Von Matti Bargfried, CODie software products e.K. und Andreas Grimm, Resultate Institut
Digitalisierung von Kundendaten und Arbeitsprozessen steigert nicht nur den Unternehmenswert. Auch ohne geplante Unternehmensveräußerung profitieren Firmen von der Digitalisierung. So können mehr Kunden bei gleichbleibenden Personaleinsatz betreut werden. Für Unternehmen im Wachstum ist das außerordentlich wichtig, da die steigenden Lohnkosten sonst das Mehr an Umsatz aufheben. Aber wie kann die Digitalisierung vor allem für kleine und mittelständische Unternehmen erfolgreich vollzogen werden? Viele Makler- und Finanzunternehmen können es sich nicht leisten, große Teams bereit zu stellen. Realistisch ist zu erwarten, dass zwei bis drei Mitarbeiter dies zusätzlich zu ihrer Arbeit leisten sollen und je nach Bedarf, Sachverständige aus betroffenen Abteilungen hinzuziehen. Im Folgenden geben wir eine Ablaufanleitung mit Beispielen.
Erste Schritte und Auswahl des Arbeitsprozesses
Im Kern der Digitalisierung von Unternehmensprozessen steht immer das bestandsführende System, zum Beispiel ein Maklerverwaltungsprogramm bei Versicherungsmaklern, denn als Herzstück der Firma landen hier alle Daten, wie zum Beispiel beim automatischen Hinterlegen von Korrespondenz von Versicherern, Kunden und Vermittlern. Alle Arbeitsabläufe und Mittel zur Digitalisierung, die Dokumente analysieren, müssen hier anknüpfen, denn der Datenbestand benötigt einen zentralen Platz. Daher sollte die Wahl des Bestandsführungssystems wohl überlegt werden, auch in Bezug auf seine Skalierbarkeit und Zukunftsfähigkeit.
Bevor jedoch Veränderungen eingeleitet werden, lohnt es sich im Kleinen zu beginnen, hier spricht man von einer Teildigitalisierung. Dabei werden gezielt zeitintensive Tätigkeiten ermittelt, um sie anschließend zu digitalisieren. Bei der Wahl lohnt sich ein Prozess mit wenigen Berührungspunkten zu anderen Prozessen.
Marktübersicht technischer Lösungen notwendig
Um den Zielprozess zu gestalten muss ermittelt werden, wie der Ablauf idealerweise aussehen sollte. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine Digitalisierung nicht bedeutet, den existierenden Arbeitsprozess einfach nur digital abzubilden. Allein um die Umsetzung zu gewährleisten werden technische Lösungen benötigt, über deren Vorhandensein man wissen muss. Die Marktübersicht ist daher ein Knackpunkt bei der Prozessplanung, denn was für das Unternehmen erreichbar ist, bestimmen die Produkte externer Anbieter und deren Preis.
Häufig muss das Digitalisierungsteam weit denken, um die Folgen abzusehen. Wird zum Beispiel alle Korrespondenz automatisch zu den Kontakten sortiert, werden Sicherungsmechanismen benötigt, um die Sorgfaltspflicht nicht zu verletzen. Nach dem heutigen Stand sind automatische Prozesse eine Hilfe und nicht fehlerfrei.
Beispiel: Der Akquiseprozess
Nehmen wir als Beispiel den Akquiseprozess eines Finanzberaters oder Versicherungsmaklers. Er besitzt zwar viele Berührungspunkte zu anderen Prozessen, ist aber sehr verständlich. Der Prozess kann je nach Kundenzielgruppe vielfältig ausgeprägt werden. Letztlich ist nur sicher, dass die Daten des Kunden (Haushaltssituation, Maklervollmacht, Beratungsdokumentation) sowohl im System des Unternehmens gelangen müssen, als auch in das System des Versicherers – in Form von Anträgen.
Ziel der Digitalisierung könnte sein, dass der Vermittler den Kunden zu Hause mit seinem iPad berät, Verträge digital signiert werden und von den Fremdverträgen Fotos gemacht werden. Die Daten sollen dann mit dem bestandsführenden System abgeglichen werden oder gegebenenfalls zuerst in eine Clearingstelle laufen. Gesendete Anträge gehen vom iPad über einen Vergleichsanbieter automatisch an den Versicherer, an das Bestandssystem und den Kunden. In dem Beispielfall gibt es keine Medienbrüche und damit verbundene doppelte Dateneingabe, was der Kerngedanke der Digitalisierung ist.
Genauso könnte der Akquiseprozess so ausgestaltet werden, dass der Kunde sich auf der Webseite oder einer Facebook-App selbst analysiert. Hier kann wie bei den großen Vergleichsportalen gegebenenfalls direkt abgeschlossen werden. Alle, in Formularen, eingetippten Daten laufen dann gleichfalls in das bestandsführende Maklerverwaltungssystem.
Die Digitalisierung angehen
Zu erkennen ist, dass das Aufgeben der analogen Arbeitsprozesse eine große Entscheidungsfreiheit bringt und demnach die Qual der Wahl. Dies kann nur Wissen über die Zielgruppe und Unternehmensstrategie, sowie technische Möglichkeiten auflösen. Die Ausgestaltung ist also lediglich durch Vorstellungskraft, Finanzkraft und Kundenakzeptanz eingeschränkt. In Bezug auf den reinen Bestandserwerb bzw. -verkauf ist eine umfassende Unternehmensdigitalisierung nicht zwingend notwendig. Der Bestand muss jedoch zwingend aus den analogen Akten heraus und hinein in ein Bestandsverwaltungssystem. Sonst mangelt es schlicht an der Möglichkeit, die vom Käufer gewünschten Kundenstammanalysen zu fahren.
Um den Akquiseprozess und jeden anderen auszuarbeiten, sollten zuerst die bekannten Berührungspunkte definiert werden. Anschließend wird der Prozess grob aufgestellt und sukzessiv detailliert:
Beispiel Akquise – grobe Aufstellung
- Daten erfassen
- Daten an Verwaltungssystem und Versicherer senden
Nun sollte dieser Ablauf im Geiste der obigen zwei Beispiele der Geschäftsprozess modelliert werden. Dazu benötigen Sie einen Überblick über vorhandene Lösungen: Anstelle einen Brief via Scanner zu digitalisieren, reicht nicht auch eine Smartphone-App mit OCR-Funktion? Was ist einfacher zu bedienen und weniger kostenintensiv? Wo gäbe es weitere Einsatzmöglichkeiten dafür?
Beispiel Akquise – Detailprozess
- Vermittler lässt Kunden seine Bedarfsanalyse selbst in die iPad-App (zum Beispiel myjcp.de) eingeben
- Verträge, Vollmachten sowie Beratungsprotokoll werden dort digital Signiert
- Kunde erhält alles als Kopie via E-Mail und wird im Kundenportal angelegt
- Produktvergleich erfolgt vor Ort via App-Schnittstelle zum Versicherungsvergleichsanbieter
- Anträge gehen automatisch an Versicherer und Bestandsführungssystem (zum Beispiel CODie)
- Kundendaten werden mit Bestandsführungssystem synchronisiert
- gelangen in Clearingstelle
- Clearingstelle gibt Daten frei
Dem Beispiel kann entnommen werden, dass häufig viele Softwarelösungen involviert sind. Wichtig ist daher sich für ein System zu entscheiden, welches nicht unnötig hohe Kosten für Schnittstellenprogrammierung verursacht.
Fazit
Die Digitalisierung sollte im Kleinem beginnen, sonst droht unerfahrenen Unternehmen sich zu verrennen. Auch sollte bedacht werden, wer sich damit auseinandersetzt und in welchen Zeitraum. Das frühe Sammeln von Informationen und eine offene Kommunikationspolitik spart später viel Investitionskapital und gibt den Mitarbeitern Zeit, sich auf die neue Situation einzulassen.
Lesen Sie auch: 1. Teil – Digitalisierung als Schlüssel zu höheren Unternehmenswerten
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