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8. September 2024
BU: Spontane Anzeigeobliegenheit bei Multipler Sklerose?
BU: Spontane Anzeigeobliegenheit bei Multipler-Sklerose?

BU: Spontane Anzeigeobliegenheit bei Multipler Sklerose?

Beim Antrag auf Abschluss einer BU müssen sich Antragsteller unter anderem auch zu ihrem Gesundheitszustand erklären. Aber müssen auch Angaben gemacht werden, nach denen gar nicht gefragt wird, etwa bei Multipler Sklerose? Diese Frage erläutert Rechtsexperte Björn Thorben M. Jöhnke in seiner regelmäßigen BU-Kolumne.

Ein Artikel von Björn Thorben M. Jöhnke, Fachanwalt für Versicherungsrecht und Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte

Im Versicherungsantrag müssen Antragsteller zunächst nur Fragen wahrheitsgemäß und vollständig beantworten, die vom Versicherer gestellt werden. Dieses ergibt sich aus § 19 Versicherungsvertragsgesetz (VVG), wonach der Versicherungsnehmer bis zur Abgabe seiner Vertragserklärung die ihm bekannten Gefahrumstände, die für den Entschluss des Versicherers, den Vertrag mit dem vereinbarten Inhalt zu schließen, erheblich sind und nach denen der Versicherer in Textform gefragt hat, dem Versicherer anzuzeigen hat.

Grundsätzlich wird unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben anerkannt, dass ein Versicherungsnehmer Erklärungen, die die Leistungspflicht des Versicherers betreffen, in der Regel nicht unaufgefordert abgeben muss. Der Versicherte kann vielmehr abwarten, bis der Versicherer diese Informationen erfragt. In bestimmten Ausnahmefällen kann den Versicherungsnehmer aber auch bei fehlender Fragestellung durch den Versicherer eine sogenannte spontane Anzeigeobliegenheit (hier ausführlich) treffen.

Spontane Anzeigeobliegenheit bei Multipler-Sklerose?

Besteht also eine solche Ausnahme vom Grundsatz des § 19 VVG in Form einer spontanen Anzeigeobliegenheit bei einer MS-Erkrankung?

Zu dieser Frage hatte das Oberlandesgericht Karlsruhe (OLG) zu entscheiden (OLG Karlsruhe, Urteil v. 20.4.2018 – Az. 12 U 156/16), denn ein Versicherungsnehmer hatte in Kenntnis seiner MS-Erkrankung eine Berufsunfähigkeitsversicherung abgeschlossen und machte später Leistungen aus dieser geltend. Der Versicherer lehnte die Leistungen wegen arglistiger Täuschung ab und erklärte die Anfechtung. Das OLG verneinte jedoch eine arglistige Täuschung in Bezug auf die MS-Erkrankung, da diesbezüglich eine spontane Anzeigeobliegenheit bei verkürzten Gesundheitsfragen (wie nachstehend) nicht besteht:

„Ich erkläre, dass bei mir bis zum heutigen Tage weder ein Tumorleiden (Krebs), eine HIV-Infektion (positiver AIDS-Test), noch eine psychische Erkrankung oder ein Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit) diagnostiziert oder behandelt wurden. Ich bin nicht pflegebedürftig. Ich bin fähig, in vollem Umfange meiner Berufstätigkeit nachzugehen.“

Nach einer MS-Erkrankung aber wurde gerade nicht gefragt. Der „Fragenkatalog“ des Versicherers sei für den Antragsteller mithin als abschließend anzusehen. Der Antragsteller brauche darüber hinausgehende Angaben nicht zu machen.

Ein Anspruch auf Leistung schied in diesem vorliegenden Rechtsstreit dennoch aus, da der Versicherungsnehmer den Versicherer nach Ansicht des Gerichts arglistig darüber getäuscht hatte, seinem Beruf als Orthopädietechniker „in vollem Umfang“ nachgehen zu können. Denn tatsächlich war der Versicherte zum Zeitpunkt des Versicherungsantrags nachweislich nicht in der Lage seiner Berufstätigkeit in vollem Umfange nachzugehen.

Fazit und Hinweis für die Praxis

Ob eine spontane Anzeigeobliegenheit besteht, muss immer anhand des konkreten Einzelfalls entschieden werden. Besonders in Bezug auf die jeweiligen Gesundheitsfragen des Versicherungsantrags muss geprüft werden, wie diese inhaltlich formuliert sind. Bei allgemein formulierten Fragen des Versicherers sollte zwingend geprüft werden, ob die vorliegend Erkrankung möglicherweise miterfasst wird. Grundsätzlich kann jedoch davon ausgegangen werden, dass bei fehlenden Fragen des Versicherers auch keine Anzeigeobliegenheit besteht.

Praxistipp

Bestehen Zweifel oder liegen außergewöhnliche Umstände vor, so ist zwingend zu einer anonymen Risikovoranfrage (siehe ausführlich: hier) bei verschiedenen Berufsunfähigkeitsversicherern zu raten, um zu überprüfen, wie Versicherer in Bezug auf die vorliegend Erkrankung votieren. So dann kann bestenfalls im Vorfeld eine Versicherbarkeit des Antragstellers geprüft werden, bevor es in einem etwaigen Leistungsprüfungsverfahren zu rechtlichen Problemen kommen kann.

Weiterführende Gerichtsentscheidungen zu diesen Themen sind nachfolgend zu finden: Urteile zur spontanen Anzeigeobliegenheit.

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Bild: © Studio_East – stock.adobe.com; © Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte