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2. September 2014
„Der Einsatz der Videoberatung hat viele Vorteile für Vermittler“

„Der Einsatz der Videoberatung hat viele Vorteile für Vermittler“

Im Rahmen ihrer Bachelorarbeit haben Dominik Vollrath und Julius Kretz untersucht, welche Rolle die Videoberatung in der Versicherungsvermittlung spielt und analysiert, wie diese in der Vermittlung am besten eingesetzt werden kann. 761 Personen, davon 456 Kunden und 305 Vermittler, beteiligten sich von Anfang Mai bis Anfang Juni an der wissenschaftlichen und videogestützten Online–Umfrage.

Interview mit Dominik Vollrath und Julius Kretz, Duale Studenten der DHBW Heidenheim

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, sich im Rahmen Ihrer Bachelorarbeit mit der Videoberatung zu beschäftigen?

In der Praxis haben wir festgestellt, dass es eine starke Differenz zwischen dem normalen E-Commerce (Vertrieb) und dem Versicherungsvertrieb im Internet gibt. Der Trend „online per Klick“ zu kaufen scheint in der Versicherungsbranche noch nicht angekommen zu sein. Wir haben uns gefragt, wie dieses Defizit minimiert werden kann. Woran liegt es, dass der Versicherungskunde sich zwar im Internet informiert, jedoch in den meisten Fällen nicht direkt abschließt? Die Presse ist voll mit alarmierenden Meldungen. Die Versicherungsbranche steht vor einem Berg ungelöster Probleme. Artikel mit den Überschriften „LVRG mit massiven Folgen“, „Überzogener Verhaltenskodex I“ und „Renditeschwund: Der langsame Tod der deutschen Lebensversicherungen“ häufen sich.

Wie kann der einzelne Vermittler also diesen Problemen entgegenwirken? Wie können die Erwartungen der Kunden erfüllt werden? Mit steigenden gesetzlichen Regelungen wächst nicht nur der organisatorische, sondern auch der vertriebliche Aufwand für den einzelnen Vermittler. Vermittler müssen zum einen gesetzliche Regelungen, wie die Dokumentationspflicht, genau einhalten, zum anderen sinken die Vergütungen. Provisionsdeckelungen und die Offenlegung der Provisionen erfordern eine Effizienzsteigerung.

Und wie kann die Videoberatung hier helfen?

Wo keine Besserungen in Sicht sind, liegt es an den Vermittlern, unter den gegebenen Einschränkungen, den Vertrieb effizienter zu gestalten. Genau diese Kriterien erfüllt die Videoberatung. Es wird nicht das Geschäft per Klick sein, sondern es bedarf immer einer persönlicher Face-To-Face Beratung. Andere Branchen zeigen, dass Videoberatung bereits ein großes Potenzial aufweist. Durch die steigende Digitalisierung des Vertriebes ist ein erhöhter Handlungsbedarf im Versicherungsmarkt erforderlich, um weiterhin zielgruppengerecht agieren zu können.

Wie sieht die Versicherungsberatung der Zukunft dann aus?

Für die Zukunft müssen Vermittler frühzeitig vorbereitet sein, um den Anschluss an die digitale Ära der Transparenz und Effizienz nicht zu verpassen. Dabei muss der Status-Quo nicht von Grund auf geändert, sondern den zeitlichen Gegebenheiten angepasst werden. Die klassische, stationäre Versicherungsberatung wird dabei nicht ersetzt, sondern durch die Videoberatung ergänzt.

Vermittler, die sich frühzeitig auf die Implementierung der Videoberatung in den Multichannel-Vertrieb einlassen und idealerweise eine intelligente – omnikanale – Verknüpfung schaffen, werden auch künftig als Kundenschnittstelle unersetzlich sein. Nicht alle Kunden werden sich auf die neuen digitalen Kanäle einlassen und ihre sensiblen Daten im Internet per Video oder Chat preisgeben. Der moderne Vermittler lässt jedoch seine Kunden entscheiden, auf welchem kommunikativen Weg sie mit ihm in Kontakt treten wollen. Die Kunden von heute leben digital und die Umfrage hat gezeigt, dass diese auch so kommunizieren möchten.

Welche Gründe gibt es daneben aus Sicht des Vermittlers Videokommunikation einzusetzen?

Der Einsatz der Videoberatung hat viele Vorteile für Vermittler. So kann ein Vermittler beispielsweise operative Kosten einsparen und gleichzeitig eine höhere Reichweite erzielen. Durch die Videoberatung fallen Fahrtwege zum jeweiligen Kunden weg und man kann somit sowohl zeitliche als auch monetäre Aufwendungen einsparen. Setzt man dabei auf eine ausschließliche Videoberatung, kann auch die Überlegung eines reinen „Home-Office“-Vertriebes angestrebt werden. Außerdem können sich Unternehmen durch guten Service gegenüber dem Markt und somit der Konkurrenz profilieren.

Wir konnten mit Hilfe der Befragung feststellen, dass die Mehrheit der Vermittler die Vorteile der Videoberatung, gegenüber dem klassischen Telefonat, vor allem im persönlicheren Kontakt, sehen. Ein weiterer Vorteil aus Sicht der befragten Vermittler ist, dass durch die Videoberatung die Möglichkeit besteht, Sachverhalte bei einem Beratungsgespräch medialer darstellen zu können und der Kunde somit interaktiv an der Beratung teilnehmen kann.

Doch nicht nur die Unternehmen können von der Einführung der Videoberatung profitieren, auch auf Seiten der Kunden gibt es einige Vorteile. So wäre es denkbar, dass ein Kunde beispielsweise eine Beratung an einem Feiertag bzw. auch am Wochenende erhält. Der Kunde ist dadurch nicht mehr an die geregelten Öffnungszeiten der Vermittler gebunden und flexibler in der Terminplanung. Der Konsument ist ortsunabhängig und kann zu flexibleren Zeiten eine Beratung von dem Vermittler seiner Wahl erhalten. So kann er neben den üblichen lokalen Vermittlern auch auf Vermittler aus ganz Deutschland zugreifen. Die Zeit- und Kostenersparnis – 84,5% – bewerten Kunden, laut Umfrage, besonders positiv. Weiterhin sehen sie Vorteile durch die erleichterte Verständigung mit Hilfe einer visuellen Ergänzung.

Haben Sie auch herausgefunden, wie häufig Face-to-face-Beratung online stattfindet und welche Art von Vermittlern diese nutzen?

Nein, die aktive Nutzungshäufigkeit von Seiten der Vermittler konnten wir leider nicht konkret ermitteln. Wir haben jedoch danach gefragt, wie häufig Vermittler Videokommunikation allgemein verwenden, sind jedoch nicht im Einzelnen darauf eingegangen inwiefern dies auch auf die Versicherungsberatung angewandt wird.

In welchen Segmenten macht sie am meisten Sinn?

Prinzipiell lässt sich Videoberatung in allen Produktsparten und Segmenten anwenden. Aus der Umfrage wurde jedoch ersichtlich, dass mehr als 78% der Vermittler die Videoberatung vor allem bei Sachversicherungen, sprich Haftpflicht, Hausrat oder Kfz-Versicherungen anwenden möchten. Zudem sehen rund 26% das Potenzial der Videoberatung bei Personenversicherungen.

Haben Sie auch untersucht, wie die Kunden auf ein entsprechendes Angebot reagieren?

Laut unserer Umfrage, wünschen sich über ein Drittel aller Kunden eine Videoberatung zum Thema Versicherungen – singulär oder Videoberatung in Kombination mit anderen Beratungsformen.

Die demografische Entwicklung lässt die Bevölkerung altern, trotzdem ist die „Face-to-face“-Beratung eher auf den jungen, modernen Verbraucher zugeschnitten. Wie geht das zusammen?

Wir sehen die Potenziale der Zukunft (für den Versicherungsmarkt) vor allem bei jungen Menschen. Denn, wenn Vermittler die Jugendliche frühzeitig an sich binden können, können sie eine optimale Kundenbindung herstellen, welche womöglich ein Leben lang hält. Zudem besteht auch eine höhere mediale Affinität bei jungen Menschen, da diese mit diesem Medium schon seit klein auf vertraut sind.

Wie kann die Versicherungsbranche oder auch ein Versicherungsmakler dem Einstieg in die moderne Videokommunikation umsetzen?

Im ersten Schritt muss sich das Unternehmen beziehungsweise der einzelne Vermittler überlegen, ob für ihn eine Integration der Onlineberatung persönlich interessant ist und er dieses Angebot aktiv unterstützen und vermarkten wird. Denn er ist es, der diese Form der Beratung seinen Kunden vorstellen und auch die Technik und Vorgehensweise erklären sollte, damit den Kunden die Kontaktaufnahme über den Onlinekanal und die Online-Beratung an sich leicht und mit der Zeit selbstverständlich erscheint.

Der Vermittler muss sich auch bewusst sein, dass sich der Aufbau einer Online-Beratungsstruktur nicht sofort rentiert und von Tag eins an zu mehr Umsätzen führt. Es ist eher eine Investition auf Zeit. Wichtig ist es auch, deutlich zu kommunizieren, dass es sich um ein Multi-Kanal-Angebot handelt und der zusätzliche Service der Videoberatung als Ergänzung und keineswegs als Ersatz für die bestehenden Angebote gedacht ist, da es weniger technikaffine Kunden sonst schnell abschreckt. Ist die Entscheidung für die Onlineberatung gefallen, muss der Berater sich Gedanken über die Software machen, die er einsetzen möchte.

Welche Möglichkeiten gibt es bei den Anbietern? Werden spezielle Programme mit Desktop-Sharing benutzt oder geht es auch schon mal über einfache Video-Dienste?

Bei den meisten Anbietern bedeutet „Online-Beratung“, dass über Telefon gesprochen, jedoch gleichzeitig am jeweiligen PC derselbe Bildschirminhalt betrachtet wird. Für den Aufruf des Bildschirminhalts benötigt der Kunden einen Präsentationsdienst, beispielsweise von Acrobat. Für diesen Dienst sind lediglich die Aktivierung von JavaScript sowie der Flashplayer erforderlich, der in den meisten Fällen aber bereits installiert ist, um zum Beispiel YouTube-Videos am PC schauen zu können. Einige Vermittler benutzen außerdem Skype oder gar Facebook für ihre Online-Beratung. Aus unserer Sicht sind diese Tools nicht für eine professionelle Beratung geeignet, da der Datenschutz und die Verschlüsselung unzureichend sind, die Kunden es oftmals nicht wünschen, in ihre privaten Netzwerke professionelle Kontakte hinzuzufügen. Hinzu kommt, dass bei einfachen Video-Dienten wie Skype oder Facetime keine Möglichkeit besteht, Online Termine zu vereinbaren. GoToMeeting und auch Teamviewer sind Alternativen. Diese haben jedoch ebenfalls den Nachteil, dass sie lediglich die Videokommunikation abbilden und über diese Produkte keine Termine vereinbart werden können und keine langfristige Kundenbeziehung aufgebaut werden kann.

Besonders interessant fanden wir deshalb die Softwarelösung von Flexperto. Das noch junge Unternehmen geht genau auf die Bedürfnisse der Vermittler ein und bietet Terminvereinbarung, Online-Kommunikation per Videochat sowie Werkzeuge für Kundenbindung in einer Lösung. Die Software ist sehr nutzerfreundlich gestaltet und kann ohne große Einführung und zusätzliche Hardware verwendet werden.

Möglich ist es hier auch, Dokumente zu versenden und während einer Videoberatung gemeinsam Präsentationen zu betrachten. Für Honorarberater ist sogar eine minutengenaue Abrechnung möglich. Die Einbindung kann in eine bestehende Webseite erfolgen, oder man erhält eine virtuelle Agentur.

Kann man die Videoberatung auch über CRMs steuern und die Kommunikation aufzeichnen?

Die Kommunikation kann bei einigen Anbietern auch aufgezeichnet werden. Zu klären ist, ob dies auch im Sinne des Kunden ist, unter anderem eben auch, weil wie schon aufgezeigt die Aufzeichnung bedeutet, dass sichere „Peer-to-Peer“ Kommunikation nicht möglich ist. Vermittler sollten es sich also genau überlegen, bevor sie eine solche Funktion integrieren.

Teilweise ist die heutige Versicherungslandschaft noch mit veralteten CRM Systemen ausgestattet. Gerade junge Vermittler sollten Systeme verwenden, die webbasiert sind. Stammdaten und Notizen zum Kunden können dann direkt online aufgerufen werden, beispielsweise direkt während der Videoberatung, unabhängig von Ort und Zeit. Wichtig ist, dass die von ihnen verwendeten Softwaresysteme sinnvoll verknüpft sind, da sonst Reibungsverluste entstehen.

Wie steht es aus Ihrer Sicht mit der Datensicherheit?

Besonders in Deutschland und vor allem nach der NSA-Affäre legen immer mehr Menschen, vor allem auf Kundenseite, viel Wert auf das Thema Daten- und Informationssicherheit. Rein technisch gesehen könnte für die Videokommunikation ja auch Skype verwendet werden. Doch sollte man sich als Vermittler auf diese „Datenkrake“ einlassen? Nein, sagen die meisten. Es ist tatsächlich festzustellen, dass die deutschen Softwareanbieter für Videoberatung verstärkt auf den Punkt Sicherheit achten und deshalb viele Produkte auf dem Markt sind, die mit der SSL-Verschlüsselung einen ähnlich hohen Sicherheitsstandard bieten wie beispielsweise beim Online-Banking. Zusätzliche Informationssicherheit bieten Anbieter, bei denen die Online-Kommunikation „Peer-to-Peer“ – direkt zwischen dem PC des Vermittlers und des Kunden – stattfindet und nicht noch über einen Server zwischengeschaltet wird, der angegriffen werden könnte. Da Versicherungsgespräche vertraulich sind, sollte man beim Anbieter von Software genau recherchieren, ob die angebotenen Lösungen die standardmäßigen Sicherheitsanforderungen erfüllen.

Ihre Arbeit hat in der Branche schon einiges an Resonanz erfahren. Hätten Sie damit gerechnet?

Zu Beginn haben wir nicht damit gerechnet, dass wir solch eine große Resonanz erfahren würden. Schon in der Phase der Umfrage wurde die Arbeit besonders durch das Video auf YouTube populär. Innerhalb von etwa einem Monat Laufzeit konnten wir 1.100 Klicks auf YouTube generieren. Zudem erhielten wir Unterstützung von Seiten der Dualen Hochschule in Heidenheim. Professor Dr. Jürgen Hilp vom Studiengangs BWL-Versicherung und Finanzberatung, konnte auf ein großes Netzwerk an Kontakten zurückgreifen und uns somit bei der Befragung maßgeblich voranbringen.

Besonders unterstützt hat uns dabei Norbert Porazik, Geschäftsführer des Maklerpools „FondsFinanz“, welcher maßgeblich für den Erfolg der viralen Verbreitung unter Vermittlern verantwortlich war. Auch im Nachgang konnten wir durch seine Unterstützung an der 4. KVK Messe teilnehmen. Durch den Gastauftritt bei Jan Helmut Hönle (KOKON-Strategie) konnten wir dabei unsere Ergebnisse präsentieren und für weitere Resonanz sorgen. Auch auf der Hauptstadtmesse am 16.09.2014 sind wir vertreten und werden in einem eigenen Vortrag, die wesentlichen Erkenntnisse der Studie präsentieren und damit den Vermittlern eine Handlungsempfehlung zu geben.

Das Foto zeigt v.l.n.r: Julius Kretz und Dominik Vollrath (duale Studenten an der DHBW Heidenheim) mit Prof. Dr. Jürgen Hilp (Stellvertretender Studiengangsleiter an der DHW Heidenheim).