Im Falle der Berufsunfähigkeit ist eine reibungslose Regulierung des Versicherungsfalls aus einem bestandssicheren Vertrag für Kunden besonders wichtig. Denn neben den existenziellen Sorgen kommt naturgemäß die regelmäßig sehr schwerwiegende Erkrankung hinzu. Lösungen sind daher gefragt, die aufzeigen, wie der Versicherungsvermittler auch im Interesse des Kunden das Ziel Regulierung erreichen kann.
Krankentagegeldversicherung (KTG) und Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) aufeinander abstimmen
Sehr oft führt der Weg zu einem Berufsunfähigkeitsversicherer über den Krankentagegeldversicherer. Der Kunde wird krank und macht zunächst Krankentagegeld geltend. Der Versicherer zahlt zunächst, stellt nach einiger Zeit aber fest, dass die Krankheit doch länger dauert als angenommen. Daraufhin stellt er seine Zahlung wegen bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit ein und beendet den Vertrag.
Das bedeutet aber leider nicht, dass der Kunde dann quasi automatisch Geld von seiner vorhandenen privaten Berufsunfähigkeitsversicherung bekommt. Die jeweiligen Versicherungsverträge sind oft bei unterschiedlichen Gesellschaften abgeschlossen worden und keine Versicherungsgesellschaft wird die Leistungsentscheidung einer anderen Versicherungsgesellschaft einfach übernehmen oder sogar automatisch anerkennen. Zudem weichen die Berufsunfähigkeitsbedingungen beider Versicherer voneinander ab.
Das wiederum führt leider häufig zu nachfolgenden – sinngemäßen – Aussagen.
KTG: „Du, Versicherungsnehmer, bist berufsunfähig im Sinne unserer Versicherungsbedingungen. Wir müssen nicht mehr zahlen.“
BU: „Du, Versicherungsnehmer, bist noch nicht berufsunfähig im Sinne unserer Versicherungsbedingungen. Wir müssen noch nicht zahlen.“
Augenmerk auf Versorgungslücke legen
Der Kunde fällt dann in eine Versorgungslücke und weiß möglicherweise nicht einmal, wer nun recht hat, da dies valide in der Regel nur Ärzte einschätzen können. Dieses praktisch sehr relevante Risiko lässt sich verhindern, wenn man bereits bei der Beratung des Kunden und bei der Vermittlung dieser Versicherungen hierauf sein Augenmerk legt. Einige Versicherer haben dieses Problem erkannt und bieten hierfür sehr praxisorientierte Lösungen an. Der Versicherungsvermittler sollte diese Lösungen berücksichtigen und mit seinem Kunden besprechen.
Rechtsschutzversicherung empfehlen
Darüber hinaus sollte darauf geachtet werden, dass der Kunde im Streitfall auf eine Rechtsschutzversicherung zurückgreifen kann. Bei einer Berufsunfähigkeitsversicherung geht es rein wirtschaftlich für beide Parteien um sehr viel Geld. Der Versicherer prüft verständlicherweise seine Eintrittsverpflichtung daher sehr gründlich. Hinzu kommt, dass ein Versicherungsfall in der Berufsunfähigkeitsversicherung sehr komplex sein kann. Hierbei ist auch zu beachten, dass es für beide Seiten sehr schwierig sein kann, die körperlichen und geistigen Auswirkungen bestimmter Krankheiten befriedigend zu ermitteln bzw. zu beweisen. Dies gilt insbesondere für solche Krankheiten, die keine organische Ursache haben, also etwa psychische Störungen oder neurologische Beschwerden, wie Schwindel oder Doppelbilder. Diese gegensätzlichen wirtschaftlichen Interessen einerseits, verbunden mit einem sehr komplexen Versicherungsprodukt und einem schwer zu erkennenden Versicherungsfall andererseits, führen zu einem besonders hohen Streitpotenzial – was in unserer anwaltlichen Praxis deutlich spürbar ist.
Lehnt ein Berufsunfähigkeitsversicherer die Leistung endgültig ab, muss der Versicherungsnehmer eine Klage einreichen und in diesem Gerichtsprozess alles Notwendige für seinen Leistungsanspruch beweisen. Kann er seinen erhofften Anspruch letztlich auch gerichtlich nicht durchsetzen, wird es teuer. Dann muss der Versicherungsnehmer das Gericht (Gerichtskosten), die beteiligten Anwälte und alle Sachverständigen oder Zeugen bezahlen, möglicherweise sogar für zwei oder drei gerichtliche Instanzen. Dieses sogenannte Prozessrisiko kann relativ schnell fünfstellige Beträge erreichen. Diese Kosten lassen sich über einen Rechtsschutzversicherer absichern, was den Kunden zumindest in die Lage versetzt, frei von finanziellen Erwägungen „sein Recht durchzusetzen“. Daher die klare Empfehlung: Rechtsschutzversicherung.
Risiko Vertragsanfechtungen
Ein weiteres erhebliches Problem entsteht dann, wenn der Versicherer im Leistungsfall feststellt, dass Antragsfragen nicht vollständig und wahrheitsgemäß beantwortet wurden. Dies führt sehr häufig dazu, dass der Versicherungsnehmer allein aus diesem Grund keine Versicherungsleistung erhält.
Unabhängig davon, dass der Kunde bei den Gesundheitsfragen natürlich wahrheitsgemäße und vollständige Angaben machen muss, lässt sich dieses Risiko weiter minimieren, wenn man dem Versicherer bei Antragstellung für den erfragten Zeitraum zum Beispiel die Patientenakte des Hausarztes oder der Krankenversicherung zur Verfügung stellt (lesen Sie auch BU-Versicherung: Wenn die Patientenakte zur Falle wird). Dies führt im Einzelfall zwar möglicherweise zu längeren Bearbeitungszeiten bei der Antragsannahme, eventuell auch zu Risikozuschlägen, Ausschlüssen oder Ablehnungen. Es schafft aber höchstmögliche Transparenz und für alle Beteiligten die höchstmögliche Sicherheit dafür, dass ein bestandssicherer Versicherungsvertrag geschlossen wird.
Der Versicherungsfall
Ist der Versicherungsfall eingetreten, macht es für den Kunden aber auch für den dann häufig kontaktierten Vermittler immer Sinn, bereits bei Leistungsbeantragung anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen bzw. zu empfehlen. Der Vermittler mindert sein Haftungsrisiko für eine Dienstleistung, für die er regelmäßig nicht bezahlt wird. Außerdem schafft er sich Freiräume, die er für seine eigentliche Haupttätigkeit, nämlich die Vermittlung, verwenden kann. Der Kunde stellt sicher, dass alle Fein- und Besonderheiten beachtet werden und sein Versicherungsfall zügig reguliert wird.
Aus Sicht des Kunden ist die erste Hürde bereits der Leistungsantrag. Dieser ist regelmäßig sehr umfangreich und überfordert nicht nur die in dieser Situation aus gesundheitlichen Gründen sowieso schon extrem gestressten Versicherungsnehmer, sondern zuweilen auch die Vermittler. In unserer anwaltlichen Praxis zeigt sich, dass Leistungsanträge oft deswegen negativ beschieden wurden, weil dem Versicherer zum Beispiel die Anforderungen an die letzte berufliche Tätigkeit nicht hinreichend klar waren, sich aus den Arztberichten nicht hinreichend schlüssig und deutlich die Berufsunfähigkeit ergab oder bei Selbstständigen schlicht wirtschaftliche Kennzahlen nicht vernünftig aufbereitet wurden. Das sind neben einer Vielzahl von weiteren Aspekten Unwägbarkeiten, die bereits bei Leistungsbeantragung durch professionelle, rechtliche Hilfe vermieden werden können.
Vergleichszahlungen und Befristungen auf den ersten Blick immer von Vorteil
Dies setzt sich auch bei der weiteren Regulierung fort, wobei wir beispielhaft auf Vergleiche und Befristungen aufmerksam machen wollen. Sicherlich sind Vergleichszahlungen und Befristungen auf den ersten Blick immer von Vorteil, weil der Kunde zügig und unbürokratisch an Geld kommt. Hätte der Versicherer bei Unterbreitung des Vergleichsangebotes oder Befristung der Leistung aber seine Leistungsverpflichtung anerkennen müssen, etwa weil der Kunde bereits seit sechs Monaten außerstande war zu arbeiten, sind diese unwirksam. Auf den zweiten Blick können sie daher nicht mehr so vorteilhaft sein, was von Versicherungsgesellschaften oft nicht einmal absichtlich erfolgt, sondern schlicht übersehen wird. Berät ein Versicherungsvermittler einen Kunden in einer solchen Situation und verfolgt dieser deswegen seine Leistungsansprüche nicht weiter, kann dies für den Vermittler zu einem Haftungsfall führen.
Last but not least: In jedem Fall einer nicht klar nachvollziehbaren bzw. nicht überzeugenden Leistungsablehnung seitens der Versicherung sollte umgehend anwaltlicher Rat bei einem Fachanwalt für Versicherungsrecht eingeholt werden.
Von Rechtsanwalt Norman Wirth, Fachanwalt für Versicherungsrecht
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