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2. Juli 2019
Versicherungsmarkt 2030 – ein Weckruf an die Branche

Versicherungsmarkt 2030 – ein Weckruf an die Branche

Die Digitalisierung wird den Versicherungsmarkt in den nächsten Jahren noch stärker verändern als es bisher geschehen ist. Der Rahmen für die Versicherungswelt 2030 wird dabei schon heute gesteckt. Neodigital-Vorstand Stephen Voss beschreibt in seinem Kommentar für AssCompact, wie sich wesentliche Faktoren wie Kommunikation, Zielgruppe, Kooperationen und Vertrieb in Zukunft darstellen werden.

Hellseherische Kräfte hat niemand und so ist der Blick in die Zukunft doch eher etwas für das Jahrmarktgewerbe. Betrachtet man aber eine Branche wie die unsere, kann man auch ohne Hilfsmittel wie Tarot-Karten, Kristallkugel oder Raben auf der Schulter ein paar begründete Thesen zur Zukunft des Versicherungsmarktes in Deutschland aufstellen.

Neue Anforderungen in der Kommunikation

Wie wird die Versicherungslandschaft in etwa zehn Jahren aussehen? Eins steht fest: Die Digitalisierung wird noch stärker die Art und Weise bestimmen, wie wir Versicherung betreiben und vertreiben.

Das beginnt bei den Versicherungsnehmern, auf die sich die erste Vorhersage bezieht: Der Kunde im Jahr 2030 wird viel konkretere Anforderungen an die Kommunikation mit seinem Versicherer haben. Schließlich wurde er über Jahre von den großen Akteuren der Online-Industrie konditioniert. Er ist praktisch von Kindesbeinen an daran gewöhnt, alles immer noch schneller, noch effizienter und noch transparenter abgewickelt zu bekommen. Und dieser Erwartungshaltung werden alle im Markt gerecht werden müssen, inklusive Vertrieb und Schaden. Das ist ein fundamentaler Unterschied zu den Kunden, die der analogen Generation angehören und als Kinder noch gebannt „3 Fragezeichen“-Kassetten auf einem Kassettenrekorder gehört haben.

Ausrichtung auf Millennials

Die relevante Zielgruppe für unser Metier sind in den kommenden Jahren ganz klar die Millennials, die gerne auch als Generation Y bezeichnete Bevölkerungsgruppe, deren Angehörige bis kurz vor der Jahrtausendwende geboren wurden. Das ist eine Klientel, die mit digitalen Medien und digitaler Kommunikation groß geworden ist und Telefonzellen mit Münzfernsprecher nur aus Opas Erzählungen kennt. Noch nicht relevant? Oh doch! Denn schon heute machen sie, je nach Definition des konkreten Zeitrahmens, zwischen 15 und 20% aller Privathaushalte in Deutschland aus. Und spätestens 2030 ist das unser Markt.

Es ist klar, dass sich die Versicherungen auf diese Zielgruppe neu einstellen müssen. Das erfordert ein generelles Umdenken, den Umbau der technischen Infrastruktur, den Umbau der Prozesse und damit auch den Umbau der Personalstrukturen. Wo schneller mit dem Kunden kommuniziert wird, muss auch im Unternehmen vernetzter gearbeitet werden. Abteilungsstrukturen müssen aufgebrochen werden. Klingt simpel, stellt aber viele Teilnehmer im Markt noch vor große Herausforderungen.

Digitaler Umbruch fördert Kooperationen

Die zweite Vorhersage betrifft den Aufbruch in die neue digitale Welt für Unternehmen. Einige werden aus eigenen Mitteln den notwendigen Umbau der Technik und die daraus resultierenden Personalveränderungen nur teilweise stemmen können. Von den derzeit gut 500 Versicherungsunternehmen unter Bundesaufsicht werden sich manche vermutlich verabschieden, in Kooperationen untereinander oder mit InsurTechs gehen müssen. Die Themen werden immer komplexer. Kleinere Unternehmen mit alten Strukturen und antiquierter Technik werden die Aufwände für die notwendigen Veränderungen unter Umständen nicht allein bewältigen können. Und externe Hilfen müssen auch bezahlt werden.

Grundsätzlich ist der künftige „Zwang zur Kooperation“ begrüßenswert und sinnvoll. Das betrifft sowohl die Kooperation mit anderem Versicherungsunternehmen als auch mit InsurTechs. Man muss ja nicht gleich alles als Open Source stellen. Hier lohnt sich der Blick über die Branchengrenzen: In der Automobilindustrie existieren große Erfahrungen mit gleichförmigen Vorgängen und der Erhöhung prozessualer Effizienz. Seit Jahren, teilweise Jahrzehnten, sind Kooperationen und Gleichteile-Strategien etabliert. Das hat weder dem Markt noch den Kunden zum Nachteil gereicht, sondern die Branche gestärkt und die Qualität gesteigert. Es lässt sich sicher darüber streiten, ob die deutsche Automobilindustrie aktuell alles richtig macht in Bezug auf alternative Antriebe. Aber gemeinsame Produktions- und Innovationsstrategien, auch mit Zulieferern, haben zumindest bisher sehr gut funktioniert. Auf Produktionsseite kommt genau das auch auf uns zu.

Vertrieb muss digitale Kundendaten vorhalten

Die letzte Vorhersage betrifft den Vertrieb. Eigentlich muss er schon heute so aufgestellt sein, dass er alle Kundendaten digital und auswertbar vorhält. Wer dieser Anforderung nicht genügt, fällt aus dem System heraus. Oder es gibt ein böses Erwachen, wenn der eigene Ruhestand heranrückt und der jahrelang aufgebaute Bestand nichts wert ist. Warum das so kommen kann? Kein potenzieller Nachfolger kann oder möchte zum Start einen ungepflegten Kundenstamm bereinigen. Das korrespondiert damit, dass der Kunde – digital vorgeprägt, wie er nun einmal ist – das Thema Versicherung schneller und effizienter abhandeln will. Und die Versicherungsunternehmen werden ebenfalls ihre Strukturen auf diese Bedürfnisse ausrichten.

Damit kommt auf den Vertrieb ein klarer Veränderungsauftrag zu, der vor allem die Arbeitsabläufe betrifft. Die klassischen persönlichen Vor-Ort-Termine werden deutlich zurückgehen. Die Statistiken des DIHK belegen bereits einen deutlichen Rückgang in den Vermittlerzahlen, zuletzt über 10% in nur einem Jahr. Damit wird ein Vermittler künftig mehr Kunden im größeren regionalen Umkreis betreuen müssen. Ohne sich mit digitalen Hilfsmitteln auszustatten, allen voran performante skalierbare Maklerverwaltungsprogramme, die automatisiert mit den Versicherungsunternehmen kommunizieren, ist das nicht zu schaffen.

Eines liegt auf der Hand: Die Zukunft beginnt schon heute und abwarten ist keine Option.

Bild: © gazanfer – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Stephen Voss