreichische Berufsbild des Versicherungsmaklers und Berater in Versicherungsangelegenheiten und wir hätten uns aus Brüssel sicherlich ein bisschen mehr Wegweisung in unsere Richtung gewünscht, aber das ist eben nicht der Fall. Jetzt kann jedes Land ein bisschen ausbüchsen.
Wo gibt es denn nun tatsächlich Änderungen und wo müssen Versicherungsmakler bzw. die Branche infolgedessen handeln?
Konkrete Maßnahmen gibt es natürlich – ich fange einmal bei etwas Leichtem an: Wir haben jetzt eine Weiterbildungsverpflichtung in der Richtlinie, die muss umgesetzt werden. Dazu wurde ja bereits „gut beraten“ geschaffen und damit den Masterplan bereits gelegt.
Nächster Punkt: Bei den sogenannten Versicherungsanlageprodukten muss die Versicherungswirtschaft anfangen, Produktherstellungspflichten und Produktüberwachungspflichten stärker wahrzunehmen. Versicherer müssen sich fragen: „Für wen sind diese Produkte eigentlich?“, „Sind sie tauglich?“, „Wo ist die Zielgruppe?“ und „Wird es auch in der Zielgruppe verkauft?“. An dieser Stelle muss die Versicherungswirtschaft sicherlich aktiv werden.
Dann müssen wir ja zukünftig das PIB – Produktinformationsblatt – nach einem einheitlichen Schema aufbauen. Das ist eine Menge Arbeit, bringt aber im Kern für Deutschland nichts extrem Neues.
Ein interessantes Thema, das für Finanzanlagenprodukte vorgesehen ist, betrifft auch die Vermittler: die Frage des sogenannten „Conflict of Interest“ und dass es keine nachteilige Auswirkung für den Kunden haben darf, wenn man Provision nimmt. Dort wird sicherlich EIOPA bzw. die Kommission noch das ein oder andere Wort mitsprechen. Also kurz gesagt: Auch für Agenten wird es überschießende Bonuszahlungen nicht mehr geben.
Ihre Meinung zum Provisionsabgabeverbot?
Hier möchte ich ein wenig ausholen: Welcher Staat kennt denn ein nationales Provisionsabgabeverbot? Von 28 Ländern ist das nur Deutschland und damit geht eine hohe Rechtfertigungslast einher. Und wenn man das isoliert betrachten würde, dann könnte man sicherlich statuieren: Die Welt geht nicht unter, wenn es kein Provisionsabgabeverbot gibt. Schauen Sie sich Österreich an, da gibt es keins, da ist die Welt auch nicht untergegangen, obwohl hier auch die großen deutschen Versicherungsunternehmen tätig sind. Und dort gibt es auch Makler. Aber das Provisionsabgabeverbot ist natürlich verbunden mit anderen Normenbereichen. Deshalb warnen wir vor Schnellschüssen. Denn viele sehen ja im Provisionsabgabeverbot die Vorstufe für ein Honorarsystem. Das setzt aber aus meiner Sicht aber voraus, dass nicht nur der Kunde über den Preis verhandeln kann, sondern auch der Vermittler. Und der Vermittler muss auch sagen können: „Hör mal zu, diese Courtage/Provision reicht nicht aus, ich brauche mehr.“ Das heißt: Es muss Waffengleichheit hergestellt werden.
Fakt ist, dass bei der Provisionsabgabe natürlich die formalen Sachen andere Werte haben. Provisionsabgabe ist etwas anderes als Nettotarife mit Honorar. Wichtig ist auch, um Bestechung und Vorteilsnahmen usw. nicht Vorschub zu leisten: Provisionsabgabe nur dann, wenn sie schriftlich und nur bei genauer Bezeichnung der Parteien passiert. Provisionsabgabe darf nur unbar und auch nur dann erfolgen, wenn die Rücküberweisung auf das Konto stattfindet, von dem auch die Prämie gezahlt wird.
Ein weiterer Aspekt ist die Dokumentationsfrage. Einer aktuellen Studie zufolge geben Versicherungsmakler, Agenten und auch Versicherungsberater die Dokumentation nicht heraus. Die muss auch im Versicherungsbereich nur im Falle eines Vertragsabschlusses herausgegeben werden, nicht etwa, wenn der Makler gar nicht weiß, ob er den Auftrag überhaupt bekommt. Wenn Sie jetzt aber wie im Finanzbereich bei einem Beratungsgespräch alle Unterlagen herausgeben müssen, dann sind natürlich Absprachen mit zweiten Vermittlern möglich: Ich lasse mich beim ersten Makler intensiv beraten, bekomme die Dokumentation und gehe zum zweiten Makler und handele mit dem einen Deal aus, dass man sich die Provision teilt. In dem Moment, in dem man dann auch noch seine Beratungsunterlagen herausgeben muss, ohne dass man den Vertragsabschluss hat, ist natürlich das ganze Vergütungsmodell nicht mehr zu halten.
Deshalb ist das Provisionsabgabeverbot, wenn Sie es nur singulär betrachten, ein ganz einfaches Steinchen. Aber zusammen mit den steuerlichen Aspekten und dem „Wer muss eigentlich welche Sachen herausgeben?“ ist es so, dass alle meine Mitglieder Versicherungsberater werden würden, weil es nicht angehen kann, dass man werthaltige Sachen einfach aus der Hand gibt und der nächste dann die Chance hat, auf legalem Wege dann die Preise zu drücken.
Das Provisionsabgabeverbot kann einfach entfallen, aber wenn es entfällt, muss man klar sagen, welche Konsequenzen das in anderen Bereichen nach sich zieht. Deshalb glauben wir, dass wir gut beraten wären, eine umfassendere Lösung anzustreben.
Was hat es eigentlich damit auf sich, dass es anstelle eines Beratungsprotokolls nun eine Geeignetheitserklärung geben soll?
Im Kern ist das mehr oder weniger das Gleiche. Ein gutes Beratungsprotokoll hat bereits jetzt immer Aussagen enthalten, dass das empfohlene Versicherungsprodukt auch geeignet ist. Diese Geeignetheitserklärung – „appropriateness“ im Englischen – ist ja ein typisches Instrument, um insbesondere bei Finanzanlagen weitere Aspekte mit einzufangen: die Wünsche und Bedürfnisse des Kunden zum Beispiel. Dann muss man natürlich – und da geht die Geeignetheitserklärung mehr in die Tiefe als der bisherige Beratungsansatz – auch sagen, ob das die erste Beratung des Kunden ist und wie sich die Anlage im Einzelnen darstellt. Im Grunde ist die Beratungsdokumentation etwas verfeinert worden und vom Wording her eher an den Bankbereich angegliedert worden. Materiell ändert sich dadurch nichts. (sg)
- Anmelden, um Kommentare verfassen zu können
Leserkommentare
Comments
IDD verändert Beweislastumkehr
Bisher mussten „Kunden“ beweisen, wenn das „Finanzmarktprodukt“ nicht passend war. Durch IDD muss der „Vermittler“ mit einem gerichtsfesten Protokoll beweisen, das sein Geldanlageprodukt im Rahmen der Ziele &Wünsche, sogar bei Wertschwankungen von X-Y % passend war, oder es gibt vor jedem Amtsgericht die Garantie zur „Rücknahme“. Klar, dass es für Finanzberater, die heute schon so arbeiten, keine Umstellung ist. Wohl dem, der sich diesen Zeitaufwand im Vorfeld des Abschlusses sichert, wie Joachim König es beschreibt „Für Finanzplanung wird-gerne-Honorar-gezahlt“ oder auch mwsbraun.de.
- Anmelden, um Kommentare verfassen zu können
Provisionsabgabeverbot
Sehr geehrte Damen und Herren, als Makler und Finanzanlagenfachmann kann ich nur sagen das ist der Anfang der Korruption. Seit der Veröffentlichung der Abschlusskosten und auch der Provisionen bei Fianzanlagen häufen sich die Anfragen nach einer Rückzahlung von Provisionen, teilweise sogar mit dem Hinweis , dass man sich sonst einen Vermittler sucht, der den Nachlass gewährt obgleich man teilweise sehr umfangreiche Analysen und Berechnungen für den Kunden gemacht hat. Durch die Rückzahlung von Courtagen wird man erpressbar und die nötige Wertschätzung ist nicht mehr vorhanden.
Vielleicht sollte man unter diesem Aspekt auch das Thema Steuerhinterziehung durch den Kunden und für die Vermittler auch mal prüfen wie Sie dies steuerlich sauber bewerkstlligen können und müssen.
Gibt man von 5000 € Courtage 2500 € ( Am liebsten möchte der Kunde dies natürlich bar )ab, passiert nämlich folgendes: Der Vermittler hat dann 5000 € zu versteuern und dies sind dann 2100 € an Einkommensteuerteuern, verbleiben also noch ca 400 € beim Vermittler. Der Kunde hat bar 2500 € und wenn dieser dann kündigt oder wie in einem Vorgang von mir innerhalb der Haftzeit von 5 Jahren Insolvenz anmeldet ist die Courtage in voller Höhe zurückzuzahlen und somit sogar alles weg. Ob man etwas dafür kann oder nicht, hier lauern erhebliche teilweise existenzbedrohende Gefahren für die Vermittler. Wenn ich meine Schwachstellenanalysen in Sachen Penionszusagen anschaue sehe ich nicht warum diese von mir geleistete qualifizierte Arbeit durch Missmanagement des Kunden nichts wert sein sollen.Warum soll ich das Insolvenzrisiko des Kunden übernehmen. Was anderes macht man nänlich nicht.
Ich bin ein entschiedener Gegner des Provisionsabgabeverbotes! ich würde es beibehalten und sogar verschärfen. Unser Arbeit hat einen höheren gesellschaftsrechtlichen Wert, den man auch ohne Einschränkung einfordern muss, oder erklärt der "politische Hofstaat" dem Kunden warum er durch Missmanagement der Politik in die Altersarmut
rauscht.
Was nutzt einem Kunden denn ein provisionsrückfluß falls zulässig wenn das Produkt miserabel ist ?
Im Prüfbericht nach § 24 FinvermV wird explixt nach solchen Aktivitäten gefragt, die dazu geeignet sind den Kunden zum Abschluss zu verleiten, das gibt dann Ärger mit der IHK und fürhrt zur empfindlichen Strafen. Ausserdem ist dies bei juristischen Themen ein Indiz für einen Anlegerschutzanwalt beweisen zu können, dass der Kunde mit Geldzusagen verleitet wurde dieses Produkt zu kaufen.Einfach mafiös. Unser geschäft sollte von Seriösität geprägt sein. Deshalb würde ich auch Haftungsdächer verbieten.
U. Hummel
- Anmelden, um Kommentare verfassen zu können